Die Wüste des Realen

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.07.2008

Was haben ein Miele-Staubsauger, eine Klobürste, Wolford-Strumpfhosen und Angela Merkel gemeinsam?

Nein, die Kanzlerin ist nicht das Kuckucksei in dieser Aufzählung, sie gehört tatsächlich in die Reihe. Unverfroren packt Josephine Meckseper, die kürzlich im Kunstmuseum Stuttgart eine beachtenswerte Einzelausstellung hatte, alle oben genannten Dinge, inklusive einem CDU-Werbeplakat aus dem Jahre 2004, auf dem Merkel lächelnd zum Familiensonntag lädt, in eine längliche Vitrine.

"Die Wüste des Realen" heißt ihr Beitrag zum Thema Deutschland, der zur Zeit im ZKM (Museum für Neue Kunst) zu sehen ist. An dem ehrgeizigen Projekt "Vertrautes Terrain. Aktuelle Kunst in & über Deutschland" beteiligen sich rund 300 deutsche und internationale Künstler. Herausgekommen ist ein überaus spannendes Kunst-Archiv, das aus unterschiedlichen und sehr persönlichen Blickwinkeln spotartig unser Land unter die Lupe nimmt.

Manches stimmt traurig, wie das Schicksal des ehemaligen DDR-Bürgers Alfred Kleistner, der schwimmend durch die Ostsee flüchtete und sich später in diesem Meer das Leben nahm. Zuvor hat er diese Landschaft fotografiert. Der junge Künstler Sven Johne inszeniert die Flut von Aufnahmen als simple maritime Fotoserie, die aber aufgrund ihrer Story dramatisch lodert.

Auch Friedrich Kunath sinniert am Strand über Heimweh und fotografiert in Anlehnung an romantische Topoi sich selbst als einsame Seele. Neben einer gewissen Melancholie besitzt die Ausstellung vor allem Archivcharakter. Man kann sie erforschen wie eine historische Kuriositätensammlung. Gegenstände aus dem "Vitalen Archiv" von Sandra Kuhne dürfen sogar ausgeliehen oder mit eigenen Stücken ergänzt werden. Das wie ein Zimmer mit Regalen, Dias, Akten, Stempeln und Schachteln eingerichtete Projekt basiert auf Restbeständen geschlossener DDR-Fabriken.

Doch nicht nur die neuen Bundesländer bieten massenweise Material. Auch die RAF oder Siemens bilden Sujets, mit denen sich Künstler befassen. Viel Video, viel Fotografie, ein ganz und gar typisches Gemälde von Tim Eitel zieren das interessante Potpourri.

Der in Brasilien geborene und in Berlin lebende Marcellvs L. hat das Holocaustmahnmal mit durchlaufenden Menschen als Loop in eine vierteilige Videoinstallation gebannt und spielt grandios mit menschlichen Stadien wie Verschwinden, Erscheinen und Durchlaufen. Deutschland, so viel ist sicher, bietet Künstlern genug Projektionsfläche für spannende Arbeiten, ein Besuch lohnt, Zeit sollte man sich allerdings dafür nehmen! -ub

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