Independent Days 9
Kino & Film // Artikel vom 23.04.2009
Von nix kommt nix?
Wie viel mit wenig und noch weniger möglich ist, zeigt von 22. bis 26.4. zum neunten Mal das Karlsruher Low- & No-Budget-Filmfest „Independent Days“. Was zu seinen Anfangszeiten von der Filmwerkstatt im Festsaal des Studentenhauses veranstaltet wurde und später in Tempel und Kurbel ablief, hat sich in die Beletage der Fächerstadt hochgespielt: Während das eigentliche Festival wie schon vor zwei Jahren in der Schauburg lokalisiert ist, steigt das frisch integrierte Rahmenprogramm im Veranstaltungssaal des nahe gelegenen Clubs Stadtmitte.
Etwas über 100 Filme haben die Festivaljuroren aus den 600 Einreichungen ausgewählt und zu 20 Blöcken gebündelt (Eröffnung Mi, 22.4., 18 Uhr). Gezeigt wird, was gefällt: Einschränkungen hinsichtlich Laufzeit, Genre oder Format gibt es nicht. Werke ambitionierter Amateure mischen sich unter Arbeiten von Filmhochschulstudenten; aber auch echte Medienprofis, die den kreativen Freiraum von Independent-Produktionen zu nutzen wissen, sind vertreten.
Die von nun an wieder im jährlichen Turnus terminierten „Festspiele des unabhängigen Films“ stehen erstmalig unter Aufsicht des auf dem Schlachthofareal beheimateten Karlsruher Filmboards. Und dessen Netzwerkgedanken folgend, bieten die Macher um den Vorsitzenden Oliver Langewitz (der Michael Nagenborg als Festivalleiter nachgefolgt ist) parallel zu den Vorführungen drei Workshops, die den Filmern Anregungen und Tipps fürs künftige Schaffen geben sollen.
Da sich die Kosten eines Films auch nach der Länge bemessen, waren bei den „Independent Days“ bislang vornehmlich Short-Movies zu sehen; auffällig ist dieses Jahr, dass einhergehend mit der zunehmend professionellen Abwicklung der Veranstaltung nicht nur die Zahl hochwertiger Produktionen gestiegen ist, sondern auch immer mehr Langfilme vorgeführt werden. Für eine Premierenvorstellung sorgt in diesem Zusammenhang der Festivalleiter mit seinem Blick ins Herz eines der ärmsten Länder der Welt höchstselbst. In der Doku „The Lost Kids Of Burundi“ (So, 26.4., 18 Uhr) begleitete Langewitz im Juni 2008 einen knappen Monat lang die Entwicklungshelfer der Fondation Stamm und des Vereins Burundikids bei ihrer wichtigen Arbeit in Ostafrika.
Pflichtprogramm ganz anderer Motivlage ist Tarek Ehlails episodenhafter Kinofilm „Chaostage – We Are Punks“ (So, 26.4., 16 Uhr), der mit überraschend namhafter Besetzung (Ben Becker, Martin Semmelrogge, Claude-Oliver Rudolph, Stipe Erceg, Ralf Richter, Rolf Zacher, Helge Schneider) und Szenegrößen wie Slime-Sänger Dirk Jora, Mirco „Micro“ Bogumil von den Abstürzenden Brieftauben oder Wolfgang „Wölfi“ Wendland, dem Kanzlerkandidaten der Pogo-Partei und amtierenden Kassierer-Sänger, auf die Barrikaden geht und schon bei seiner Hannoveraner Erstaufführung im vergangenen Herbst für sprichwörtliche Schlagzeilen gesorgt hatte.
Ob lang oder kurz – schwere Themen fallen ins Gewicht. Sie sind seit jeher beliebter Dunstkreis der Unabhängigen. Und dieses Mal behandeln viele Filme das Alter, die Angst vor Krankheit und Tod, aber ebenso soziale Themen; abzulesen ist das auch an den Filmblöcken „Junges und altes Leben“, „Gestrauchelte Existenzen“, „Kranke Welt“, „Obdachlose und Hartz-IV-Empfänger“ oder „Volkskrieg“.
„Beziehungskisten“ funktionieren immer und überall, auch die Beiträge in „Mystic Love Affairs“ und „Love Hurts!“ thematisieren Liebesfrust und Leidenschaft. Dazu gesellen sich „Gangster und Gauner“, „Nazischergen und Folterer“, die Amis bekommen mit „USA: The Other Side“ gleich einen eigenen Block spendiert. Wer das Kaputte zur Kunst erklärt, merkt sich die „Adult Animations“ und natürlich „Super Trash de Lux“ vor. Erstmalig werden mit „Kurzfilme für Kids“ aber auch die arglosen Festivalbesucher gesondert angesprochen.
Das fünftägige Festivalgeschehen bei den „Independent Days 9“ ordnet sich in ein freies Filmprogramm und zirka zweistündige Blöcke, die nach den erwähnten thematischen oder stilistischen Gemeinsamkeiten jeweils in einen Low-Budget- und einen No-Budget-Wettbewerb gesplittet sind. Im Low-Budget-Sektor wettstreiten die Filme um ein 1.000-Euro-Preisgeld (So, 26.4., 19.30 Uhr), für die No-Budget-Produktionen geht’s um „Die Goldene ID“ (Sa, 25.4., 20.45 Uhr). Und die Jury in Karlsruhe gilt als eine der kritischsten überhaupt: Denn bei beiden Auszeichnungen handelt es sich um Publikumspreise.
