Staatstheater-Premiere: „Richtfest“-Interview

Bühne & Klassik // Artikel vom 28.11.2013

Ein Haus gemeinsam bauen, gemeinsam bezahlen – und gemeinsam bewohnen, das macht Baugemeinschaften zunehmend beliebt, längst nicht mehr nur in Berlin.

Für ihr Stück „Richtfest“, das am Staatstheater Karlsruhe Premiere feiert, haben Lutz Hübner und Sarah Nemitz eine fiktive, aber in der Realität durchaus vorstellbare solche Gemeinschaft „gecastet“, die bald vor einigen Problemen steht – da wird zum Beispiel ein Gemeinschaftsmitglied pflegebedürftig und ein anderes will sich nur profilieren. Lutz Hübner erzählte Friedemann Dupelius, aus welchem Material Baugemeinschaften errichtet sind.

INKA: Ihr Stück kommt jetzt endlich nach Hause, ins Land der Häuslebauer – kann man das so sagen?
Lutz Hübner: Ich habe erst neulich gelesen, dass das mit den Baugemeinschaften hier in Süddeutschland anfing, ich glaube, in Freiburg und Stuttgart. Insofern ist das sachlich auf jeden Fall richtig.


INKA: Es gibt solche Projekte auch in Karlsruhe. Deren Selbstbeschreibungen lesen sich sehr idealistisch...
Hübner: So ist das oft. Da sind alle Abstufungen von Wohnutopie möglich – von gemeinsam leben, gemeinsam alt werden bis zum Gemeinschaftsraum und „Es wird für jeden billiger“. Es ist sehr spannend, was da alles an Sehnsüchten einfließt.

INKA: Wie viel Utopie steckt denn in der Idee „Baugemeinschaft“?
Hübner: Ich denke, Baugemeinschaften sind eine Art Schrumpfform der großen Utopien der 70er Jahre. Man will nicht mehr die ganze Welt verändern, sondern in einem Kontext leben, in dem man nicht alleine und jeder für jeden da ist. Es wird also auf einen Bereich heruntergebrochen, von dem man glaubt, man könne ihn überschauen. Die Utopie findet in diesem einen Haus statt, in dem zum Beispiel immer jemand ist, mit dem man sprechen kann. Diesen Traum würde ich auch jederzeit unterschreiben – aber was heißt das dann im Einzelnen? Wenn es Leute gibt, deren Bedarf an sozialem Kontakt einfach wesentlich größer ist, spielt die Utopie keine Rolle mehr. Dann kommen grundsätzliche Fragen des Zusammenlebens auf, Bedürfnisse nach Anonymität und Distanz. Ich glaube, der Alltag vernichtet Utopien, so wie im Großen auch.

INKA: Sie zeigen die Unmöglichkeit solcher Utopien in Ihrem Stück auf?
Hübner: Eine glückliche Hausgemeinschaft wäre wohl nicht abendfüllend. Fürs Theater ist es interessant, mitzuverfolgen, wie so etwas in einer Katastrophe enden kann. Ich glaube, es gibt keinen Hausbau ohne Krise. Eine der großen Fragen ist, wie der finanzielle Ausgleich funktionieren kann, da es wohl keine Baugemeinschaft gibt, in die alle mit demselben Stand hineingehen. Da gibt es aber doch bei vielen Baugemeinschaften die Bereitschaft, den anderen zu helfen. Der Teamgedanke hält zusammen.

INKA: Würden Sie mit der Gruppe zusammenziehen, die Sie für Ihr Stück gecastet haben?
Hübner: Höchstwahrscheinlich nicht mit allen (lacht).

Premiere: Do, 28.11., 20 Uhr, Staatstheater Karlsruhe, Studio, Karlsruhe

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