Spielzeitvorschau: Badisches Staatstheater 2024/25

Bühne & Klassik // Artikel vom 01.08.2024

Badisches Staatstheater (Foto: Arno Kohlem)

Es ist die erste Spielzeit des neuen Leitungsteams rund um Intendant Christian Firmbach.

Einige neue Mitglieder zählt das Staatstheater, doch auch viele der vertrauten Gesichter sind auf und hinter den Bühnen zu finden. Fast zwei Jahre Vorbereitung stecken in dem Programm, das mit zehn Opern-, neun Schauspielpremieren und 13 großen Konzerten sehr üppig ausfällt. Plus zahlreiche Wiederaufnahmen, die mit ihrer Ausdruckskraft bereits in den vergangenen Jahren überzeugten. Die größte Änderung ist die Umwandlung des Volkstheaters in das Digitaltheater, ein neues Format an der Schnittstelle von Partizipation, Analogität und Screens. Wo sonst hätte das Netzwerk-Theater erfunden werden können als in der Unesco City Of Media Arts, mit ZKM und KIT als Nachbarn? -sb

Konzert

Generalmusikdirektor Fritzsch, der seit 2020 die Badische Staatskapelle leitet, hat mit neuem Orchesterdirektor Oliver Kersken ein Konzertprogramm zusammengestellt, das nach Galanta, Shanghai oder in die Ukraine führt und zeitgenössische Kompositionen mit Klassikern verbindet. Die acht Sinfoniekonzerte führen von Carl Maria von Weber (6.+7.10.), über Mahler (2.+3.2.) hin zu Lili Boulanger und dem diesjährigen Jubilar Schostakowitsch (1.+2.6.). Für jede Art des Zuhörens ein passendes Format: Die moderierten „Klangöffner“ wie die dunklen „Nachtklänge“ werden weitergeführt; für die Kleinen (ab sechs Jahren) und Kleinsten (ab drei) gibt’s Reisen in den Winterwald (ab 6.12.) oder durch Amerika (6.+7.7.). Die Kammerkonzerte widmen sich verschiedenen Themen wie „Multikulturell“ (1.12.) oder „Pionierinnen“ mit Klavierquintetten von Amy Beach und Louise Farrenc (20.10.). Die Jazzclub-Koop „Jazz Nights“ des Trompeters Thomas Siffling zeugt bereits seit zehn Jahren von der Vielfalt des Genres, wie mit den Crossoverabenden „Luca Sestak Trio“ (18.1.) und „Lily Dahab – Bajo un mismo cielo“ (11.7.).

Schauspiel

Brecht, Shakespeare, Kafka: Große Stoffe plus aktuelle Auftragswerke wie „Die Hitze und das Recht“ (ab 11.4.) sorgen für eine Gegenwartsdramatik, die das Leben unterm Brennglas deutlich hervortreten lässt. Schauspieldirektor Claus Caesar und Oberspielleiterin Brit Bartkowiak bewegen sich mit neun Premieren und 13 Wiederaufnahmen vom totalitären Staat, über einen „nervösen Soldaten auf Erbsendiät“ und skatende Mädchen bis ins Hier und Jetzt. „Tragödienbastard“ von Ewe Benbenek, 2021 mit dem „Mülheimer Dramatikpreis“ ausgezeichnet, handelt vom Blick einer Tochter auf die Sehnsucht nach dem „weinroten Luxuspass“ der Eltern, die aus Polen immigrierten; doch das Narrativ trägt nicht, das Narrativ „von der freien Frau, / weil der goldene Westen sie nicht frei gemacht hat / die Frau“ (ab 8.2.). Auch in „Die Wut, die bleibt“ spielen starke Frauen die Hauptrollen (auf und hinter der Bühne), zwischen Care-Arbeit, Überforderung und den Widersprüchen des Alltags (ab 12.4.).

