Männer.Leiden
Bühne & Klassik // Artikel vom 15.02.2007
Interview mit den Kabarettisten Erik Rastetter und Martin Wacker.
"Für mich ist Theaterspielen wie für andere Tennisspielen, den Kopf frei kriegen, Spaß haben, das ist schon eine sehr glückliche Fügung" meint Martin Wacker, Pressechef der Karlsruher Messe, KSC-Stadionsprecher und nicht zuletzt Schauspieler und Kabarettist. Gemeinsam mit Erik Rastetter, der im "Brotberuf" unter anderem die Sprechblasen der Donald Duck-Comics textet und als Dramaturg arbeitet, hat das Duo mit seiner quirligen neuen Kabarett-Show "Männer.Leiden" im Sandkorn-Theater den Nerv der Zeit getroffen. Und Erfolg wie nie. Roger Waltz sprach mit Erik Rastetter und Martin Wacker über Männer, Leiden und Erfolg.
INKA: Wer kam auf die Idee, wo habt ihr recherchiert und wer hat eigentlich das Stück getextet?
Wacker: Das ist bei uns immer große Gemeinschaftsarbeit. Die Idee kam tatsächlich, als ich Erik Rastetter im Krankenhaus besuchte. Schon die Grundsituation war so lustig, wie er da im Bademantel auf dem Flur saß, dass wir beschlossen: "Das muss unser nächstes Kabarett sein!
Rastetter: Dazu kamen dann die vielen leidenden Männer da, die sich ihre Wehwehchen gegenseitig hochschaukelnd erzählen - Männer leiden ja schon ganz besonders. Dann entwickelten wir die Grundhandlung dieses Karlsruher Typen und seines hochdeutsch sprechenden Nachbarn. Das macht, denke ich, auch die Qualität von "Männer.Leiden" aus: Es hat einen roten Faden, erzählt eine Geschichte, und ist keine beliebige Szenen-Abfolge. Zusätzlich zu den Kabarett-Szenen bekommt das Publikum eine Komödie geboten als richtiges Theaterstück mit Anfang und Ende. Insgesamt ist es eher eine fetzige Kabarett-Show.
INKA: Es sitzen ja erstaunlich viele Männer im Publikum...
RaWa: Männer gucken sich ja auch gerne zu beim Leiden. Wir fahren mit dem Stück ja abwechselnd zwei Schienen. Zum einen das Thema Männerleiden mit den konkreten Figuren Schmid und Schmitt, und die Gesundheitsreform, die wir mit den Kabarett- und Gesangs-Szenen thematisieren. Für dieses Puzzle haben wir dann das überwachende Auge von Steffi Lackner, die, seit wir beide Kabarett machen, als Dritte im Bunde, als Regisseurin und Beraterin immer von außen draufschaut. Ihre Rolle ist ganz wichtig. Und man darf auch den überraschenden Vierten im Bunde nicht vergessen, Boris F. Ott als Pseudo-Männertraum einer Krankenschwester im Kostüm einer aufgetakelten Drag-Queen.
INKA: Ich habe in Karlsruhe selten ein so euphorisiertes Publikum erlebt....
RaWa: Wir spielen jetzt schon ganz lange Kabarett zusammen und hatten immer Erfolge, aber was wir im Moment erleben, ist schon sehr erstaunlich. Wenn wir bislang in unseren Programmen einen Schnitt von 80, 90 Leuten hatten, dann ist das in der Kleinkunst viel - dafür ist es Kleinkunst. Wir mussten aber wegen der Krankenhausbetten ins sogenannte "Große Haus" des Sandkorns umziehen, da passen 180 Leute rein. Dass wir auch diesen aus dem Stand weg füllen, hat neben unserer normalen Bekanntheit sicher mit der unglaublichen Mundpropaganda zu tun, die sofort einsetzte. Das ist etwas, was wir so noch nicht erlebt haben. Auch die Kritik im Feuilleton war super: " Männer.Leiden macht süchtig" oder "Hechten in die Extraklasse", das war schon ein Brett.
INKA: Leiden denn Männer wirklich mehr als Frauen?
Rastetter: Da gibt es einen Widerspruch, finde ich. Einerseits jammern Männer manchmal deutlicher. Andererseits: tiefsinnig reden wollen sie darüber eher nicht. Gleich in der zweiten Szene zeigen wir, wie es ist, wenn Männer leiden. Und wenn sie wieder arbeiten gehen, wird das zu einer großen Heldentat stilisiert.
INKA: Und welche Funktion hat das Männerleiden?
RaWa: Wir glauben vor allem, um ein bisschen Wärme und Geborgenheit zu bekommen. Wenn man schon krank ist, will man auch geliebt werden. Man will auch erzählen können von seinem Leid, es soll einem jemand zuhören. Wenn wir im Programm sagen "Oh, der Chefarzt wird nur mir zuhören, wenn ich dem erzähle, was ich schon alles gehabt habe", dieses gegenseitige Übertrumpfen in Sachen Wehwehchen, das ist doch typisch für die Situation in einem Wartezimmer oder im Krankenhaus.
INKA: Ein Eckpfeiler des Programms ist diese spezifische Karlsruher Figur. Habt ihr sie bewusst entwickelt?
RaWa: Ja. Das Programm ist in Teilen ein Bekenntnis zum Lokalkolorit mit auch lokalpolitischen Pointen, wobei man ja oft denkt: "Kennt den Politiker überhaupt jeder? Sagt das Projekt Nordtangente überhaupt allen was?". Es geht doch kaum einer zur Kommunalwahl. Aber das sind teilweise die lautesten Lacher im Programm. Die Leute vermissen es offensichtlich, dass es kein Kabarett mit lokalem Bezug gibt. Wie auch zum Beispiel der hoch verehrte Kollege Hurst halten wir ihnen auch sprachlich den Spiegel vor.
Wacker: Das macht meine Figur "Schmid" ganz extrem: "Die Dode sterbe nie aus" , wie die Karlsruher halt so quatschen. Ich glaube, das ist noch das I-Tüpfelchen, warum das Programm so gut läuft.
INKA: Wieso seid ihr nicht längst überregional oder im TV an den Start gegangen?
RaWa: Exakt nach diesem Programm wurden wir das schon oft gefragt. Wir kriegen unglaublich viel Post und Medienreaktionen nach dem Motto: "Auf jetzt, ran an die Buletten ...". Im Moment ist schon eine Tendenz zu spüren, wo es jetzt einfach passieren kann... Vielleicht geben sich die Damen und Herren vom Fernsehen jetzt einen Ruck.
Männer.Leiden ist am Do., 15.2., Do., 22.2. und Sa, 3.3. im Sandkorn-Theater zu erleben. Tickets und Reservierungen unter Tel. 84 89 84.
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