Lisa Ertel, Produktdesignerin

Porträt
Lisa Ertel

„Es gibt einen Trend zurück zu mehr Textur, zu natürlichen Stoffen, da man heute so oft die glatten Oberflächen von Smartphones berührt“, erzählt Lisa Ertel hinter der glatten Fassade meines Laptop-Displays. Viele Projekte der Produktdesignerin, die 2019 ihr Studium an der Hochschule für Gestaltung abschloss, nehmen ihren Anfang in einer beiläufigen Beobachtung. Wie Menschen in alltäglichen Situationen agieren, mit Stadt und Architektur umgehen, bringt die Gestalterin auf Ideen und stößt Forschungsprozesse an. Die Lampe „Norman“, gemeinsam mit Anne-Sophie Oberkrome entwickelt, setzt sich mit dem rohen Funktionalismus von Straßenlaternen auseinander und bedient sich ganz bewusst den genormten Materialien, die heutige urbane Landschaften ausmachen. Unauffällig und doch eigenwillig fügt sich die Leuchte aus pulverbeschichtetem und feuerverzinktem Stahlrohr in unterschiedlichste Umgebungen ein und spendet zugleich Strom in Form von USB-Ladeslots auf der Unterseite. Auch Projekte wie der Stahl-Kerzenständer „Chandelier“ oder die „Traffic Cone Vase“ aus glasierter Keramik spielen formell oder in ihrem Material auf Baustellen an – as Karlsruhe as you can get.

Ohnehin beschäftigt sich Lisa Ertel intensiv mit Gestaltungsprozessen, Handwerk und Rohstoffen aus der Region, was auch bereits stark in die Arbeit des Bio Design Lab an der HfG einfließt, dessen Mitgründerin sie ist. Wie lässt sich mit regionalem Bezug nachhaltig gestalten und entwickeln? Wie lassen sich traditionelle Handwerkstechniken mit zeitgenössischen Technologien vereinen? „In meiner Arbeit vermischen sich digitale Methoden wie 3D-Druck mit Arbeit in der Werkstatt. Es ist nach wie vor wichtig, Material in die Hand zu nehmen, um es zu erfahren und Proportionen im realen Raum zu erfahren“, sagt Ertel, die einerseits beobachtet wie Grenzen zwischen Disziplinen wie Produkt- oder Kommunikationsdesign zusehends verschwimmen, zugleich aber auch ihre spezifische handwerkliche Ausbildung in den Produktdesign-Werkstätten der Hochschule für Gestaltung betont. Neben industriellen und digitalen Produktionsweisen hegt Lisa Ertel auch ein ausgeprägtes Interesse für die Natur, ihre Formen und Materialien. Beim fahrbaren Tisch/Theke/Abstellmöbel-Hybrid „E20“ oder dem „Pole Stool“ trifft galvanisierter Stahl auf Pinienholz. In der dreiteiligen Serie „The Evolution of Superlatives“ zeichnet Ertel die Entwicklung nach, wie der Mensch die Natur als gestaltende Kraft seiner Umgebung ablöst, sie schließlich ausbeutet und wie er heute zunehmend mit Technologie verschmilzt. Ergebnis sind drei Objekte, die eher Kunst- als Gebrauchsgegenstand zu sein scheinen.

In dem hochsitzartigen „Hi-Place“ wird der Holzwurm mit den geschwungenen Linien der von ihm erbissenen Gänge zum Co-Designer – oder zum natürlichen Zerstörer, je nach Blickwinkel. „Hi-Rise“ erinnert an den Turmbau zu Babel. Geordnet und präzise türmt sich die drei Meter hohe Konstruktion aus galvanisiertem Stahl und MDF-Platten – allesamt menschengemachte Materialien – in die Höhe: Höchste Kontrolle im Zeitalter der Massenproduktion. Das gespenstisch anmutende, schimmernde „Hi-Light“ aus 3D-gedrucktem PET-E wiederum wurde von einer generativen Software gestaltet, die die Formsprachen der Natur aufgreift. Es sind diese Prozesse und Wechselspiele, die Verhältnisse von Mensch, Natur und Technologie, die Lisa Ertel interessieren und in experimentell-forschenden oder ganz praktikablen Arbeiten münden.
Ihr explorativer Ansatz führte Ertel jüngst zu einer einjährigen Residency an der Jan van Eyck Academie in Maastricht. Hier setzt sie sich mit Jannis Zell, ebenfalls der HfG entstammend, mit den Gegebenheiten vor Ort auseinander – neue Beobachtungen, neue Erkenntnisse, neue Ideen! -fd


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