„Ich habe das starke Gefühl, dass ich hier richtig bin“
Bühne & Klassik // Artikel vom 29.06.2019
Das INKA-Interview mit Solvejg Bauer, der neuen Intendantin der „Schlossfestspiele Ettlingen“.
„7 Wochen, 7 Premieren, 7 Zugaben“ versprechen die seit dieser Saison von Solvejg Bauer geleiteten Schlossfestspiele Ettlingen“ (22.6.-11.8.). Im Interview mit Elisa Reznicek spricht die Intendantin und Regisseurin von „Die Zauberflöte“ und „Endstation Sehnsucht“ über die Magie des Neuanfangs und die Herausforderungen beim neuen Blick auf bekannte Theaterlandschaften.
INKA: Hallo Frau Bauer. Danke, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen.
Solvejg Bauer: Sehr gerne doch! Ich komme dafür gerade extra von der Probe zur „Zauberflöte“ geeilt.
INKA: Dann können Sie direkt aus Ihrem Berufsalltag heraus erzählen, wie die Proben laufen.
Bauer: Ich bin wirklich euphorisch! Es läuft hervorragend. Wir haben aus über 250 Bewerbungen ein tolles Ensemble zusammengestellt. Der Cast besteht aus talentierten Sängern aus ganz Deutschland. Wir kommen sehr gut und schnell voran. Das Wunderbare an jungen Künstlern ist der hohe Energieeinsatz, diese Kraft und Euphorie. Ich hoffe, dass sich das alles später aufs Publikum übertragen wird.
INKA: Sie öffnen die „Ettlinger Schlossfestspiele“ sowohl räumlich wie inhaltlich mit freien Formaten wie „Weißes Kaninchen, rotes Kaninchen“ und der Einbindung eines Bürgerchors bei der „Zauberflöte“. Warum gehen Sie diesen Schritt?
Bauer: Die große Chance im Sommer ist es, in einem relativ kurzen Zeitraum ein umfangreiches Programm auf die Beine zu stellen und damit das Publikum aus unterschiedlichen Richtungen abzuholen. Ich möchte dabei in jeder Spielzeit einen Kern haben, der das Programm zusammenhält. In diesem Jahr ist das der Neuanfang und der Zauber, den dieser auslöst. Das ist der frische Wind, der den gesamten Spielplan durchweht. Wir haben „Die Zauberflöte“ und unser fantastisches Broadway-Musical „Der Mann von La Mancha“ zu „Don Quixote“, das von Felix Seiler inszeniert und Adrian Sieber musikalisch geleitet wird. Dieses dreht sich darum was passiert, wenn man mit viel Kraft eine eigene Vorstellungswelt baut. Im Schauspiel „Endstation Sehnsucht“ fragen wir: Was ist, wenn man sich in einer Art und Weise im Leben einrichtet, mit der jegliche Magie verloren geht? Wir sehen bereits im Vorverkauf, dass das hinhaut. Viele Menschen kaufen Tickets für verschiedene Stücke – auch weil sie merken, wie sich die Stücke inhaltlich spiegeln oder manchmal widersprechen.
INKA: Mit der Hochschule für Musik Karlsruhe haben Sie ebenfalls eine Kooperation, die diesen Gedanken aufgreift. In „Das Geisterschloss“ werden verschiedene Räume des Ettlinger Schlosses bespielt.
Bauer: Viele Leute wissen gar nicht, dass es an der Musikhochschule Regie-Studierende gibt. Ihnen wollte ich die Chance geben, sich in den Räumen auszuprobieren und diese mit einer anderen, eigenen Wahrnehmung zu füllen. Während es draußen Nacht wird, haben sie unter anderem spannende Sachen mit Licht vor. Das wird eine intime, atmosphärische Geschichte in kleinen Gruppen, die schon jetzt komplett ausverkauft ist. Ich könnte mir gut vorstellen, in Zukunft weitere Formate dieser Art zu fördern.
INKA: Was hat Sie gereizt nach Ettlingen zu kommen?
