Tina Lorenz im INKA-Interview
Bildung & Wissen // Artikel vom 01.12.2024
Das ZKM-Hertzlab mit neuer Location & neuer Leitung.
INKA (Roger Waltz): Das Hertzlabor – seit Anfang des Jahres ja „Hertzlab“ – ging einst aus dem Institut für Musik und Akustik hervor. Und wurde zumindest bei mir unter der Leitung von Ludger Brümmer eher als dessen Nachfolger angesehen. Mit dem Fokus auf akusmatischer bzw. Neuer Musik, die rein elektronisch definiert ist. Sie sind nun die erste Leitung des Hertzlabs, die nicht aus der Musik kommt. Wie kam es dazu? Wo darf man Sie künstlerisch verorten?
Tina Lorenz: Das Hertzlab ist die Abteilung für künstlerische Forschung und Entwicklung am ZKM und ist tatsächlich aus dem Institut für Musik und Akustik hervorgegangen – aber auch aus dem Institut für Bildmedien, die sich beide im Hertzlab vereinen und wiederfinden. Von daher fühle ich mich, auch wenn ich nicht aus der Lautsprechermusik komme, im Hertzlab hervorragend aufgehoben, denn die großen Fragen unserer Zeit – wie wollen wir uns in Zukunft begegnen, wie kommen wir weg von der linearen Erzählung unserer Existenz hin zu einem Kreislaufdenken, wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik und welche Rolle wollen wir eigentlich, dass Künstliche Intelligenz in unserem Alltag spielt – können wir mit künstlerischer Forschung, sei sie nun akustisch oder visuell, gut bearbeiten und so einen Beitrag zu gesellschaftlichen Debatten leisten.
INKA: Welche Rolle spielt die Musik dabei? Wird der Fokus von akusmatischer Musik mehr generell auf elektronische Musik zwischen E und U gelegt? Welche neue Rolle soll das Hertzlab bekommen?
Lorenz: Wir haben eine fantastische neue Kuratorin für Musik und Sound Art gewinnen können, Dr. Lea Luka Sikau, die seit Anfang Oktober das Team bereichert. In den kommenden zwei Jahren wollen wir die Klangfarben des Kubus’ erweitern, experimentell ausloten, was möglich ist, und aufregende Projekte machen, ohne dabei das Erbe und die Legacy der Vorgänger zu vergessen. Wir halten es da ganz mit dem berühmten Mahler-Zitat: „Andenken ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“ Der Kubus spielt dabei eine zentrale Rolle: Neben seiner Funktion als erstklassiges Studio für die Produktion elektronischer Musik werden wir ihn auch noch mehr zu einem erstklassigen Konzertsaal ertüchtigen, in dem wir das Publikum immer neu überraschen wollen.
INKA: Intelligentes Museum? Was subsummieren Sie darunter, außer, dass ein Museum z.B. digital begehbar ist? Die entwickelte Software ist frei verfügbar und soll bewusst für alle Museen und Ausstellungsmacher verfügbar sein? Was lässt sich alles damit konkret anstellen?
Lorenz: Künstliche Intelligenz ruft bei den meisten Menschen derzeit nur zwei sehr unterschiedliche Haltungen hervor: entweder begeistertes Staunen, was die Technik jetzt alles kann, oder panische Untergangsstimmung. Das Projekt „intelligent.museum“ wollte sich der Frage, was Künstliche Intelligenz für Chancen und Herausforderungen für den Museumsbetrieb haben kann, nüchtern und gründlich nähern, was uns auch gelungen ist. Mit den unterschiedlichsten Ansätzen – von künstlerischen Residenzen über eigene künstlerische Forschung im Bereich KI und Kunst bis hin zu Serviceapplikationen wie dem Museumswerkschild, das die Sprache wechselt, wenn Sie mit ihm sprechen – haben wir eruiert, was es bedeuten kann, wenn ein Museum „mitdenkt“, also ein KI-unterstütztes kognitives System wird. Die Ergebnisse unserer Nachforschungen und Erkundungen, die wir jetzt im „intelligent.museum Playbook“ veröffentlichen, sollen anderen MuseumsmacherInnen bei der Entscheidungsfindung helfen, wo und vor allem wie sie KI in ihrer Arbeit einsetzen wollen.
INKA: Zum Abschluss des seit vier Jahren laufenden Projekts „intelligent.museum“ präsentieren Sie nun „Spectral Haven“. Das Konzept zu dieser VR-Erfahrung stammt von Ihnen und weiht zugleich den neuen Projektraum des Hertzlabs ein. Können Sie zu beidem etwas sagen? Was bedeutet VR-Erfahrung? Wie groß ist der Raum, was kann und soll dort stattfinden?
Lorenz: Ich komme ja aus dem Theater und habe in meiner vorherigen Station vor Karlsruhe das Digitaltheater am Staatstheater Augsburg aufgebaut und geleitet. Dort haben wir sehr viel Virtual Reality gemacht – von daher war es klar, dass ich das Thema ein Stück weit auch mit nach Karlsruhe nehmen würde. „Spectral Haven“ setzt sich mit einer Zukunftsvision auseinander, die derzeit vor allem von Techno-Optimisten wie dem Futuristen Ray Kurzweil propagiert wird: nämlich, dass wir unsere Hirne früher oder später in die Cloud hochladen werden, um mit der KI zu verschmelzen. Er hält diese Welt für eine bessere, weil wir dann alle viel schneller denken können, scheitert aber an einer konkreten Erklärung, warum das nun die Welt besser machen würde. Wir imaginieren also mithilfe von Virtual Reality eine Zukunft, in der Kurzweils Vision Wirklichkeit geworden ist. Aber nicht so, wie der Protagonist unserer Erfahrung es sich vorgestellt hatte.
INKA: Was hat es mit der neuen Hertzlab-Location auf sich? Sie ist sehr wohnlich eingerichtet. Was haben Sie dort vor? Wie ist der Raum technisch ausgestattet und für wie viele Personen ist er zugelassen?
Lorenz: Der neue Hertzlab Space soll idealerweise viele Bedürfnisse auf einmal erfüllen. Ich bin in der Hackerszene aufgewachsen, wo ein gemeinsamer dritter Ort zum Nerden, Tinkern, Austauschen und Treffen immer zentral war. Etwas Ähnliches wollten wir auch für das Hertzlab: ein gemeinsamer Ort zum Arbeiten und für den Austausch mit unseren GastkünstlerInnen und – ganz wichtig – auch mit BesucherInnen und Publikum. Weil künstlerische Forschung oft über lange Strecken unsichtbar ist (Dinge funktionieren halt nicht, bis sie dann doch gehen), wollen wir den Prozess dahinter sichtbar machen und zeigen, woran wir arbeiten. Auch dazu dient dieser Ort. Ausgestattet haben wir ihn mit möglichst versatilen Möbelstücken, einer Monitorwand und Traversen für das Hängen verschiedener Motion-Capture-Systeme, Licht- oder Spatial-Audio-Technik. Andere Technik holen wir uns projektbezogen dazu. Wir wollen im Hertzlab Space die gesamte Bandbreite der künstlerischen Forschung am ZKM sowohl durchführen als auch zeigen, weshalb dieser Raum jedes Jahr, jeden Monat anders aussehen wird – je nachdem, woran wir arbeiten. ´
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