Independent Days 11 Filmfest
Kino & Film // Artikel vom 11.04.2011
Was nichts kostet, ist nichts wert?
Das Low- und No-Budget-Filmfest „Independent Days“ tritt mit seiner Schnapszahlausgabe den neuerlichen 98-fachen Gegenbeweis an. Spielstätte der erstmalig durch die Georg-Fricker-Stiftung geförderten Plattform für den vernachlässigten Film ist wieder das Karlsruher Traditionskino Schauburg. 21 Blöcke an fünf Tagen stehen an – gegliedert in zwei Publikumswettbewerbe, fünf Langfilme und acht Kurzfilmprogramme.
Schon zur Eröffnung (Mi, 4.5., 18 Uhr) zeigt das Team um den seit Start involvierten Festivalleiter und Vorstand des Karlsruher Filmboards, Oliver Langewitz, wie breitgefächert das unabhängige Filmschaffen sein kann. Anschließend müssen sich die Wettbewerbsbeiträge im ersten von drei thematisch sortierten Low-Budget-Blöcken zu anderthalb Stunden Laufzeit vor Publikum beweisen. Nicht erst seit dem „Sommermärchen“ wissen auch Filmemacher, dass das Runde ins Eckige gehört. In diesem Jahr reicht es zu einer eigenen Ballsporteinheit: „Fußball ist unser Leben“ (Mi, 4.5., 20.30 Uhr). Auch „All You Need Is Love“ (Do, 5.5., 18.45 Uhr) verspricht jede Menge Herzschmerz, Lust und Leidenschaft. Und der äußerst politische und nachdenklich gestimmte Block „Handlanger und Befehlsempfänger“ (Fr, 6.5., 18.45 Uhr) zeigt, dass nicht nur in Diktaturen und militärischen Regimes Ordnungshüter bar besseren Wissens der so offensichtlich falschen Sache dienen.
Doch am Ende gebührt dem Volk das letzte Wort: Im Finale des Low-Budget-Wettbewerbs (So, 8.5., 19 Uhr) werden jene Beiträge wiederholt, die beim Zuschauervotum den höchsten Stimmenanteil verbuchen konnten. Dem Besten unter ihnen winkt der mit 1.000 Euro dotierte „Filmpreis der Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe“. Nicht ohne, bedenkt man, dass sich die Budgets meist ohne Filmförderung, Verleiher oder Fernsehsender als Financier lediglich im vier- bis fünfstelligen Euro-Bereich bewegen. Bei der Preisverleihung Premiere feiert „In der Nacht sind alle bunten Mäuse grau“, entstanden im Rahmen des ersten „Karlsruher Film & Vision Schul-Contests“, einem Medienkompetenzworkshop des Filmboards und der Jugendstiftung der Sparkasse Karlsruhe, den die 13. Klasse des Ludwig-Marum-Gymnasiums aus Pfinztal gewonnen hat. Die Schüler durften unter Regie des Ettlinger Story-Designers Sven Eric Maier einen Kurzfilm zum Thema „Einsamkeit“ konzipieren.
Dass mit noch weniger Mitteleinsatz das Maximum möglich ist, belegen die drei nahezu zum Nulltarif gedrehten 90-Minuten-Programmblöcke des No-Budget-Wettbewerbs. Bei „On The Road“ (Mi, 4.5., 22.30 Uhr) begleiten wir ganz unterschiedliche Protagonisten auf ihren Lebenswegen. Jene drohen von Massenmedien beeinflusst und im Namen sicherheitspolitischer Argumente immer schmaler zu werden; ein Aspekt, dem der Block „Film, TV And Big Brother“ (Do, 5.5., 21 Uhr) gewidmet ist. Freilich kommt auch der No-Budget-Wettstreit nicht ohne Zwischenmenschliches aus – wenngleich der Titel „Bitter Sweet Symphony“ (Fr, 6.5., 21 Uhr) schon andeutet, dass Happy Endings eher Wunschvorstellung bleiben. Und wiederum obliegt es dem Publikum, welcher Film im Finale (Sa, 7.5., 19 Uhr) mit dem Karlsruher „Oscar“, der „Goldenen ID“, gekrönt wird.
Aber auch außer Konkurrenz steht bei den „Independent Days“ traditionell so einiges auf dem Spielplan: Einer von fünf Langfilmen ist die serbische Produktion „Srce je mudrih u kuci zalosti“ (Do, 5.5., 14.30 Uhr). Englisch untertitelt werden hier zwei alttestamentarische Bibel-Texte auf den neuzeitlichen Alltag übertragen. In seiner kafkaesken Komödie „Menschenliebe“ (Do, 5.5., 23 Uhr) ist Alexander Tuschinski vor wie hinter der Kamera anzutreffen und lässt einen opernliebenden Physik-Studenten auf Mozarts „Don Giovanni“ machen. Nach dem Kurzroman „The Colour Out Of Space“ von Horror-Literat H.P. Lovecraft in Baden-Württemberg und Schwarz-weiß-violett gedreht: „Die Farbe“ (Sa, 7.5., 14.30 Uhr, www.die-farbe.com), in dem auch der Karlsruher Schauspieler und Kabarettist Erik Rastetter mitmischt.
