Eine kleine Sommerkunstreise von Mannheim bis Basel

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 08.07.2012

Sommerzeit ist Reisezeit.

Doch warum in die Ferne schweifen, wenn die Region so viel zu bieten hat? Wie bereits im vergangenen Winter nimmt Kunstredakteurin Dr. Chris Gerbing die Leser mit auf eine Kunstreise von Mannheim bis zum Bodensee und nach Basel.

In Mannheim beginnt die Zukunft jetzt: Der Abriss des 60er-Jahre-Anbaus der Kunsthalle steht bevor, der Architekten-Wettbewerb zum Neubau ist abgeschlossen und bevor neu gebaut wird, sind die 30 Entwürfe in einer Ausstellung zu sehen. Beteiligt haben sich daran so renommierte Architekten wie David Chipperfield, SANAA, Zaha Hadid und Ortner & Ortner, und man darf gespannt sein, auf wen die Wahl letztlich fällt. Bereits ausgewählt wurden die diesjährigen Hector-Preisträger: Kunstpreis und Förderpreis werden alle drei Jahre vergeben, in diesem Jahr gehen sie an die gebürtige Iranerin Nairy Baghramian und an Hannes Broecker. Ihre Einzelpräsentation wird begleitet von der Gruppenausstellung der Förderpreis-Kandidaten.

Allen Künstlern gemeinsam ist ihre Fokussierung auf Dreidimensionalität, die sie aber ganz unterschiedlich ausdrücken (ab 21.7.). