Rastetter & Wacker im INKA-Interview
Bühne & Klassik // Artikel vom 08.01.2009
„Männer.Leiden” war das bislang erfolgreichste Stück des Kabarett-Duos Rastetter-Wacker, mit dem sie auf Kleinkunstebene fast in Comedy-Besucher-Dimensionen vorstießen.
Jetzt ist die Fortsetzung raus – erneut eine Kabarett-Show mit klarem, furiosem Handlungsstrang, aber auch tragikomischen bis absurden Sketchen samt viel badischem Lokalkolorit und Songs voller Sprachwitz und Sprachspielen. Roger Waltz hatte wie das enthusiastische Publikum bei der Premiere einen Heidenspaß und sprach mit Erik Rastetter und Martin Wacker im „Doppelkopf“-Interview.
INKA: Die zuletzt im Krankenhauszimmer angesiedelte Hassliebe der beiden badischen Nachbarn Otto Schmid und Freddy Schmitt kulminiert nun in Bali – beide sind zufällig weiter hinter Krankenschwester Ursula her, halten aber Bali zunächst für eine Abkürzung von „Baggersee Linkenheim“. Weshalb habt ihr die grandiosen Charaktere nicht einfach in einen All-Inclusive-Fress-Sauf-Hotelkomplex gesteckt, sondern Bali gewählt?
Rastetter-Wacker: Bali hatten wir ja schon im letzten Programm angekündigt, es hatte einen sehr schön absurden Klang in der Aussprache von Schwester Ursula. Zum anderen sind die Pseudo-Kulturreisenden eben auch sehr komisch. Sie wollen zwar dem Klischee entkommen, erfüllen es aber trotzdem. Außerdem steht Bali für eine gewisse Exotik, für das ganz große Fernweh. Erik war im Sommer tatsächlich in Indonesien und auch auf der wirklich faszinierenden Insel Bali. Von dort sind auch einige Requisiten, Kostüme und Musikeinspielungen.
INKA: Eine der genialsten Szenen ist für mich der Kampf um die Strandliege mit der alten, schweißgetränkten KSC-Nackenrolle als Kontrapunkt zu den „Kirschkernsäckchen, dem abgekauten Dörrobst“. Die Nackenrolle, ein Synonym für deutsche Leitkultur inklusive Wellness-Spott – wie kamt ihr denn auf diese grandiose Idee?
Rastetter-Wacker: Den Anlass lieferte Martins Schwiegermutter bei einem Familienurlaub in Frankreich. Auf der Rückfahrt war sie völlig aufgelöst, weil sie ihre „Naggeroll“ im Hotel vergessen hatte. Das war natürlich eine Steilvorlage für die dramatische Stilisierung... Das gibt es immer wieder, dass es Erlebnisse oder Situationen aus dem „richtigen“ Leben bei uns auf die Bühne schaffen. Das letzte Programm hatte seinen Ursprung ja in einem echten Krankenhausaufenthalt von Erik. Bei Martins Besuch mussten wir die ganze Zeit über die absurde Klinikwelt mit Ärzten und Patienten lachen.
INKA: Schwester Ursula – gespielt von einem Boris. F. Ott in Bestform – nimmt ja an der Karoke-WM teil. Ein gefundenes Fressen für euch für die verschiedenen Gesangsnummern wie „In the Jungle“ oder „Mercy“...
Rastetter-Wacker: Dass wir das neue Programm wieder mit musikalischen Einlagen würzen, war so klar wie der Himmel über Bali. Das Publikum mag es, wir mögen es – also wären wir ja blöd, es nicht zu machen. Außerdem hat es unsere Schwester Ursula, also Boris F. Ott, wirklich drauf, Songs wie „Mercy“ zu bringen. Wenn er uns im Lack-Schwesternkostüm zu seinen bzw. ihren Choreografie-Sklaven macht, dann ist Stimmung in der Bude. Den kleinen Song „Honolulu Baby“ aus dem Film „Die Wüstensöhne“ lieben wir als alte Laurel&Hardy-Fans schon lange. Als herauskam, dass auch Boris auf den Ohrwurm steht, war klar, der muss jetzt ins Programm, inklusive Ukulele und Tänzchen.
INKA: Das Stück lebt ja auch von den Kontrasten aus badischem Kleinbürgerkolorit samt Karlsruher Dialekt und durchaus ernst-absurder kabarettistischer Touri- und Tourismusindustrie-Kritik. Inklusive einem Plot zu den großen Karlsruher Themen wie U-Strab, KSC-Stadion und dem „gefährlichsten Bad Deutschlands“, der Blaue-Flecken-Schleuder Europabad. Könnt ihr mal skizzieren, wie ein solcher Megamix aus Slapstick, Kabarett, Sketchen und Vocal-Nummern eigentlich entsteht?
Rastetter-Wacker: In der Regel schließen wir unsbei einem Auftakt-Brainstorm-Wochenende ein, feixen, plappern, spinnen drauf los und fixieren die Ergebnisse im Laptop. Dann wird die Struktur festgelegt und die Rahmenhandlung entwickelt, die Textaufträge werden verteilt und jeder zieht sich in sein Denkerstübchen zurück. Erst wenn das Buch zu 80% steht, kommt Regisseurin Steffi Lackner und unsere „Schwester“ Boris F. Ott an Bord. Die Proben beginnen – in diesen sechs Wochen wird intensiv weiterentwickelt, gestrichen und ergänzt. Ein unglaublich spannender Prozess. Teilweise geht das ja auch nach der Premiere weiter. Schon aus Aktualitätsgründen müssen immer wieder ein paar Schräubchen nachgezogen werden. Die wirklich spannende Phase ist die Probenzeit. Da muss sich ein Text, der daheim am Schreibtisch ganz
lustig wirkte, dann bewähren.
INKA: Erneut großartig sind die Szenen im pur badischen Slang. Ich fühle mich immer an ein vertauschtes Stan&Olli-Szenario erinnert: Erik Rastetter als Oliver Hardy, der aber von der Figur her eher zu Stan Laurel passt, und Martin Wacker als Stan Laurel, der aber eher an einen badischen Oliver Hardy erinnert. Stoff für ein zukünftiges strikt badisches Programm?
Rastetter-Wacker: Strikt badisch würde ja den schönen Konflikt zwischen dem Badener Otto (oder Oddo – „mit Doppel-D, von hinne wie von vorne!“) und Freddy wegnehmen. Davon lebt das Duo – von körperlichen und in der Rahmenhandlung eben auch sprachlichen Gegensätzen. Trotzdem haben wir viele badische Insider-Gags an Bord, alleine die „Stadtrundfahrt durch die Ruinen von Karlsruhe“ und die original badischen Stilblüten (jahrzehntelang während unzähliger Straßenbahnfahrten eingefangen) machen das Programm zu einem Kabarett aus Karlsruhe. Hajo, da Raschdedder kann zwar a badisch daher babble, awwer des wär dann oifach nemme des, was den Roiz ausmache due dud. Außerdem kann sich sprachlich oder „dialektisch“ jeder auch noch anderweitig ausleben, z.B. in unserer Trash-Nummer mit Gloria von Thurn und Taxis und Kardinal Meisner setzen wir reichlich Dialekt ein. Übrigens – danke für den Vergleich mit den unsterblichen Clowns Laurel & Hardy, das ist aber viel zu viel der Ehre, da werden wir ja ganz rot vor Verlegenheit!
Tel. 0721/848984
www.sandkorn-theater.de
www.rastetter-wacker.de
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