Bauer: Letztendlich hat mich die Ausschreibung überzeugt. Dass ich sie überhaupt gelesen habe, war absoluter Zufall. Zu diesem Zeitpunkt war ich nämlich gar nicht auf der Suche. Ein befreundeter Dramaturg hat sie mir geschickt. Ich habe schon früh Stellen wie das Kulturamt abgeklopft und war viel in der Stadt. Ich habe gespürt, dass eine gute Atmosphäre herrscht. Auch der lange Bewerbungsprozess hat mich durchgängig inspiriert und mir das starke Gefühl gegeben, dass ich hier richtig bin. Schließlich bin ich mit Sack und Pack hergezogen, weil es mir wichtig ist, vor Ort zu sein und die Vernetzung intensiv voranzutreiben.
INKA: Der Projektchor in der „Zauberflöte“ und Gespräche u.a. mit dem Badischen Chorverband vermitteln den Eindruck, dass Sie keine One-Woman-Show abliefern wollen, sondern auf Synergie-Effekte setzen.
Bauer: So sieht’s aus! Als eines der wenigen Schlösser in städtischem Besitz haben wir als hier ansässige Institution die Aufgabe, dieses kulturell so zu öffnen, dass es wirklich ein Stadt- und Bürgerschloss ist. Wir wollen professionelles, hochkarätiges Theater machen, bei dem die Darsteller in Verbindung mit der Bevölkerung kommen. Es gibt den Projektchor, für den sich hunderte Menschen beworben haben, außerdem die Kinder im Kinderstück. Natürlich ist so eine Idee immer auch ein Risiko. Aber ich habe das gute Gefühl, dass ich offene Türen einrenne und alles, was wir machen, auf fruchtbaren Boden fällt. Das zeigen auch die vielen Anfragen von Menschen, die nicht unbedingt auf die Bühne wollen, aber sich einbringen möchten.
INKA: Thema Budgetknappheit – wie begegnen Sie dieser seit Jahren bekannten Herausforderung?
Bauer: Mit viel Kreativität. Ich habe genau das gleiche Budget wie Udo Schürmer. Allerdings habe ich ein paar Dinge strukturell umgebaut: Wir machen den Aufbau von Bühne, Tribüne und Technik einen knappen Monat später, was viel Geld spart. Außerdem nutze ich das Schloss als hauptsächliches Bühnenbild. Ich möchte so wenig wie möglich davorbauen. Dennoch wird die Kulisse je nach Stück unterschiedlich aussehen; zudem produzieren wir alles selbst. In den letzten Jahren gab es viele Gastspielprogramme – das wollen wir aus den eigenen Reihen decken. Ähnliches gilt für die Ausstattung. Wir nutzen eigene Werkstätten und einen Fundus mit unsagbar schönen, alten Kostümen, die man umschneidern kann.
INKA: Worauf freuen Sie sich am meisten?
Bauer: Ich freue mich tatsächlich am meisten aufs Publikum und die Interaktion in ihrer Gesamtheit. Und ich bin neugierig darauf, wie der Zusammenklang all dieser Stücke und mit den Zuschauern funktioniert, die wir hoffentlich mitnehmen können.
Premieren
- Volksoper: Mozarts „Die Zauberflöte“ (Sa, 29.6., 20 Uhr, Schlosshof)
- Schauspiel: Tennessee Williams’ „Endstation Sehnsucht“ (Sa, 6.7., 19.30 Uhr, Schlossgartenhalle)
- Musical: „Der Mann von La Mancha“ nach „Don Quixote“ (Do, 4.7., 20.30 Uhr, Schlosshof)
- Freies Format: „Weißes Kaninchen, rotes Kaninchen“, interaktives Schauspiel (Mo, 8.7., 19 Uhr, Musensaal)
- Freies Format: „Das Geisterschloss - Eine Alptraumpromenade“ (Fr, 19.7., 23 Uhr, Schlosstor Ost)
- Kinderoper: „Magier Colas“ nach Mozarts „Bastien und Bastienne“ (So, 7.7., 11 Uhr, Rohrersaal)
- Familienstück: „Der geheime Garten“ (So, 30.6., 15 Uhr, Schlosshof)
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