Maienschlager

Bühne & Klassik // Artikel vom 17.04.2014

Katharina Gerickes (Foto: Waltraud Kühne) Stück „Maienschlager“ erzählt die Liebesgeschichte zwischen dem Hitlerjungen Mark und dem Juden Jakob im Jahr 1938.

Sie erfahren die unerwartete Unterstützung ihrer Eltern, aber auch die widrigen Umstände ihrer Zeit. INKA sprach mit der Autorin und der Schauspieldramaturgin Kerstin Grübmeyer vom Badischen Staatstheater, wo das Stück Premiere feiert.

INKA: Frau Gericke, Sie haben „Maienschlager“ ja schon 1996 geschrieben. Was hat Sie damals dazu bewogen, dieses Thema zu verarbeiten?
Katharina Gericke: Nach den kleineren Stücken während meines Studiums war es für mich irgendwann Zeit für eine große Geschichte. Ich wusste, es soll eine Liebesgeschichte sein, und ich beschäftige mich gerne mit historischen Themen. Man denkt ja häufig, jeder wisse schon alles über das Dritte Reich. Als ich das Stück schrieb, wurde viel darüber diskutiert, ob die Vergangenheitsbewältigung jetzt erledigt sein müsse. Ich bin der Meinung, dass jede Generation ihren eigenen Zugriff auf diese Zeit finden muss, und ich möchte nicht, dass die Erinnerung aufhört.

INKA: Wobei Homosexualität bei der Aufbereitung des Dritten Reiches doch mehr ein Randthema ist als andere. War das für Sie ein Ansatz?
Gericke: Ich dachte schon, dass man davon weiß, dass es zum Beispiel den Rosa Winkel gab – aber ich glaube, es ist bis heute so, dass das immer noch die namenlosen Opfer sind, an die nicht so häufig erinnert wird. Es hat aber auch einfach einen theatralen Grund: Ich wollte, dass es um die Liebe in ihrer reinen, kristallinen Form geht, nicht um so etwas wie das Mystische zwischen den Geschlechtern Mann und Frau. Mit zwei Männern ist das Thema Liebe für die Bühne abstrakter, man bekommt noch eine andere Dimension hinein. Und ich wollte das so setzen, wie es für mich eigentlich selbstverständlich sein sollte: dass jede Form von Liebe gleichberechtigt ist – ein Zustand, der immer noch nicht wirklich erreicht ist. Die Frage ist doch: Wie pervers ist das eigentlich, dass Liebe verfolgt oder diffamiert wird?!
Kerstin Grübmeyer: Was wir vom Staatstheater bei der Planung vor einem Jahr noch nicht wissen konnten: Durch die Bildungsplan-Debatte bekommt das Thema gerade wieder eine besondere Aktualität, auch dadurch, wie zur Zeit über Homosexualität diskutiert wird und welche Ängste und Ressentiments in Baden-Württemberg offenbar vorhanden sind. Da ist das Stück ein toller Diskussionsbeitrag. Ist es heute wirklich so unproblematisch für Jugendliche, sich zu outen? Ich glaube nämlich nicht. Natürlich sind wir weiter als in der NS-Zeit, aber an die Fragen dieses Stücks kann und sollte man anknüpfen.
Gericke: Ich finde es wirklich wichtig, dass es in den Lehrplänen thematisiert wird, dass Menschen schon in jungen Jahren darüber nachdenken, auch über die eigene sexuelle Verortung. Vielleicht kann das Stück jetzt ein paar Diskussionen auslösen...

INKA: Haben Sie den Eindruck, dass sich die Reaktion auf das Stück seit der ersten Aufführung 1997 verändert hat?
Gericke: Anfangs gab es Fragen wie: Warum sind die Nazis alle so ungebrochene Charaktere? Und warum wird die Liebe so utopisch dargestellt? Sie wäre doch auch etwas Gebrochenes. Bei den Aufführungen der letzten Jahre wurde das nicht mehr gefragt. Und es hat eigentlich schon immer funktioniert, dass die Zuschauer der Einladung gefolgt sind, in diese etwas utopische, märchenhafte Bühnenwelt einzutreten. -fd

Premiere: Do, 17.4., 20 Uhr, auch: So, 20.4., 19 Uhr + Sa, 26.4., 19.30 Uhr, Badisches Staatstheater, Kleines Haus, Karlsruhe

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