Der Künstler, die Zeitung und das Wohnzimmer-Gefühl

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 22.10.2012

Spannendes erlebt, wer derzeit ins ZKM geht.

Einmal hat man im MNK den Eindruck, jeder zeitgenössische Künstler habe sich mit dem Thema Zeitung irgendwann einmal auseinandergesetzt. Da bringt Günther Uecker durch Nagellöcher eine ganz eigene Ästhetik aufs Zeitungspapier, da nutzt sie Sigmar Polke als Malgrund und Adam McEwen ehrt noch zu Lebzeiten verschiedene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit einem Nachruf, die der Presse ihren Ruhm verdanken – dass die Zeitung Wahrheiten schreibt, die Wahrheit gleichzeitig aber verdrehen und verfälschen kann, das wird hier ganz besonders deutlich.

Ebenso wie in jenem Bild von Markus Lüpertz, das, wie er recherchiert hat, ein Propagandabild der Alliierten gewesen ist und keine reale Begebenheit schildert. Darauf gehen dann auch Olaf Metzels wandfüllend geknitterte Informationsskulpturen dezidiert ein, die auch Kunstskandale der jüngsten Zeit thematisieren. Wie vielfältig die Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem ersten Massenmedium der Neuzeit sind, das im Angesicht des Internet eigentlich ein Dinosaurier ist, wird hier nachdrücklich klar.

Zum anderen gibt es im Medienmuseum eine wirklich coole Ausstellung, deren Ambiente irgendwo zwischen Lounge und gemütlichem Abhängen daheim anzusiedeln ist. Angesichts der Tatsache, dass der normale Museums­besucher vor einem Kunstwerk normalerweise maximal zehn Sekunden lang verharrt, schlagen die Kuratorinnen diesem Verhalten mit viel Geschmack, Stilsicherheit und der notwendigen Portion Gemütlichkeit lustvoll ein Schnippchen. Zu Gast sind Highlights aus der Videosammlung des Centre Pompidou, darunter echte Raritäten.

Den Anfang von „Vidéo Vintage“ macht mit dem „Button Happening“ der erste erhaltene Kunstfilm der Kunstgeschichte von Nam June Paik von 1963, am Ende steht Bill Violas „Reverse Television“, eine 1983 geschaffene Auftragsarbeit fürs Fernsehen, in der Fernsehzuschauer beim Fernsehen im Wohnzimmer gezeigt werden. Jetzt sitzen sie uns in Überlebensgröße gegenüber, starren auf uns, die Betrachter, die wir wieder zurückschauen (Bild).

Dazwischen finden sich Künstler wie Joseph Beuys und Imi Knoebel, die man sonst mit anderen Gattungen in Verbindung bringt, und auch einen Filmemacher wie Jean-Luc Godard kann man von seiner künstlerischen Seite kennenlernen. Ganz klar wird in diesem Ambiente, dass die beiden Jahrzehnte von 1963 bis 1983 viele Kunstgattungen von Minimal und Fluxus bis Pop und Performance hervorgebracht haben, die sich alle auch in der Videokunst wiederspiegeln. -ChG

Art And Press: bis 10.3., ZKM - Museum für Neue Kunst; Vidéo Vintage: bis 13.1., ZKM-Medienmuseum, Karlsruhe

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