Hörspielredakteur Liermann: „Bilder im Kopf“

Bühne & Klassik // Artikel vom 03.11.2008

Ute Bauermeister sprach mit Hörspielredakteur Peter Liermann über die Situation des Hörspiels in Deutschland.

Liermann ist seit 1990 Hörspielredakteur im hr und 2007 war als Dramaturg des Hörspiels „Polar“ nach einer Textvorlage von A. Ostermaier am Wettbewerb beteiligt.

INKA: Warum hat das Hörspiel hierzulande so großen Erfolg?
Peter Liermann: Das liegt unter anderem an der Rundfunkstruktur. Die Einführung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bildete die Basis. Wir haben eine lange Hörspieltradition. Nach dem Krieg erlebten Hörstücke eine Blüte. Angesehene Autoren wie Günter Eich, Max Frisch, Hermann Kasack schrieben Hörspiele. Die Literatur prägte das Hörspiel und es blieb über die Jahre hinweg immer lebendig.

INKA: Wie erklären Sie sich den Boom der vergangenen Jahre?
Liermann: Die Hörbuchverlage haben den Markt auch fürs Hörspiel erschlossen; man kann viele Hörspiele inzwischen kaufen und nach Lust und Laune hören. Vor allem Klassikerproduktionen kommen sehr gut an. Wir sind nicht mehr allein auf Sendeplätze angewiesen, diese Verfügbarkeit entspricht der „Podcast-Generation“: Ob im Radio, am PC oder im MP3-Player, die Menschen können quasi überall und jederzeit Thomas Manns „Doktor Faustus“ oder Peter Weiss’ „Die Ästhetik des Widerstands“ hören.

INKA: Was zeichnet Ihrer Ansicht nach ein gutes Hörspiel aus?
Liermann: Es muss intensiv sein, man muss gebannt und fasziniert zuhören können, hineingezogen werden. Das kann in einfachster Form geschehen, indem ein Text nur durch die Stimme gestaltet wird. Denken Sie an Orson Welles: Das war ein großartiger Erzähler, oder Gert Westphal, dem hörte man immer gebannt zu. Manchmal ist ein inszenierter Text wie großes Theater, das mächtige Bilder im Kopf erzeugt oder musikalisch durchsetzt.

INKA: Welche Stoffe, Texte interessieren Sie und wie kommen Sie dran?
Liermann: Neben den Klassikern, darunter vor allem Thomas Mann, dessen Buddenbrooks wir in den 1950ern gemacht haben, bin ich auch für Neues offen. Etwa 700 Manuskripte gehen bei uns jährlich unverlangt ein. Die Lektoren sieben vor und es bleibt immer etwas Interessantes hängen. Außerdem hat sich über die Jahre ein gut funktionierendes Netzwerk entwickelt. Verlage kommen auf uns zu, wenn sie meinen, das sei eher fürs Radio als für Print oder Fernsehen.

INKA: Wo hören Sie selbst am liebsten Hörspiele?
Liermann: Ich höre natürliche tagsüber sehr viel bei der Arbeit, ansonsten im Auto und abends im Bett.

ARD Hörspieltage vom 5.-9.11. im ZKM und in der HfG Karlsruhe, Eintritt frei (bis auf Radioshow, 7.11., 21.03 Uhr)
www.ard.de/radio/hoerspieltage

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