Tanz Karlsruhe 2021
Bühne & Klassik // Artikel vom 08.11.2021
„Tanz Karlsruhe“ ist einzigartig in der Stadt.
Drei Wochen lang bietet das Festival Einblicke in die zeitgenössische Tanzszene – die internationale wie die lokale. Ausrichter von „Tanz Karlsruhe“ ist das Kulturzentrum Tempel, in enger Kooperation mit dem ZKM, dem Badischen Staatstheater und der Kinemathek. Nach der letztjährigen Zwangspause und einem Gastspiel bei „Toujours Kultur“ im Sommer geht es nun wieder in die Vollen! -fd
Akram Khan & Gauthier Dance
Akram Khans Kompanie besteht seit 20 Jahren. Der Engländer mit bengalischen Wurzeln lässt sich in „Outwitting The Devil“ vom uralten babylonischen Gilgamesch-Epos inspirieren. Sechs Figuren finden sich in einer Landschaft aus zerbrochenen Tontafeln und gefallen Götzen und versuchen, das lange vergessene Wissen der alten Zeit wieder zusammenzusetzen. Nicht zuletzt soll dabei auch der Teufel überlistet und die Gemeinschaft aller Menschen beschworen werden (Di, 30.11.). Mit „Swan Lakes“ nimmt sich Eric Gauthier eines weiteren Klassikers an: Tschaikowskis „Schwanensee“ wird von Marie Chouinard, Marco Goecke, Hofesh Shechter und Cayetano Soto in drei jeweils 20-minütigen Stücken neu interpretiert. Auserzählt ist hier nämlich noch lange nichts... (Di+Mi, 7.+8.12., je 20 Uhr, Tollhaus).
GN | MC – „Set Of Sets“
Das Leben besteht aus ständigen Wiederholungen. Routinen. Abläufen. Doch im scheinbar Immergleichen liegt auch immer das Potenzial zum Abweichen, Aufbegehren, Anderssein. Mit dieser Philosophie schaffen Guy Nader und Maria Campos gemeinsam mit ihrer Kompagnie und dem Musiker Miguel Marín eine Choreografie aus sich wiederholenden Bewegungen, gleich einem endlosen Fluss. Doch irgendwann überwinden die ans Äußerste ihrer Möglichkeiten getriebenen Körper die Gesetze der Gravitation. Das vielgefeierte Choreografie-Duo Guy Nader und Maria Campos vereint Elemente aus zeitgenössischem Tanz, Akrobatik, Kontaktimprovisation und Tanzkunst.
Mo, 8.11., 20 Uhr, Tollhaus
Edan Gorlicki & Bridget Breiner
„Un-Cover / Re-Cover“ von Edan Gorlicki ist Wohlfühlpaket, Bewegungssession, Diskussionsraum und Rückzugsort zugleich. Die fünfstündige Durational Performance macht Entwicklungen sichtbar, erkundet Zustände und erlaubt Erleben, Beobachten und Reflektieren in Ruhe. Sie entsteht jedes Mal neu aus dem Miteinander, erforscht das Verhältnis von Publikum und PerformerInnen und fragt danach, was wir alle im Moment eigentlich brauchen (Sa, 13.11., 20 Uhr, Tempel, Scenario Halle). Ein heilloses Durcheinander ist das Mit- und Gegeneinander in Shakespeares „Was ihr wollt“. Die Karlsruher Ballettdirektorin Bridget Breiner inszeniert die Verwechslungskomödie mit all ihren Liebeswirren und Intrigen (Sa, 13.11., 19 Uhr, Staatstheater).
Initiative Tanz Karlsruhe
Direkte Begegnung und persönlicher Kontakt sind nicht erst seit Corona gar nicht mehr so selbstverständlich im gesellschaftlichen Leben. Dem möchte die Initiative Tanz Karlsruhe mit den Mitteln des Tanzes entgegenwirken. Ihr Credo: Tanz ist eine gemeinsame Sprache, in der alle auf ihre Weise sprechen können, und sei es mit noch so unterschiedlichem Vokabular. Die Initiative möchte nicht nur die Tanzschaffenden in der Stadt vernetzen, sondern den Tanz auch allen näherbringen, die ihn kennenlernen möchten, und ihn in der Stadt verankern. Bei „Tanz Karlsruhe“ stellt sich das Bündnis in einem lockeren Rahmen vor.
So, 14.11., 15 Uhr, Tempel, Scenario Halle
Lange Nacht Spezial
Die „Lange Nacht Spezial“ zeigt das Potenzial der baden-württembergischen Tanz-Szene mit sieben Beiträgen aus dem Ländle, keiner länger als 20 Minuten. Karlsruhe ist gleich zweimal vertreten: Daniela Max und Paula Kukawka meditieren über „Serendipity“ und „No Pink Elephants“ sind bei Kiesecker | Hoess in Sicht. Die Kehlerin Anne-Hélène Kotoujansky resümiert: „Achtundzwanzig: Was ich mit dem Tanzen bis jetzt gelernt habe“. Johannes Blattner aus Stuttgart verschwindet in einem „Vanishing Act“ und der Ulmer Domenico Strazzeri zeigt mit der Strado Compagnia Danza das Stück „Kürzel / Tomatensalat“. Südbaden wird durch William Sánchez H. und Szene 2wei aus Lahr mit „No Name – Das Muxical“ repräsentiert.
