Der Künstler hinter dem Cover: Florian Wörrle

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 20.03.2016

Kunst als Zauberspielkasten.

Es ist einer dieser Tage, an denen man noch nicht mal einen Hund vor die Türe schicken mag: Durch Karlsruher Schneeregen geht’s in die Oststadt ins Atelier von Florian Wörrle, der mich gut behütet mit Kaffee und süßen Stückchen empfängt. Atelier ist aber eigentlich die verkehrte Bezeichnung, denn gleichzeitig befindet sich in der Ladenraumwohnung die seit 2014 existierende Künstlerplattform „Größer Null“, die sich die drei Künstler Florian Wörrle, Tobias Fluhr und René Stanger sowie die Schriftstellerin Lisa Kränzler als Creative Space und Forum für den künstlerischen Austausch teilen.

Dezidiert nicht als Produzentengalerie wollen sie Größer Null verstanden wissen, eher soll es Salonqualitäten jenseits kommerzieller Absichten entwickeln. „Anfänglich haben wir gegen die Idee des White Cube ausgestellt, jetzt steht die gegenseitige künstlerische Befruchtung im Vordergrund“, meint Wörrle. Da hilft natürlich, dass sich die „Größer Null“-Künstler seit Studienzeiten kennen und alle in der Oststadt nah beieinander wohnen: „Manchmal rufe ich Tobias über den Hinterhof zu, dass ich eine Idee habe, und dann treffen wir uns zum Ausprobieren im Atelier.“

Trotz der Möglichkeiten, Gemeinschaftsarbeiten zu entwickeln, ist Kunst, so Florian Wörrle, immer eine „wahnsinnig egoistische Angelegenheit, eine Ein-Mann-Band, in der man sein Konzert spielt.“ Dass er sich die experimentelle Freiheit erhalten hat, neugierig und mit Augenzwinkern auf der Suche ist nach den Zeichen unserer Zeit, hängt auch damit zusammen, dass er in seinem zweiten Beruf ein sicheres Standbein hat: Auch als Kunstlehrer am Thomas-Mann-Gymnasium in Stutensee geht es ihm darum, den künstlerischen Prozess weiterzugeben und den Schülern durch Projektarbeiten Freiheiten zu ermöglichen, die es im regulären Schulbetrieb nicht gibt. „Aber wenn ich Talent wittere, bin ich unersättlich“, schmunzelt der Exil-Schwabe, den das Akademiestudium nach Karlsruhe brachte. Was seine Kunstwerke ausmacht, lässt sich bereits an seinem Werdegang ablesen: Er ist ein echtes „Kunstchamäleon“ (so Wörrle selbst), studierte unter anderem bei Slominski, Reyle, Holzapfel, der ihn sehr prägte, Caramelle und Verhoef und eignete sich so das Wissen um verschiedene Positionen an.

Er arbeitet meist in Serien, wobei er aktuell vom Phänomen der Time Warps aus Science-Fiction-Filmen fasziniert ist und diese höchst abstrakten Erscheinungen in eine konkrete Materialität zu übersetzen versucht. Fotos von Galaxien hängen im Atelier, die ersten Übersetzungen in quadratische Arbeiten sind bereits zu besichtigen. Überhaupt: Farbe, Farbe, Farbe überall, dazwischen hängen seine Bilder, lehnen an den Wänden, unterm Tisch stehen seine Atelierschuhe, wie auf dem INKA-Cover #114 fast nicht erkennbar zwischen den vielen Farbklecksen auf dem Boden. Bildträger, Motiv und Materie sind die Eckpunkte seiner Arbeiten. Dabei geht es ihm in seinem künstlerischen Schaffen darum, neue Aspekte in deren Verhältnis zueinander zu finden. Er entwickelt Bildformen, bei denen Binnenstrukturen den Bildträger verformen und dadurch eine neue materielle Einheit von Bild und Träger entsteht. Mit viel Farbe begegnet er unserer Samplingkultur.

Sie greift oftmals über den Bildträger auf die Wand aus, manchmal liefert angekokeltes Plastik zusätzlich eine semitransparente Ebene, die sich über die haptisch-konkrete Materialität seiner Bilder legt. Der Titel liefert oft eine zusätzliche inhaltliche Ebene, die deutlich macht, dass er mitten im Leben steht, aber auch Teil unserer „Haben will“-Kultur ist, der er mit Kunstgewinn begegnet. Permanent hält er Ausschau nach Dingen, die unser aktuelles Zeichensystem, dessen Codierung stören, und es ist ihm ein Glücksgefühl, wenn er auf solche Elemente stößt. Dabei verarbeitet er mit Augenzwinkern auch Malerklischees – dazu gehört nicht zuletzt auch der Hut, der ihm kess auf den Locken sitzt. Ob Rubens, van Gogh, Beuys oder Strumbel, Wörrle ist in guter Gesellschaft. Seine erste Solo-Ausstellung, in der alle Serien zusammengeführt werden, ist bereits in Planung. Am letzten Pfingstferien-Wochenende (ab 27.5.) wird die „Neospektive“ in der Plattform Größer Null zu sehen sein, augenzwinkernder Kunstgenuss natürlich inklusive. -ChG

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