Tanz Karlsruhe 15
Bühne & Klassik // Artikel vom 16.10.2015
Das internationale „Tempel-Tanzfestival“ nimmt sich zurück – aber nur bei der Namensgebung.
Kurz und bündig unter „Tanz Karlsruhe“ läuft das spartenübergreifende Programm vom 13. bis 29.11. mit seinen drei Deutschland-Premieren und einer Uraufführung. Damit tragen der Künstlerische Leiter Martin Holder vom Tempel und Kurator Hans Traut von der Tanztribüne der stetig steigenden überregionalen Ausstrahlung ebenso Rechnung wie auch der Tatsache, dass sich das Festival in den vergangenen fünf Ausgaben auf immer mehr Veranstaltungsorte in der gesamten Stadt ausgebreitet hat. Denn was 2009 noch einzig und allein im Mühlburger Kulturzentrum über die Bühne ging, ist inzwischen auf sechs Locations angewachsen: Zur Scenario Halle kamen 2010 das ZKM und die Kinemathek, zwei Jahre später das Tollhaus, 2013 der Club Vanguarde und nun noch das Figurentheater Marotte hinzu.
Marotte Figurentheater
Erstmals Teil von „Tanz Karlsruhe“ ist die Marotte, und das Figurentheater steuert mit „Re.birth.day“ (Di, 24.11., 20 Uhr) gleich eine Uraufführung bei: Inspiriert durch die Arbeiten des Skulpturenkünstlers Reinhard K. Schmitt erzählt das Puppentanztheater auf surreale Art die Geschichte eines Geburtstagskindes; Tänzer Piotr Tomczyk, der unter dem Namen „BIK – Begegnung in Karlsruhe“ zahlreiche Perfomances an öffentlichen Plätzen, in Galerien und Museen inszeniert und für die 2013er „Sasha Waltz“-Ausstellung im ZKM mit der berühmten Choreografin zusammengearbeitet hat, thematisiert neben dem Älterwerden auch die fragwürdigen gesellschaftlichen Schönheitsideale.
Kulturzentrum Tempel
Eröffnet wird der „Tanz Karlsruhe“ mit dem Klassiker schlechthin: der „Langen Nacht der kurzen Stücke“ (Fr+Sa, 13.+14.11., 20 Uhr). Wer dabei sein möchte, wenn sich die regionale Tanzszene in und rund um Karlsruhe, von Lörrach über München bis nach Stuttgart, mit vielen neuen Gruppen in rund zehnminütigen Stücken vorstellt, muss zeitigst Karten klarmachen! Denn der Doppelabend gehört erfahrungsgemäß zu den ersten ausverkauften Terminen des Festivals. Geboten ist wieder ein buntes Mosaik aus modernem, klassischem und experimentellem Tanz, Schauspiel und akustischen Räumen. Schon mehrere Schritte weiter sind die Preisträger des 19. „Internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals“ Stuttgart“ (Mo, 16.11., 20.30 Uhr). Sie zeigen zeitgenössischen Tanz in seiner Urform, reduziert auf Körpersprache und Ausdruck. Auf der Bühne stehen diesmal Jon Ole Olstad (Norwegen), Tamar Grosz (Israel), Pasquale Lombardi (Italien) und Daphne van Dooren (Niederlande). Dann kommt der Flamenco-Shootingstar aus Spanien: Mit zwei Sängern und Livegitarrenbegleitung präsentiert Manuel Liñán (Foto oben) zum ersten Mal in Deutschland die Produktion „Sinergia“ (Fr, 27.11., 20.30 Uhr). Und nach der guten Resonanz im Vorjahr steigt anschließend die zweite Ausgabe des vom Karlsruher Hip-Hop-Kulturzentrum Combo mitveranstalteten „Scenario Battle – 2 vs. 2“ (Sa, 28.11., 18.30 Uhr). Dabei treten 16 internationale B-Boys- und B-Girls-Teams beim „European Breakdance Championship“ im K.o.-Turniermodus um den Titel an; Schauplatz ist neben der Scenario Halle auch das benachbarte Vanguarde. Bekannt für ihre an ein junges Publikum gerichteten hochphysischen Inszenierungen ist auch Sabine Seume. Im bereits ab sechs Jahren geeigneten Tanztheater „Die Goldbergs“ (So, 29.11., 17 Uhr) treiben das Ensemble der Düsseldorfer Choreografin und Pianistin Vasilena Krastanova ein einfallsreiches Spiel mit der Musik, verpackt in Momentaufnahmen eines stimmungsschwankenden Tagesablaufs. Den bilderreichen Wechsel zwischen Wirklichkeit und Traum unterstützt ein funkgesteuertes Lichtdesign.