Mi, 10.11., 20 Uhr, Tollhaus
Tanz & Technologie im ZKM
Aktuelle Strömungen im Tanz kommen im ZKM mit zeitgenössischer Medientechnologie zusammen. Die Sebastian Weber Dance Company errichtet in „Bats“ einen Dschungel aus Kameras und Screens, in dem sich die Perspektiven ständig wandeln. Diese programmierte Wirklichkeit teilt sich der biestgewordene Mensch mit der Fledermaus und geht eine hypersensible Koexistenz mit ihr ein. In einer desinfizierten und digitalen Welt bleiben alle mit allen verbunden, und sei es durch Ansteckung oder Infrarot (Sa, 20.11.). „Nobody“ von Motionhouse wird derweil von Krähen bevölkert, die die Bewegungen der PerformerInnen frech hinterfragen. Digitale Projektionen lassen das Bühnenbild im steten Fluss erscheinen (Mi+Do, 17.+18.11., je 20 Uhr, ZKM-Medientheater).
Dagada Dance Company – „Pussy Lounge“
Die Freiburger Choreografin Karolin Stächele ist Leiterin der Dagada Dance Company. In ihrer „Pussy Lounge“ schart sie fünf weitere Künstlerinnen aus Tanz, Text und Musik zusammen und zeigt, „was wir machen, wenn man uns machen lässt“. Konkret: Es geht um Feminismus und warum der eigentlich niemandem wehtut, geht es doch „nur“ um Gleichberechtigung. Ein performativer Diskurs im Clubambiente über biografische Unmöglichkeiten, binären Blödsinn und aktuelle Statements. Dagada performen im Rahmen von „Schaufenster Baden-Württemberg“.
Do, 14.11., 20 Uhr, Tempel, Scenario Halle
PreisträgerInnen Solo-Tanz
Das Tanzsolo ist die Engführung die zeitgenössischen Tanzes auf seine Essenz: Körpersprache und Ausdruck. Daudurch bringt es besondere Herausforderungen an die jungen TänzerInnen und Choreografen mit sich. Sechs von ihnen wurden beim „Internationalen Solo-Tanz-Theater Festival“ 2021 in Stuttgart gekürt. Bei „Tanz Karlsruhe“ sind davon je drei Soli aus der Kategorie Tanz (Cassandra Arnmark, Geovan Conceição, Tushrik Fredericks) und Choreografie (Arnau Pérez de la Fuente, Eva Urbanová, Breeanne Saxton) zu sehen.
Mo, 15.11., 20 Uhr, Tempel, Scenario Halle
MF & Philippe Saire
MF sind Maxime & Francesco. Das französische Duo fokussiert in seinem Duett „Re-Garde“ das unschuldige Betrachten von Dingen. Kindlich und unvoreingenommen zeichnet es so die Grenze des Übergangs zwischen Jung und Alt, zwischen Geste und Poesie, bis die Zeit stillsteht. Die Sprache von MF ist zugänglich und setzt sich aus Contact, Improvisation, Tanztheater und Floorwork zusammen (Fr, 26.11., 20 Uhr). Mit „Hocus Pocus“ bricht die Compagnie Philippe Saire auf eine Reise in Traumwelten auf. Voller Magie entspinnt sich ein fantastisches Spiel von aus dem Nichts auftauchenden und wieder verschwindenden Gegenständen. Eine Performance über die Kraft der Bilder und Empfindungen (So, 28.11., 15+19 Uhr, jeweils Tempel, Scenario Halle).
Filmprogramm
Tanz funktioniert nicht nur auf der Bühne, sondern passt auch auf die Leinwand. In der Kinemathek zeigt „Tanz Karlsruhe“ zwei choreografische Filme: „Als wir tanzten“ von Levan Akin erzählt die Geschichte des Studenten Merab. Anfangs sieht er Irakli als Rivalen auf den Platz im Tanzensemble, doch wird aus der Konkurrenz bald ein intensives Begehren. Damit stoßen die beiden jungen Männer auf Widerstand in einem homophoben Umfeld. Regisseur Akin setzt der Queer-Feindlichkeit in seiner georgischen Heimat ein feierndes Statement für nicht-heterosexuelle Liebe entgegen (Fr+Di, 19.+23.11., 19 Uhr). Tanz im Filmformat erstarkte jüngst in der Pandemie, doch wurde dabei deutlich, wie sehr sich der filmische Raum von der Bühne unterscheidet. Hier bieten sich ganz neue ästhetische Möglichkeiten im Spiel mit Kamera und Drehort, mit Nähe, Entfernung und Betrachtung. „Dance On Screen“ stellt vielseitige Filme vor, die die cineastischen Möglichkeiten von Tanz veranschaulichen (So+Do, 21.+25.11., 19 Uhr).
Workshops
Traditionell gehört auch ein Workshop-Programm zu „Tanz Karlsruhe“. Guy Nader und Maria Campos vermitteln verschiedene Möglichkeiten, sich gegenseitig zu tragen, Gewicht zu geben, Balance zu finden und sich gemeinsam im Raum zu bewegen (So, 7.11., 16 Uhr, Tanztribüne). Wie sich durch tänzerische Mittel eine Geschichte erzählen lässt, vermittelt ein Tänzer des Motionhouse-Ensembles und führt dabei auch in die neueste Kreation der Kompagnie ein (Di, 16.11., 19 Uhr, Tanztribüne). Motionhouse-Leiter Kevin Finnan zeigt in seiner Lecture, wie er digitales Bühnenbild in seine Liveperformances integriert, um einen „lebenden Film“ zu erschaffen (Do, 18.11., 17.30 Uhr, ZKM). Jasper Narvaez von der Akram Khan Company bringt den TeilnehmerInnen das Bewegungsvokabular des Khan-Universums näher. In Übungen aus Rhythmus, Geschwindigkeit, Wiederholung und Stille lässt sich hier die eigene Kreativität erforschen (Mo, 29.11., 18 Uhr, Tanztribüne).
8.-30.11., Tempel/ZKM/Tollhaus/Staatstheater/Kinemathek, Karlsruhe
www.kulturzentrum-tempel.de
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