Im Rahmen der MFG-geförderten Workshops verrät Martin Blankemeyer am Fr, 24.4. ab 14 Uhr die Geheimnisse des Filmemachens ohne Moneten („Von Delphinen und Kängurus – No-Budget-Produktion in der Praxis“). In „Technik und Gestaltung – Siamesische Zwillinge?!“ (ebenfalls am Fr ab 16 Uhr) geht Joachim Wossidlo (Mitmacher von „Karlsruhe – Der Film“) dem Einfluss der Technik auf die Gestaltung und die Produktionsbedingungen von Dokumentarfilmen nach. Eine „Einladung zum Fühlen“ spricht Michael Ruf am Sa, 25.4. aus und stellt den von Greg Smith 2007 an der University Of Georgia vorgestellten und in Deutschland noch unbekannten „Mood Cue Approach“ vor, der von einer spezifischen Wechselwirkung zwischen allgemeiner filmischer Stimmung und konkreten erlebbaren Emotionen ausgeht. Beginn ist um 14 Uhr.
Jeder Workshop kostet 20 Euro, wer an allen drei Terminen teilnimmt, reduziert seine Gebühr auf 50 Euro. Eine Alternative ist der neue Festivalpass (inklusive Workshops zu 110 Euro, 95 Euro ermäßigt; ohne Workshops 65 Euro, ermäßigt 50 Euro). Anmeldung und Passorder über die Festival-Website.
Tickets für die Veranstaltungen am Wochenende gelten auch als Einlasskarte fürs nichtfilmische Geschehen in der Stadtmitte: Am Sa, 25.4. steigt dort ab 22 Uhr die „Independent Days 9“-Filmfest-Party mit DJ Axel alias Dangerfreak, der auf dem vorderen Floor die Plattenteller mit Rock, Pop und Alternativem füttert. Ab 23 Uhr wird dann auch der Veranstaltungssaal bespielt: Diskko Diggital (Alex Wellington und René Le Bon) stehen für Elektronisches im Soundspektrum zwischen Axwell, Justice, Vandalism und Soulwax. Frohes Filmfest! -pat
Mi-So, 22.-26.4., Filmtheater Schauburg (Marienstr. 16) und Club Stadtmitte (Baumeisterstr. 3), Karlsruhe
www.independentdays.de
WEITERE KINO & FILM-ARTIKEL
Deep Rising
Kino & Film // Artikel vom 22.11.2024
Mikado, Greenpeace und Gewerbehof laden gemeinsam zur Vorführung von „Deep Rising“ des kanadischen Dokumentarfilmers Matthieu Rytz aus dem Jahr 2023.
Weiterlesen … Deep RisingBis hierhin und nicht weiter
Kino & Film // Artikel vom 19.11.2024
Der mehrfach preisgekrönte Film zeigt die Herausforderungen von Menschen, die sich trotz einer ablehnenden und feindseligen Welt für eine bessere Zukunft einsetzen.
Weiterlesen … Bis hierhin und nicht weiterKVV-Kinowoche 2024
Kino & Film // Artikel vom 14.11.2024
Kino- gegen Bahnsitz.
Weiterlesen … KVV-Kinowoche 2024Für immer dein
Kino & Film // Artikel vom 07.11.2024
Bis zum 30.11. ist „Kinozeit in den Quartieren“.
Weiterlesen … Für immer dein„Kino im Blauen Salon“ gewinnt „Kinopreis des Kinematheksverbunds“ 2024
Kino & Film // Artikel vom 28.10.2024
In der Kategorie „Kino, das zurückblickt“ ist beim „Kinopreis des Kinematheksverbunds“ am 26.10. im Berliner Arsenal das studentische Kino der HfG mit dem ersten Platz ausgezeichnet worden.
Weiterlesen … „Kino im Blauen Salon“ gewinnt „Kinopreis des Kinematheksverbunds“ 202431. Pride Pictures – Queer Film Festival Karlsruhe
Kino & Film // Artikel vom 19.10.2024
Nach der fulminanten Jubiläumsausgabe zum 30. legt das „Queer Film Festival Karlsruhe“ weiter zu – mit noch mehr Filmen und Gästen als je zuvor und einem neuen Filmpreis.
Weiterlesen … 31. Pride Pictures – Queer Film Festival KarlsruheFritz – ein Leben
Kino & Film // Artikel vom 13.10.2024
Der Film „Fritz – ein Leben“ dokumentiert die Lebensbilanz von Fritz P., der im August 99 Jahre alt wurde.
Weiterlesen … Fritz – ein Leben50 Jahre Kinemathek
Kino & Film // Artikel vom 12.10.2024
„Andere Filme anders zeigen“ – so lautete 1974 das Gründungsmotto der Karlsruher Kinemathek.
Weiterlesen … 50 Jahre Kinemathek„Kino im Blauen Salon“ Wintersemester 2024/25
Kino & Film // Artikel vom 10.10.2024
Mit zehn Filmen verschiedenster Genres aus ebenso vielen Produktionsländern und Jahrzehnten widmet sich das studentische Kino der Hochschule für Gestaltung der Farbe.
Weiterlesen … „Kino im Blauen Salon“ Wintersemester 2024/25
Einen Kommentar schreiben