ZKM
Ein pulsierendes Universum aus Tanz, Video- und Klanglandschaften lassen Yui Kawaguchi und Yoshimasa Ishibashi in ihrer von der japanischen Teezeremonie angeregten multimedialen Tanzperformance „Match Atria“ (Di, 17.11., 17/19/21 Uhr, Foto) entstehen. Kawaguchis Körper trifft dabei auf 3D-Projektionen und Akustik; um eine physische Verbundenheit zum Publikum aufzubauen, werden sogenannte Heartbeat Units ausgegeben – lebensgroße Kunststoffherzen, die ihre Schläge live in die Hände der Zuschauer senden! Die drei rund 40-minütigen Performances sind auf jeweils 30 Gäste limitiert. Für die zweite Deutschland-Premiere „Inheritor Album“ (Fr+Sa, 20.+21.11., 20.30 Uhr) sorgt das 605 Collective aus Kanada, eine der spannendsten Erscheinungen der dortigen Szene: Mit elektronischen Sounds und einer explosiven Körperlichkeit versetzen sich sechs Tänzer vor den Animationen des preisgekrönten Medienkünstlers Miwa Matreyek schnappschussartig in die Rollen zweier aufeinanderfolgender Generationen. Und beim ebenfalls erstmals hierzulande aufgeführten „Alpha – The New Wilderness“ (So, 22.11., 20.30 Uhr) verschwimmen die Grenzen von Mensch und Primat. Panama Pictures aus den Niederlanden gibt seinen drei über die Bühne wirbelnden, kletternden, rutschenden und balancierenden Tänzern und zwei chinesischen Stangenakrobaten derart Zucker, dass sich fast zwingend die Frage stellt: hitzige Diskussion in der Chefetage oder doch ein Scharmützel unter Affen? Beides, denn Pia Meuthen hat bei ihrer Performance sowohl die jüngste Finanzkrise und eine Analyse des Verhaltens von Männern in Führungspositionen als auch das Werk des Primatenforschers Frans de Waal im Sinn... Die vom Duo Strijbos & Van Pijswijk eigens für „Alpha“ geschriebene Komposition singt Sopranistin Linde Schinkel.
Tollhaus
Eine der markantesten Handschriften im zeitgenössischen Tanz gehört dem Choreografen des Londoner Royal Ballets, Wayne McGregor. Bekannt für seine Arbeiten im Spannungsfeld zwischen Tanz, Film, Musik, Technologie und Wissenschaft kreierte der Brite mit „Atomos“ (Mi, 25.11., 20 Uhr, Foto rechts) ein Stück, das zehn Körper samt Bewegtbildern, Tönen und Lichtern in seine Einzelteile zerlegt, um sie begleitet von 3D-Material und dem Soundtrack der neoklassizistischen Band A Winged Victory For The Sullen immer wieder zu einem großen Ganzen zu verschmelzen. Dargestellt wird dieses Szenario von einer der renommiertesten Compagnien Großbritanniens: dem Ensemble Random Dance. Vornweg gibt es eine 30-minütige Video-Einführung (19 Uhr) in McGregors Arbeitsstil und die früheren Werke. Seine Bewegungsrecherche führt der zum Ende der Spielzeit 2015/16 das Mannheimer Nationaltheater verlassende Ballettintendant Kevin O’Day fort und präsentiert nach dem 2012 auch bei „Tanz Karlsruhe“ aufgeführten „R.A.W.“ mit „Pure“ (Do, 26.11., 20 Uhr, Foto) den zweiten Teil der Trilogie. Dominique Dumais’ Choreografien geben live improvisierende Musiker den Tanzrahmen vor.
Kinemathek
Mit der Dokumentation „Here We Come“ (Do, 19.11., 19 Uhr) zeichnet Nico Raschick die Entwicklung von Hip-Hop und Breakdance in der DDR nach. Neben sehenswertem Archivmaterial und mitreißender Musik faszinieren besonders die selbst zu Wort kommenden Protagonisten von damals, wenn sie drei Jahrzehnte später schmunzelnd auf ihre wilde Zeit zurückblicken, als sich Jugendliche in den 80ern eigenhändig ihre Trainingsanzüge nähten, Graffitis mit dem Pinsel auftrugen und die Moves vor dem Spiegel übten. Derweil hat Carlos Saura, der zunehmend dem Tanzfilm zugewandte Altmeister des spanischen Kinos, mit „Carmen“ und „Flamenco“ Welterfolge gefeiert. In „Flamenco, Flamenco“ (Di, 24.11., 19 Uhr; Mi, 25.11., 21.15 Uhr) stellt er vor der Kulisse des ehemaligen Weltausstellungspavillons in Sevilla und unter Einbeziehung der Kunst von Picasso bis Klimt die den Nationaltanz mit allerlei anderen Musikstilen anreichernde Generation Flamenco Fusión vor. -pat
13.-29.11., Kulturzentrum Tempel (Scenario Halle+Vanguarde)/ZKM (Medientheater)/Tollhaus (Großer Saal)/Kinemathek (Studio 3)/Marotte Figurentheater, Karlsruhe
www.kulturzentrum-tempel.de
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