INKA StadtBlatt #2
Inka Ausgaben // Artikel vom 01.07.2021
Ehrlich gesagt bin ich schon in Versuchung, einfach eine Kolumne über die neuen rosa-flieder-farbenen Kühlschränke von Amica zu schreiben, die in ganz Deutschland die Ladys verzücken.
Auch in Karlsruhe war ich Augenzeuge einer langen, immer innigeren Umarmung beim ersten Sichtkontakt. Oh, ah, ist der schön. Wenigstens der Kühlschank. Schönerweise hat unsere Grafikerin Susy Schafheutle für die Idee, das INKA StadtBlatt 2021 stets mit KünstlerInnen cozugestalten, ein Stipendium des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft in Höhe von 3.500 Euro bewilligt bekommen. Somit können auch die Künstler jeweils ein kleines Honorar erhalten. Weniger schön sehen die Karlsruher Stadtfinanzen aus. Oder sind sie viel besser als behauptet? Hat die Stadt dank diverser „Finanzausgleiche“ gar kein Gewerbesteuerminus, sondern sogar ein Plus? Dr. Florian Kaufmann hat ja in Sachen BWL promoviert und sich diesem Thema gewidmet, was wahr und was Interpretation ist in Bezug auf die städtischen Finanzen und den neuen städtischen Haushalt.
Wenig überraschend aus meiner Hobbysicht, ich traue ja bekanntlich öffentlichen und Karlsruher Finanzdaten aus alter Erfahrung heraus wenig: Der Investitionshaushalt ist offenbar unkalkuliert aufgebläht, dafür soll die Freie Kultur um 500.000 Euro gekürzt werden. Staatstheater koschd ja gnug. Außerdem hat sich unser Themenchef dem Kronenplatz-Festival „L’oßt“ von Die Anstoß, der Bürosituation in Karlsruhe und der Sanierung des Prinz-Max-Palais’ gewidmet. Allerorten wachsen ja bei grassierendem Homeoffice neue, zumeist fundamental-funktionale Büromonster in die Höhe, Bäume eher weniger. Aber dafür haben wir ja die Grünen. Eine Frau, die zeitlebens Führungspositionen bei großen Wohnungsbauunternehmen innehatte, widmet sich mit einem opulenten Bildband der Graffiti-Kunst. Auch hier könnte die Stadt mehr tun – und Farbe und Schönheit auf die vielen funktionalen grauen Flächen der Fächerstadt bringen. Mannheim macht es vor. Die Livekultur ist wieder am Start: Den ultimativen Überblick über das Musik-, Kunst- und Film-Festival „Toujours Kultur“, das sich vom Schlachthof-Open-Air über die Fleischmarkthalle (Kunst) bis zum AKK (Film) erstreckt, gibt Patrick Wurster.
Drei Ausgaben haben wir uns gegeben, um mit den beiden neuen Formaten in ein schlüssiges Fahrwasser zu gelangen. Die Reaktion auf die ersten Ausgaben waren meist sehr positiv, die Briefkastenverteilung via Deutsche Post in ausgewählten Karlsruher Stadtteilen bekam sogar Extra-Sterne. Manche aber betrauern natürlich auch das schicke Pocket-Format, das wir 17 Jahre kultiviert haben. Wie soll ich sagen: Auch unser Team muss sich erst daran gewöhnen, in Sachen Text, Rubriken, Spaltenbreiten, Produktion, Grafik. Mit Susy Schafheutle und der Gestalterin Susanne Saenger haben sich erneut zwei kreative Köpfe der hiesigen Szene mit der grafischen Gestaltung befasst und die Blatt-Produktion aktiv begleitet. Wir werden weiter einen inhaltlichen Weg gehen und mit gut recherchierten Texten, aber auch Meinung, versuchen, hinter die Kulissen einer wie früher hermetisch abgeriegelten Verwaltungsnomenklatura zu schauen. Auch die Fusion von BNN und „Badischem Tagblatt“ zeigt, dass es im Badischen schwerst an Pressevielfalt mangelt. Der Karlsruher Stadtverwaltung ist dies anscheinend egal. Sie unterstützt das Procedere sogar noch.
In Sachen Support aus dem Corona-Kultur-Nothilfe-Topf der Stadt hat sich noch nichts getan. Ob, wird sich zeigen. Fakt ist: Wer nicht in Not ist und viel hat, aber die Förderkriterien, erfüllt bekommt unverhältnismäßig üppige Gelder. Siehe auch die Antwort von Kulturbürgermeister Käuflein zum Thema „Alte Hackerei vs. Kammertheater“. Auch überschattet das Thema Staatstheater alles, die Gemeinderatssitzung dazu fand am 22.6. statt, INKA-Drucklegung am 23.6., 8 Uhr. Fazit: Schön war’s. Schön einig. Natürlich. Natürlich braucht Karlsruhe ein Staatstheater. Natürlich wird es rund 1,5 Milliarden kosten oder ein bisschen weniger. Der ganze riesige Bereich am Ettlinger Tor und der Kriegsstraße ist damit samt kommendem neuem Landratsamt in den nächsten rund 20 Jahren Großbaustelle.
Derweil tun sich weitere dunkle Wolke über der hiesigen Kultur auf, wobei die freie Szene zusammen mindestens ähnliche Zuschauerzahlen wie das Staatstheater aufweist. Immer weiter und weiter heruntergekürzt hat sich die Belegschaft des Kulturamtes ja sogar aus dem Rathaus verabschieden müssen. Wer geglaubt hatte, nach dem Go des Gemeinderats für den Ersatz fehlender Veranstaltungs-, Atelier- und Proberäumflächen in Bulach wehe ein freundlicherer Wind für die Kulturszene, sieht sich bitter getäuscht: Nun sollen offenbar weitere 500.000 Euro aus dem Kultur-Etat rausgeklopft werden – mit Sicherheit „freie Mittel für die freie Szene“, deren Selbstausbeutungs- und Prekariats-Pegel sowieso schon hochwasserhoch ist. Mehr zu dem interessanten Themenkomplex Kulturkürzungen, Kunstprekariat und Medien dann in unseren Sommerausgaben. Diese sind erstmals als Doppelausgaben für August und September terminiert. Redaktionsschluss ist der 12.7., Anzeigenschluss der 23.7., VÖ der 3.8.
Wir wünschen allen einen wunderbaren Juli mit viel Trubel und Achtsamkeit bei aller Begeisterung über die neu wiedergewonnene Lebenskultur.
Roger Waltz & das INKA-Team
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