Die letzten Tage der Menschheit

Bühne & Klassik // Artikel vom 19.10.2015

„Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus rechnet mit Österreich zur Zeit des Ersten Weltkriegs ab.

Kraus sieht die wahren Gräuel des Krieges bei verharmlosenden Journalisten, raffgierigen Händlern und stolzen Militärs. Peter Rosmanith (Regie/Musik) und Erwin Steinhauer (Schauspieler) haben aus dem Theaterstück ein Hörspiel gemacht, das der ORF bei den „ARD Hörspieltagen“ präsentiert, und mit Friedemann Dupelius über das Stück gesprochen.

INKA: Obwohl „Die letzten Tage der Menschheit“ ein Antikriegs-Stück ist, spielt es sich kaum auf dem Schlachtfeld ab. Was macht es dennoch so intensiv?
Erwin Steinhauer: Ich finde, fast alle Szenen spielen in Einrichtungen, die direkt mit dem Krieg zu tun haben. Beim Lesen oder Hören entstehen all diese Bilder, die wir von blutigen Kriegsfilmen kennen, in unseren Köpfen. Diese Grausamkeit ist schlimmer als alles Vorproduzierte vom Fernsehen oder Film.
Peter Rosmanith: Die Musik soll dem Hörer die Möglichkeit geben, innezuhalten und zu verkraften, was man da gerade gehört hat. Sie nimmt Tempo heraus, wo es notwendig ist, wo man vielleicht gerade etwas Schockierendes gehört hat. Sie verleiht der ganzen Produktion noch mehr Rhythmus und erleichtert dem Zuhörer, wirklich dranzubleiben.

INKA: Was machen Sie hier denn für eine Musik, Herr Rosmanith?
Rosmanith: Meine Vorstellung war, einerseits die Zeit zu zitieren mit Elementen aus Militärmusik, Operette oder Kammermusik. Auch die Kaiserhymne kommt vor – aber der Großteil der Musik ist eine heutige. Es gilt zu transportieren, dass das ein absolut gültiger Text ist. Der Erste Weltkrieg ist zwar 100 Jahre her, aber die Geisteshaltungen, um die es im Wesentlichen geht, die sind leider nicht ausgestorben. Dieser Zynismus, diese Menschenverachtung – es ist alles noch da und wir müssen aufpassen.
Steinhauer: Wenn ich mit dem Stück zu tun habe, werde ich immer auf seine Aktualität hingewiesen. Auch wenn es nicht um militärische Dinge geht, so doch um etwas, was uns in der heutigen Zeit permanent begleitet: die Phrase, das an der Sprache desinteressierte Wort. Man hört es heute täglich – im Journalismus, in der Politik.

INKA: Karl Kraus arbeitet ja viel mit Zitaten aus Presse und Zeitdokumenten...
Steinhauer: Da gibt es auch diese wunderbare Figur der Kriegsberichterstatterin Alice Schalek, die Sensationstexte von der Front zu schreiben versucht. Auch heute kriegt man doch bei jeder Gelegenheit eine Kamera oder ein Mikrofon vor die Nase gehalten!

INKA: Schlüpfen Sie in all die verschiedenen zitierten Rollen?
Steinhauer: Ich spreche alle Figuren aus den gut 40 Szenen. Das ist eine unglaubliche Herausforderung und erfordert eine unheimliche Geistesgegenwart, um richtig zwischen den einzelnen Figuren switchen zu können. Gut möglich, dass sie sich auch widersprechen. Das finde ich vollkommen legitim, weil das von unserem Leben und unserer Welt zeugt, die ja auch voller Widersprüche sind.

Mi, 11.11., 22 Uhr, ZKM-Kubus, Karlsruhe
www.hoerspieltage.ard.de

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