12. Tempel-Tanzfestival

Bühne & Klassik // Artikel vom 28.10.2012

Mit ihrem internationalen Festival haben Tempel und die 30-Jähriges feiernde Tanztribüne eine der bedeutendsten zeitgenössischen Tanzveranstaltungen im Südwesten auf die Beine gestellt.

Schon lange vor der zehnten Auflage, als das Festival erstmals auch ZKM und Kinemathek für sich einnehmen konnte, verzeichnete sein beständig in Breite wie Tiefe gewachsenes Programm nicht nur ein hervorragendes Renommee, sondern auch jede Menge Publikum. Und die bewegte Erfolgsgeschichte geht vom 7.-27.11. mit 13 Terminen, ungleich mehr Ensembles, drei deutschen Erstaufführungen und einer vierten Spielstätte weiter.

Tollhaus
Im neu hinzugekommenen Tollhaus gastieren zum Festivalabschluss der lange Jahre die nordische Tanzszene beherrschende Finne Kenneth Kvarnström, seine Tänzer der Helsinki Dance Company und ihre Produktion „You Make Me“ (Di, 27.11., 20 Uhr) – ja was eigentlich? Der Antwort stellt sich die 1965 gegründete Kompanie mit kraftvoller Poesie auf vielerlei Ebenen: der synchronen und komplex verschränkten Bewegung, der Pantomime, des Happenings und Maskenspiels, der Groteske und nicht zuletzt des Humors. Eröffnen wird das „Tanzfestival“ in der Tempel-Scenario-Halle Walter Matteinis „Thinking Outside The Box“ (Mi, 7.11., 20.30 Uhr) mit der erst seit 2009 existenten Compagnia Imperfect Dancers, einer der spannendsten Erscheinungen der gegenwärtigen italienischen Tanzszene! Das zweite Stück des Abends wurde vom deutschen Choreografen Olaf Schmidt geschrieben: „I Am Not“. Basierend auf dem gleichnamigen Roman des japanischen Autors Kazuho Ishiguro erdachte der in Karlsruhe als Staatstheater-Ballettchef noch bestens bekannte Regensburger Theaterleiter eine langgliedrige, viele Drehmomente integrierende, moderne Bewegungssprache, die ungemein frisch und kraftvoll wirkt.

ZKM-Medientheater
Das Medientheater im ZKM ist Bühne für die drei deutschen Erstaufführungen: allen vorweg die ohnehin schon viel beachtete, zur Weltelite zählende Schweizer Compagnie Linga, die „Re-Mapping The Body“ (Mi, 14.11., 20.30 Uhr) unmittelbar nach der Uraufführung in Lausanne vorstellt. Ihr neues, körperbetontes Projekt macht Bewegungen hörbar, indem Muskelimpulse zu Klängen transformiert werden. Weiter geht’s mit Sloweniens einzigem professionellen Ensemble für zeitgenössischen Tanz: En-Knap und „Octet“ (Fr, 16.11., 20.30 Uhr), einem interaktiven, intermedialen Stück, dessen Bühnenbild aus Video, Live-VJing und Lichtdesign zusammengestellt ist. Der künstlerische Leiter Iztok Kovac thematisiert darin das Verhältnis der Gesellschaft zum vorherrschenden (post-)modernen Personenkult, nimmt währenddessen die Zuschauer mit der Kamera auf und projiziert sie in die jeweilige Szenerie hinein. Den Erstaufführungsreigen beschließt die Recoil Performance Group aus Dänemark mit ihrer bei den heimischen „Performing Arts Awards“ als „Best Dance Performance Of The Year“ ausgezeichneten Produktion „Living Room“ (So, 18.11., 20.30 Uhr). Der wird nicht nur durch die Tänzer zum Leben erweckt, sondern auch durch szenografisches Videomaterial. Und wenn der Boden nachgibt, stellen sich Körper und Bühnenbild die Frage, wer hier eigentlich für wen geradesteht.