Oper

Zehn Opernpremieren sind eine Ansage! Operndirektor Christoph von Bernuth und Stephanie Twiehaus, Leitende Dramaturgin von Oper, Konzert und „Händel-Festspielen“, spannen den Bogen von den rauen Klippen von Cornwall („The Wreckers“, ab 29.9., s. sep. Tipp) über die Weite der russischen Provinz („Eugen Onegin“, ab 24.5.) bis ins hitzige Sizilien mit („Cavalleria rusticana/Pagliacci“, ab 27.10.). Die Nähe zu Frankreich inspirierte zu „Phèdre“, ein seit 200 Jahren vergessener französischer „Klassiker“ mit einer uralten Geschichte von familiärer Liebe, Intrige und Mord (ab 25.1.). Die Reihe „Zukunft Oper“ hält für junge Menschen wichtigen Stoff parat, mit „Itch“ sogar eine deutsche Erstaufführung. Die Jugendoper, bei der ein ungewöhnliches Hobby zur Gefahr wird, wurde 2023 in London uraufgeführt (ab 4.5.). Auch heiter kann es werden: „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss (ab 30.3.) wie auch die Komische Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß (ab 7.12.) erinnern uns, wie nah Lachen und Weinen manchmal beieinander liegen.

Ballett

Mit Raimondo Rebeck und Kristína Paulin leitet künftig ein Generationenteam die Ballettsparte. Paulin ist neben der künstlerischen Stellvertretung auch Choreografin in Residence. Beim moderierten Eröffnungsabend „Tanzkraftwerk“ präsentieren sie sich mit der Compagnie und Choreografen der Spielzeit mit Live-Interviews, einer Making-of-Reportage und natürlich viel Tanz (6.10.). Zu „Tanz Karlsruhe“ wird der erste Ballettabend mit einer Uraufführung von Paulin, einer deutschen Erstaufführung von Rebeck und einer Choreo von Mauro Bigonzetti veranstaltet (ab 16.11.). Neben vielen Wiederaufnahmen wie „Das Mädchen & Der Nussknacker“ von der ehemaligen Ballettdirektorin Bridget Breiner (ab 14.12.) gibt es das beliebte Format „Zukunft Choreografie“ unter neuem Namen: Bei „Made in KA – Junge Choreografien aus Karlsruhe“ zeigen junge Talente der Compagnie eigene Choreos (ab 21.6.).

Junges Staatstheater

Die Leitung des Jungen Staatstheaters hat weiterhin Nele Tippelmann inne und lässt mit sieben neuen Premieren und zehn Wiederaufnahmen aufwarten. Mit „Nils Karlsson Däumling“ (ab 12.10., ab drei Jahren) und „Orpheus und die Zauberharfe“ (ab 21.3., ab fünf) gibt’s zwei Kinderopern, während mit „Die Welle“ (ab 14.2., ab zwölf), „Robin Hood“ (ab 27.4., ab zehn) für die Älteren politische Themen behandelt werden. Auch mit „Mädchenschrift“ wird ein kritischer Blick auf die Gesellschaft geworfen. Das starke Stück von Özlem Özgül Dündar wendet sich als „Beschreibung, (Selbst-)Erforschung und Manifest“ dem komplizierten Erwachsenwerden von „Mädchen*“ innerhalb der äußeren Erwartungen und Grenzen zu. Der Text wurde 2023 mit dem Kinder- und Jugenddramatikerpreis „Kaas & Kappes“ ausgezeichnet (ab 22.6., ab 14).

Digitaltheater

Anna-Teresa Schmidt und Kevin Barz haben bereits im „verregneten Oldenburg“ zusammengearbeitet und wagen sich mit drei experimentellen Stücken an die Schnittstelle von Digitalem und ganz haptisch Analogem. Die Corona-Zeit hatte notgedrungen neue Türen geöffnet, doch auch aktuelle technische Entwicklungen fordern dazu auf, mit der Bühnenkunst als Spiegel von Gesellschaft und Geschichten neue Schritte zu erforschen. Bereits zum „Theaterfest“ gibt es mit „Paradise Found“ die erste Uraufführung (ab 14.9.). Ein Plädoyer für die Lüge ist „Die Tagesshow. It’s Called Fake News“, bei der das Publikum jeden Abend die Realität neu erfindet. Vielleicht faken wir auch mal „gute“ News (ab 9.11.)? Im nächsten Sommer wird Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“ zur Grundlage eines Dokumentartheaterabends rund um die Frage des ambivalenten Tanzes mit den Maschinen des Alltags. Wo ist der Hexenmeister, der uns aus dem Schlamassel retten könnte (ab 6.6.)?

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