Unter der Regie von Huan Vu, Student an der immer stärker vertretenen Stuttgarter Hochschule der Medien, begibt sich ein Sohn auf die Suche nach dem einst im Schwäbisch-Fränkischen Wald stationierten und nun verschwundenen Vater. Mit „Endstation Seeshaupt“ (So, 8.5., 17 Uhr, www.endstation-seeshaupt.com) findet sich auch ein aktueller Kinostart im Programm. Walter Steffen dokumentiert darin die Fahrt des Todeszuges, der im April 1945 mit 4.000 Häftlingen vom KZ-Außenlager Mühldorf-Mettenheim aus kreuz und quer durch Bayern geschickt wurde. 60 Jahre später bereist Zeitzeuge Louis Sneh die Strecke seines Martyriums erneut und erinnert sich. Sehr viel unbekümmerter und charmant überzeichnet: die Trash-Komödie „Prinz Blechleber und die Murmeln der Freundschaft“ (Sa, 7.5., 23.30 Uhr, www.prinz-blechleber.de). Willi Wenger versammelt die Comedytruppe Dingolstadt vor dem Greenscreen, um in pfundigem Bajuwarisch das Königreich Munkenau vor dem Einfall der Barbaren zu bewahren.
Gleichfalls steckenbleiben kann der Stimmzettel bei den freien Kurzfilmblöcken: Um Isolation, Normierung und Umerziehung dreht sich’s in den zu „Portrait einer Gesellschaft“ (Do, 5.5., 16.30 Uhr) zusammengefassten Beiträgen. Unterdrückte Nöte sorgen bei „Gefangen im System“ (Fr, 6.5., 14.30 Uhr) zu so mancher Eskalation und mit „Humanity Call“ (Fr, 6.5., 16.30 Uhr) läuft ein Block, der sozialen Themen Geltung verschaffen soll. Für den endgültigen Gruselfaktor sorgt „Einbrecher, Gespenster und Dämonen“ (Fr, 6.5., 23.30 Uhr). Der wachsende Anspruch, ein internationales Festival zu sein, wird nicht nur von Filmen aus den USA, Polen, Rumänien, Frankreich, Schweden und Italien, sondern gleich von zwei eigenen Länderblöcken getragen: Bei „Back In The USSR“ (Sa, 7.5., 17 Uhr) lassen sich russische Filmemacher über politische und soziale Konflikte aus. Dann darf die spanische Independent-Szene Imca Marinas sinnfreiem Schlagertitel folgend in „Eviva España“ (So, 8.5., 14.30 Uhr) hochleben.
Trotzdem muss man für „Good Movies“ nicht unbedingt in die Ferne schweifen, denn auch in der Fächerstadt bewegt sich immer mehr – insbesondere Kurzfilme, Dokumentationen und Musikclips. Der „Filmfächer: Karlsruhe & Friends“ (Sa, 7.5., 22 Uhr) stellt sie vor: zum Beispiel das in einem Shot mit Steadicam gedrehte „Alle in einem Boot“ oder das ebenfalls von Markus Kambeck (www.kambeckfilm.de) für Cris Cosmo produzierte und ausgerechnet auf Youtube gefeierte Video zum abdrehendem Reggae-Ska-Sommersong „Scheiß auf Facebook“; eine weitere Berühmtheit der Videoplattform aus dem globalen Dorf ist Philipp „Der Anner“ Hartmann (www.flumenfilm.de), diesmal mit der essayistischen Schmalfilmcollage „Von der Notwendigkeit, die Meere zu befahren“ vertreten. Und der zuletzt mit seiner Bruchsal-Doku „Ein grauenhafter Tag liegt hinter uns“ für Aufsehen sorgende Dirk Weiler (www.brand-xfilms.de) drehte im Karlsruher Schlachthof für die Mittelalter-Rocker Saltatio Mortis das Musikvideo zu ihrem Top-Ten-Track „Ebenbild“.
Mehr und mehr Schick beweisen die „Independent Days“ auch mit ihrer Motivwahl: Das aktuelle gestaltete Illustrator Uli Pforr aus Hamburg. Der hat seine Arbeiten schon auf der „UND #5“ feilgeboten und zitiert fürs Filmfest mit augenzwinkerndem Underground-Charme prominente Produktionen und Köpfe, die man bei aller zur Schau gestellten Andersartigkeit insgeheim auch unter den Unabhängigen wertschätzen dürfte. -pat
INKA verlost unter seinen Facebook-Gefallern 5 x 2 Karten für das Finale der „Independent Days“ am So, 8.5., 19 Uhr. Losung der Gewinner am Sa. 7.5. auf unserer Facebook-Seite.
Mi-So, 4.-8.5., Filmtheater Schauburg, Karlsruhe
www.independentdays.de
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