Durch Adlers Augen – Eindrücke aus der Kunstlandschaft (Juni & Juli 2023)

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.06.2023

Es gibt was auf die Ohren!

Eine Kolumne von Sabine Adler. Die freiberufliche Kunsthistorikerin arbeitet beim BBK und ist als Moderatorin und Kunstakteurin im Südwesten und in ihrer Heimat, der Pfalz, aktiv.

Sound kann Emotionen wecken. Sound kann Erinnerungen hervorrufen. Und Sound kann in der Kunst dazu beitragen, Werke auf eine ganz andere Weise wahrzunehmen. Durch die Kombination von visuellen und auditiven Elementen entsteht oftmals eine ganzheitliche Erfahrung, die die Grenzen der traditionellen Kunstformen überschreitet und neue Wege des künstlerischen Ausdrucks erschließt. Da wundert es nicht, dass es aktuell in einigen Ausstellungen in der Region klimpert, rauscht und vibriert.

In Schloss Neuenbürg jedenfalls raschelt, zwitschert und plätschert es. Dort geht die Künstlerin Mirja Wellmann dem Hören auf den Grund und fasst ihre vielseitigen Erkundungsmittel in eine plastisch-skulpturale Form. Ihre „Hörnester“ und „Hörwolken“ klingen nicht nur vom Titel her wunderbar, sondern sind auch sehr schön anzusehen. In ihnen treffen kleine, meist harmonisch eingefärbte Holzschnittarbeiten in Form von Tieren, Autos oder Pflanzen aufeinander und ballen sich zu einem vermeintlichen Durcheinander, bei dem sich ein näheres Hinsehen lohnt – in dem Wirrwarr verstecken sich nämlich einige liebevolle Details! Ihnen gegenüber hängen gerahmte Notenblätter, die jedoch vollkommen ohne die klassischen Notensymbole auskommen. Ohne Violinschlüssel geht es direkt ins Geschehen: Kirchenglocken, Lampenknistern und Stille steht auf den Zeilen geschrieben. Hierbei handelt es sich um ein Hörprotokoll, das die Künstlerin in den Ausstellungsräumen in Schloss Neuenbürg nur wenige Wochen vor der Eröffnung angefertigt hat und damit zeigt, wie vielfältig und kreativ das Thema Hören bearbeitet werden kann.

Am gleichen Tag noch tauche ich auch an anderer Stelle etwas tiefer in Geräuschkulissen ein: In der Villa Streccius in Landau ertönt am Vernissageabend Vivaldi auf einem Akkordeon. Was zuerst außergewöhnlich klingen mag, funktioniert hervorragend. Doch die neu eröffnete Ausstellung erklingt eigentlich auf ganz andere Art und Weise. Denn auch ohne die Musik zur Eröffnung klimpert und klirrt es in den Räumen. Jürgen Heinz präsentiert dort nämlich seine Klangskulpturen. Deren Beweglichkeit ist auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennbar. Sobald sich einer der Gäste jedoch traut, einmal zaghaft und mit Handschuh das träge erscheinende Material anzustupsen und in Schwingung zu versetzen, folgen viele andere nach. Und so kommen aus den unterschiedlichen Räumen unterschiedliche Harmonien zum Vorschein, werden neue Sichtweisen ermöglicht und vor allem die Schwere des Metalls fast vollständig aufgehoben. „Der Klang von Form und Farbe“ lautet der Ausstellungstitel, der deutlich macht, wie viel doch Bildende Kunst und Musik auch gemeinsam haben… Farbklänge. Farbharmonien. Schwingungen. Viele Begrifflichkeiten der Eröffnungsrede lassen dies ja bereits deutlich erahnen.

Auch die Kunsthalle in Baden-Baden steht aktuell ganz unter dem Thema Sound: Mit der Ausstellung „Space Synthesis“ verwandelt der Künstler Jan St. Werner die Räume in einen Klangraum und nutzt hierfür das Gebäude als Instrument. Unterstützt von Licht, Bewegungen, gezielten Ablenkungen und Interventionen entsteht ein Parcours durch die äußerst minimalistisch gestaltete Ausstellung, auf dem jeder Raum einen eigenen Abschnitt einer Komposition darstellt. Meine Schritte und meine Bewegungen verändern beim Gang durch die Ausstellung hierbei den Klang. Die Klänge vermischen und kombinieren sich, lösen neue Echos aus und lassen Resonanzen entstehen, die das Gebäude zum Sprechen bringen. Wer von den Sounds nicht genug bekommt, kann sich eine LP im kleinen Museumsshop kaufen und ein Stück der Ausstellung mit nach Hause nehmen. Und das ist doch gut zu hören!

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