Tanz Karlsruhe 17
Bühne & Klassik // Artikel vom 07.11.2017
Ins 21. Jahr geht der von Tempel und Tanztribüne auf mittlerweile vier Bühnen verteilte „Tanz Karlsruhe“ – eine Einmaligkeit unter Deutschlands Tanzfestivals!
Spielstätten sind neben dem Mühlburger Kulturzentrum das ZKM-Medientheater, das Tollhaus und das 2016 hinzugekommene Badische Staatstheater, wo die hierzulande erstmals auftretende Balé Teatro Guaíra Kompanie aus Brasilien im Kleinen Haus mit „Wachter – Winkler – Scafati“ (Di, 28.11., 20 Uhr) in europäischer Erstaufführung Arbeiten dreier Choreografen tanzt: „I Share“ von Katja Wachter (München) beschäftigt sich mit der Dimension des Wortes „Teilen“, angefangen bei Freunden über Daten, Musik und Wohnungen bis hin zu uns selbst; „Lost My Choreographer On The Way To The Dressing Room“ von Christoph Winkler (Berlin) zeigt, wie sich die Beziehung zwischen Tänzer und Choreograf in den vergangenen Jahren verändert hat; und „Charme“ von Roberto Scafati (Ulm) beschäftigt sich mit der spontanen Anziehung. Im Rahmen des „Sasha Waltz & Guests“-Projekts „Zuhören“ startete 2016 ein Tanzworkshop mit unbegleiteten syrischen Minderjährigen und syrischen Tänzern.
Auf Initiative von Medhat Aldabaal entwickelten vier von ihnen zusammen mit Compagniemitglied Davide Camplani das nach dem arabischen Wort für Hoffnung betitelte und von Live-Percussion begleitete „Amal“ (Di, 21.11., 20 Uhr, ZKM). Als Beziehungsstudie verstehen die in den vergangenen Jahren auf allen wichtigen Festivals gastiert habenden Shootingstars Honji Wang und Sébastien Ramirez alias Honji ihr Tanzstück „Monchichi“ (Mi, 15.11., 20 Uhr, ZKM), das Hip-Hop und zeitgenössische Tanzstile vermischt, um von Einklang und Spannung zwischen zwei Menschen zu erzählen. Eine faszinierende Reise durch Zeit und Raum ist „8 Minutes“ (Fr, 17.11., 20 Uhr, ZKM) von Choreograf Alexander Whitley, der Entdeckung der englischen Tanzszene. Im Anschluss an seine innovative digitale Arbeit „Pattern Recognition“ lässt sich der Brite dabei durch atemberaubende Aufnahmen aus der Sonnenwissenschaftsforschung inspirieren. Mit einem speziell für diese Produktion von Electro-Acoustic-Erneuerer Daniel Woh komponierten Score und einer Installation von Visual Artist Tal Rosner kreiert Whitley eine immersive Umgebung des Tanzes, der Musik und des Films.
Ebenfalls als deutsche Erstaufführung durch die 3D-Brille zu sehen ist „Stereo“ (So, 19.11., 16+20 Uhr, ZKM) der preisgekrönten Recoil Performance Group. Für ihr intensives Duett zwischen Mann und Frau, Realität und Illusion addieren die Dänen eine neue grafische Dimension zu ihren video-szenografischen Grenzüberschreitungen. Die nimmt Choreografin Helena Waldmann bei „Gute Pässe Schlechte Pässe“ (Di, 7.11., 20 Uhr, Tollhaus) ganz wörtlich: In ihrem politischen Statement gegen Ausgrenzung lässt sie 30 Akteure – Tänzer und Akrobaten, Mauerbauer und -schauer, Hiesige und Fremde – „Eine Grenzerfahrung“ machen. Im Mittelpunkt der Inszenierung steht die eine zeitgenössische Tanzkompanie und einen Vertreter des Nouveau Cirque voneinander trennende Menschenmauer. Und in der Scenario Halle des Tempels eröffnen Karen Lugo und Abbos Kosimov mit „Tevana special“ (So, 12.11., 20 Uhr), Flamenco und usbekischer Trommelkunst ihren urbanen Klanggarten.
In die vierte Runde geht hier auch die vom Karlsruher Hip-Hop-Kulturzentrum Combo und dem Tempel gemeinsam ausgetragene „Scenario Battle – 2 vs. 2“ (Sa, 25.11., 18.30 Uhr), bei der 16 internationale B-Girl- und B-Boy-Teams mit jeweils zwei Tänzern im K.O.-Turniermodus um den „European Breakdance Championship“-Titel fighten. Außerdem präsentieren sich die Italienerinnen Erika Silgoner (Choreografie), Gloria Ferrari (Performance) und die übrigen 2017er „Preisträger des internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals“ (Mo, 20.11., 20 Uhr, Tempel) aus Stuttgart.
Wie zu erwarten frühzeitig ausverkauft waren die beiden von der regionalen Tanzszene gestalteten „Langen Nächte der kurzen Stücke“. Ergänzt wird das Bühnenprogramm durch zwei Filmbeiträge im Studio 3 der Kinemathek: Nick Reads mitreißende Doku „Bolshoi Babylon“ (Do, 16.11., 19 Uhr; 23.11., 21.15 Uhr) über das Moskauer Bolschoi-Theater und den Säure-Anschlag auf seinen künstlerischen Leiter Sergei Filin im Jahr 2013 und „Die Tänzerin“ (Sa, 18.11., 19 Uhr; Di, 21.11., 21.15 Uhr), das Biopic der französischen Regisseurin Stéphanie Di Giusto zur Beziehung zwischen Loïe Fuller (Soko) und ihrer Rivalin Isadora Duncan (Lily-Rose Depp). -pat
7.-28.11., Tempel/ZKM/Tollhaus/Badisches Staatstheater, Kinemathek, Karlsruhe
www.kulturzentrum-tempel.de
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