Durch Adlers Augen – Eindrücke aus der Kunstlandschaft (März 2023)

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.03.2023

Do The Dada – von Lautgedichten zu Konkreter Poesie

Eine Kolumne von Sabine Adler. Die freiberufliche Kunsthistorikerin arbeitet beim BBK und ist als Moderatorin und Kunstakteurin im Südwesten und in ihrer Heimat, der Pfalz, aktiv.

„Jolifanto bambla ô falli bambla / grossiga m’pfa habla horem“ – so lauten die einleitenden Worte des Dada-Künstlers Hugo Ball in seinem Lautgedicht „Karawane“, in dem Sprachsinn und Syntax geschickt zertrümmert wurden. Die Entstehung liegt mittlerweile über 100 Jahre zurück, die Intention der Verse ist jedoch nach wie vor aktuell: Krieg und Ungerechtigkeit sind Themen, gegen die sich Ball vehement aussprach, die unseren Alltag aktuell aber noch immer extrem prägen. In Pirmasens, wo Ball zur Welt kam, wurde ihm eine kleine Ausstellung im Forum Alte Post gewidmet (Fotos Mitte und rechts). Für mich persönlich ein wahres Kleinod, da ich mich im Studium ausgiebig und mit viel Vergnügen mit Dada und den sich dazugehörig fühlenden KünstlerInnen beschäftigen durfte.

Die Ausstellung beginnt mit der Biografie Balls, mit der Gründung des Dada in Zürich und geht auf den Verlauf der Bewegung und deren Bedeutung auf die heutige Zeit und andere Kunstrichtungen ein. Der Raum ist inspirierend und spielerisch gestaltet: In einer Ecke steht eine abstrahierte Version von Ball mit seinem kubistischen Kostüm und trägt Lautgedichte in Form von Originalaufnahmen vor. Auch wenn die Schau insgesamt sehr textlastig ist, ist die Präsentation dennoch kurzweilig. Der perfekte Ort für alle, die sich zum ersten Mal mit Dada befassen und mehr darüber erfahren wollen. Aber eben auch ein wunderbarer Ort für diejenigen, die gerne tiefer in die Materie eintauchen möchten. Mein persönliches Highlight ist neben der ansprechenden Typografie der Ausstellung eine kleine Tanzfläche, die in den Boden eingelassen ist. Getreu dem Motto „Do The Dada“ hat man hier die Möglichkeit, sich auch im Stil des Dada zu bewegen und dabei seine ganz persönlichen Kompositionen entstehen zu lassen. Auch die kleinen Exkurse zu Kurt Schwitters, meinem persönlichen Lieblings-Dada-Künstler, erfreuen mich! Schon immer mochte ich seine Ausdrucksformen, seine Fantasie und seinen Humor, der ihn wortwörtlich bis in den Tod begleitete. Schließlich steht auf seinem Grabstein unter dem Todesdatum geschrieben „Man kann ja nie wissen“ – hätten Sie’s gewusst? Auf Schwitters bin ich im Dezember bereits getroffen, allerdings etwas unerwarteter als dieses Mal in Pirmasens. In der Ausstellung „Walter Giers. Electric Art“ im ZKM hängt ein Klangobjekt aus der Serie der „Dadaphone“, das ein Lautgedicht von Schwitters vorträgt – jedoch durch einen Zufallsgenerator unvorhersehbar neu zusammengesetzt. Die dazugehörigen Zeitungsausschnitte auf der Trägerplatte des Objekts stammen aus dem Jahr 1916, also dem Gründungsjahr des Dada. Ein charmantes Detail!

Auf dem Heimweg von Pirmasens begegne ich nochmals Hugo Ball auf dem Weg in mein Lieblingscafé in Herxheim. Fast schon unscheinbar steht er dort – wieder in seinem charakteristischen kubistischen Kostüm – mit tief ins Gesicht gezogenem Hut blickt er schon etwas finster dreinschauend über den Innenhof der Oberen Hauptstraße. Ein süßer Anblick! Poesie in der Kunst erreichte mich diesen Monat nicht nur in Form von Lautgedichten, sondern auch in Form von Konkreter Poesie. Im Badischen Kunstverein zeigt die Ausstellung „a e i o u“ Werke der (übrigens wie Ball in der Pfalz geborenen) Künstlerin Ilse Garnier und deren Visualisierung von Sprache. Feine Kompositionen auf zarten Pastelltönen treffen auf dazu passende mit Kreide aufgezeichnete Hüpfspiele auf dem Boden und machen deutlich, wie Garnier Dichtung mit ihrer räumlichen Umgebung verband. Bevor ich den Heimweg antrete, setze ich mich noch für einen Moment an die Schreibmaschine im letzten Raum der Ausstellung und schreibe mein eigenes Gedicht für zuhause. Ob es ein Lautgedicht wurde oder doch Konkrete Poesie war, kann ich gar nicht genau beantworten. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem…

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