Filz, Korruption & Kumpanei im Musterländle

Bildung & Wissen // Artikel vom 02.06.2008

"Wir können alles" heißt der Slogan im Ländle. Sind wir jedoch auch spitze, wenn es um Filz, Korruption und Kumpanei geht?

Das suggeriert ein neues Enthüllungsbuch mit 14 von sechs Journalisten recherchierten brisanten Kapiteln über Filz und Korruption zwischen Rhein und Donau. Auch am Oberrhein sind Lesungen des Bandes geplant: die erste am 8. Juni im Schlachthof Bruchsal.

Felix Huby führt in ein Buch ein, das eigentlich Betrübnis auslösen müsste: Die Autoren, die seit Jahren ausgraben, was andere vertuschen wollen, haben ihre Recherchen trotz der harten Fakten in launig geschriebene kompakte Kapitel gepackt. Vieles ist noch in Erinnerung: "Big Manni" Schmider, Dreh- und Angelpunkt des Flowtex-Skandals, oder die Pleitiers der "Badenia", einer der größten deutschen Bausparkassen mit Sitz in Karlsruhe. Mit Schrottimmobilien lässt sich in Karlsruhe auch bei Bausparkassen gutes Geld machen.

Das ist das Fazit, das Autor Meinrad Heck, Karlsruher Korrespondent der "Stuttgarter Zeitung", nach langwierigen Recherchen zieht – und dabei auch Suizide anführt, in welche Häuslesbesitzer von ach so feinen Investment-Managern getrieben werden. Eigentlich nichts zum Lachen!

Über weite Strecken amüsant dagegen liest sich die "wieder aufgewärmte" Geschichte des größten Wirtschaftskrimis der Nachkriegsgeschichte. Es ist nach wie vor verblüffend, wie wenige Menschen für den Milliardenbetrug in der Flowtex-Affäre vonnöten waren: Ein Hausmeister, der Seriennummern an Bohrmaschinen austauscht, ein Drucker, der Kontobelege der Deutschen Bank nachahmt, ein dieser Tage vom Mannheimer Landgericht verurteilter Anwalt, der immer wieder dicke Geldkoffer transportiert.

Manch einer wundert sich, nachdem der Skandal im Februar 2000 aufflog, dass Betriebsprüfer und kleine Angestellte vor Gericht standen, nicht aber mächtige Minister. Der Autor legt noch einmal explizit den Finger in die Wunde: Jürgen Morlok, der FDP-Ehrenvorsitzende und einst die rechte Hand von "Big Manni", soll angeblich verdeckte Zahlungen in erklecklicher Höhe erhalten haben. Morlok ist heute Dozent an einer Karlsruher Hochschule.

Während der Herausgeber des Buches Josef-Otto Freudenreich sich mit der Macht oberschwäbischer Landräte und deren enger Verdrahtung mit dem Karlsruher Energieversorger EnBW befasst, darf natürlich auch die Landespolitik nicht fehlen. Vorneweg Günther H. Oettinger, der Regierungschef, Strippenzieher und Politiker, der gleich im ersten Kapitel in die Nähe zur Mafia gerückt wird. Da taucht auch der Name des "Pizza-Mario" wieder auf.

Das ist zwar schon eine Weile her, aber man staunt nicht wenig, wenn Leute, die angeblich ständig das Wohl des Landes im Auge haben, außerhalb ihrer "Kernarbeitszeit" aktiv werden. So wie einst in "Die Maultaschen Connection", einem Bändchen aus den 90er Jahren, die "außerparlamentarische Wirtschaftspolitik in Baden-Württemberg" in der Ära von Lothar Späth beschrieben wurde, gelingt es Rainer Nübel und Hans-Peter Schütz auch vorzüglich, etwa das heutzutage lädierte Rückgrat von Regierungsbeamten zu beschreiben.

Von Mobbing und Parteibuchwirtschaft ist die Rede, von Macht und mächtigem Verdruss der Staatsdiener. In den Kapiteln "Spätzle mit Soße, Pizza piccante" und "Teebrillen und andere Scheuklappen" wird das Netz der Spezis beleuchtet. Und berichtet, dass auch jener Günther H. Oettinger schon mal unter Beobachtung der Nachrichtendienste stand, was selbstverständlich "unter Verschluss" blieb. Es werden Zusammenhänge aufgezeigt, Seilschaften offenbart und Netzwerke entwirrt.

Man ist als Leser doch verblüfft über so viel Deutlichkeit. Oft bleibt einem aber auch das Lachen im Hals stecken ob der Unverfrorenheit, mit der persönliche Interessen befördert werden. Wer also mehr über das "Musterländle" erfahren will, jenseits der Herrschaftsbrille, der ist bei dieser knapp 240 Seiten starken baden-württembergischen Sittengeschichte gut aufgehoben. Stefan Jehle

Freudenreich, Josef-Otto (Hrsg.): "Wir können alles. – Filz, Korruption & Kumpanei im Musterländle". In Zusammenarbeit mit Meinrad Heck, Wolfgang Messner und Rainer Nübel. Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen; 19,90 Euro.

INKA präsentiert: So, 8.6., 11 Uhr, Schlachthof Bruchsal, Lesung und Diskussion mit Josef-Otto Freudenreich, Meinrad Heck, Wolfgang Messner, Rainer Nübe
www.kaufmanns-schlachthof.de

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