Scenario Halle
Im Tempel präsentiert Olga Pericet „De una pieza“ (Fr, 23.11., 20.30 Uhr), ihr neues Solostück mit Livemusik, für das sich die Tänzerin vom chinesischen Puzzle „Tangram“ inspirieren ließ: Analog zu den Plättchen im Spiel teilt sie den Abend in sieben kurze Stücke und versinnbildlicht damit die Stationen ihrer Karriere. Kurz nach der Uraufführung am 17.11. im Nationaltheater Mannheim kommt das Kevin O’Day Ballett mit „R.A.W. – Reworked“ (Sa, 24.11., 20.30 Uhr) nach Karlsruhe. Darin nimmt sich die ehemalige Tänzerin Dominique Dumais die Freiheit für neue choreografische Studien, experimentiert mit Gitarre, Trompete, Schlagzeug, Saxofon und Kontrabass. Die Musik steuert Jazzer und Genregrenzgänger Thomas Siffling bei. Traditionell stellt sich beim „Tempel-Tanzfestival“ auch die regionale Szene in und um Karlsruhe vor; von Patricia Wolf & Dancers übers Tanzstudio Lilo Fried bis hin zum Tanzensemble der Jugendkunstschule reihen sich die Gruppen in jeweils zehn Minuten zur äußerst beliebten „Langen Nacht der kurzen Stücke“ (Fr+Sa, 9.+10.11., 20 Uhr). Und der ewig junge Klassiker mit modernem, klassischem sowie experimentellem Tanz und Schauspiel ist erfahrungsgemäß ruckzuck vollbesetzt. Die Szene von morgen präsentiert sich wie gewohnt wieder mit den Preisträgern des 16. „Internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals“ (Mo, 19.11., 20.30 Uhr) aus Stuttgart. Rodrigue Ousmane, Sieger in der Kategorie Choreografie mit „Leda“, Eleesha Drennan, in der Kategorie Tanz mit „Whiskers“ erfolgreich, und die jeweils Zweit- und Drittplatzierten bringen die Essenz der choreografischen Kunst auf die Bühne: zeitgenössischer Tanz in seiner Urform, reduziert auf Körpersprache und Ausdruck. Und mit noch mehr Weitblick darf man die Tanzprojekte der Kinder und Jugendlichen bei der ganz „Jungen Tanzszene“ (So, 25.11., 15 Uhr, plus Zusatzvorstellung um 11 Uhr) verfolgen.

Kinemathek
Die Karlsruher Kinemathek begleitet im Studio 3 den zeitgenössischen Tanz mit 13 Kurzfilmen vom holländischen „Cinedans – Dance On Screen-Festival“ (Di, 13.11.; Sa, 17.11., jeweils 19 Uhr). Weit entfernt von abgefilmter Bewegung werden die internationalen Tanzfilme „VRRTI“, „Sliced“, „Contact“, „Magma“, „Falling“, „Ellipse“,„Deep End Dance“, „The Palindromist“, „IRC Dance Movement“, „Manoeuvres“, „Jeu de Société“, „White Swan“ und „In Dreams I Run Wild“ gezeigt, deren Akzente sowohl auf speziell für die Kamera kreierten Choreografien wie auch auf filmischen Bearbeitungen existierender Tanzperformances liegen. „Passion – Endstation Kinshasa“ (Di, 20.11., 19 Uhr; Do, 22.11., 21.15 Uhr; Sa, 24.11., 19 Uhr) ist Brigitte Kramers und Jörg Jeshels Dokumentation über die belgische Compagnie Les Ballets C de la B und ihre „Pitié!“-Tournee; eine radikal getanzte Interpretation von Bachs „Matthäus-Passion“, die nach mehr als 100 Aufführungen im Kongo abschließt und der klassischen Musik die afrikanische Wirklichkeit gegenüberstellt.

Etwas aus der Reihe tanzt diesmal der Workshop „Tanz! Und danach?“ (Mi, 14.11., 14 Uhr, bis Do, 15.11., 17 Uhr, ZKM). Als weiterer Beleg für die Vielfalt des Festivals richtet er sich an professionelle Bühnentänzer, die sich auf einen neuen Beruf vorbereiten. Aber auch wer sich ein sicheres Standbein neben dem Tanz aufbauen möchte, ist willkommen. Anmeldung bis zum 24.10. per E-Mail an info@stiftung-tanz.com. -pat

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