Kammertheater-Intendant Bernd Gnann im Interview

Bühne & Klassik // Artikel vom 03.08.2009

„Sanfte Revolution“, der Ausdruck treffe ins Schwarze, bestätigt Bernd Gnann, der neue Intendant der ehrwürdigen Boulevard-Spielstätte.

Mit viel Power, großer Offenheit, guten Ideen und frechem Crossover steigt der Vollblutschauspieler aus Stuttgart kommend in Karlsruhe ins Geschäft ein und wirbelt das Theater in der Alten Bank ordentlich auf. Die Auslastung von derzeit 40 Prozent soll auf das Doppelte steigen, Gastspiele mit reichlich Prominenz die Zuschauer locken, zudem kommt eine zweite Spielstätte namens „Marktlücke“ dazu.

Ute Bauermeister und Roger Waltz sprachen mit Bernd Gnann und der stellvertretenden Leiterin Lilly-Ann Repplinger über neue Projekte nur für Frauen, Buffalo Bill in Karlsruhe, Kabarett, Musik und sonstigen Tapetenwechsel.

INKA: Im Kammertheater weht ein neuer Wind, die Zeiten des Boulevard sind vorbei. Was erwartet die Zuschauer ab September in den Räumlichkeiten der Alten Bank?
Bernd Gnann: Wir kommen mit drei neuen Stücken innerhalb weniger Wochen raus, die jeweils zwei Wochen gespielt werden. Was gut angenommen wird, das bleibt auf dem Spielplan. Konkret geplant werden immer drei Monate im Voraus, dadurch sind wir flexibel und können auf unser Publikum reagieren. Damit die Leute mitbekommen, dass sich hier was ändert, toure ich mit der „Made“, meinem Heinz-Erhardt-Abend für die ganze Familie, in der Region. Im Kammertheater starten wir am 3.10. mit „Cyrano von Bergerac“, einem zeitgemäßen Klassiker für Herz und Verstand. Der bekannte Tatort-Darsteller Richy Müller spielt den langnasigen Poeten, der sich mit meisterhaft formulierten Liebeserklärungen schließlich doch noch seine Roxane erobert. Am 24.10. folgt die Uraufführung „Nur für Frauen“ von Thomas Beck, eine Co-Produktion mit dem Theater Ravensburg. Den Titel bitte ernst nehmen, es werden tatsächlich nur Ladies reingelassen.
Lilly-Ann Repplinger: Gleichzeitig gibt es aber die „Made“ nur für Männer, so dass der Partner nicht trostlos zu Hause vor dem Fernseher sitzen muss, während sich seine Frau über die Männerstrip-Truppe amüsiert. Aber keine Angst, die Hosen bleiben an!
Gann: Ja, und die dritte Eigenproduktion geht über die Fächerstadt: „Buffalo Bill – ein Stück Karlsruhe“ (Premiere am 22.11.). Eine Western-Show-Truppe sitzt in einem Karlsruher Bierkeller fest und ein mutiger Junge will ihnen zur Weiterfahrt verhelfen – ein spannendes Stück nicht nur für Karl-May-Fans.

INKA: Es gibt ein neues Logo, einen neuen Inter­net­auftritt und drei Fahnen, die Passanten auf das Theater aufmerksam machen sollen. Was ändert sich innerhalb der Theaterstrukturen?
Gann: Alle Mitarbeiter, die bis jetzt bei Frau Vogel-Reinsch arbeiteten, bleiben dem Haus treu. Wir haben weiterhin kein festes Ensemble, einzig Hans Rüdiger Kucich wird als Schauspieler und Regisseur bleiben. Die restlichen Darsteller engagiere ich je nach Produktion aus Baden-Württemberg oder von weiter her. Ich freue mich auf die Gäste: Corinna Harfouch mit ihrem Soloabend, der Kabarettist Emil liest wahre Lügengeschichten, Edo Zanki präsentiert regelmäßig musikalische Feinkost und die Fendel stellt ihre Hommage an Hildegard Knef vor. Unser Programm ist breit gefächert.

INKA: Im Sommer gastierte im Kammertheater István Bödy mit einem Reza-Stück, ist das wieder geplant?
Gann: Nein, wir schließen das Haus über den Sommer, um zu proben.

INKA: Sie haben sieben Geschwister: Wie ist das, in einer echten „Großfamilie“ aufzuwachsen? Und haben Sie selbst Kinder?
Gann: Das ist toll, da war immer was los. Wir haben alle einen super Kontakt zueinander, jeder macht beruflich was anderes und bei Festen sind wir meist über hundert Leute. Mein Bruder Hamme wird die Marktlücke mitleiten. Ich selbst habe Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen im Alter von sechs Jahren.

INKA: Welches Theaterereignis hat Sie persönlich besonders geprägt?
Gann: Schwierig zu sagen. Die ersten 45 Minuten des Stuttgarter „Don Quichotte“, in denen Corinna Harfouch einen Monolog spricht, waren fantastisch, packend, echtes Theater eben. Mir geht es vor allem darum, die Leute ins Theater zu locken, volksnah, aber nicht verfremdet, ehrlich, lustig und trotzdem gehaltvoll.

INKA: Gibt es erste Kontakte zu den anderen Karls­ruher Theatern und haben Sie sich hier eingelebt?
Gann: Alle haben mich sehr herzlich empfangen und sind wirklich hilfsbereit. Ja, mir gefällt Karlsruhe gut, ich wohne in der Weststadt und laufe gerne über den Gutenbergplatz. Es gibt viele hübsche Fleckchen, auch in der Innenstadt.

INKA: Wofür brauchen Sie die zweite Spielstätte?
Gann: Wir haben von Anfang an nach einer Gastronomie gesucht für unsere Theatergäste. Die Gastronomie „Alte Bank“ ist sehr gut besucht und oft wird es dann schwer, einen Platz zu finden. Als dann die ehemalige Krone am Marktplatz frei wurde, haben wir uns sofort beworben. Unten wird es Gastronomie geben und oben einen Raum für Kleinkunst. Verschiedene Künstler aus ganz Deutschland können sich dort ausprobieren. Die Räumlichkeiten können auch kostenlos gemietet werden für Feierlichkeiten, es gibt sogar die Möglichkeit, dass die Gäste das Bier selbst zapfen können. Die Fässer werden dann im Keller abgewogen. Na dann Prost!

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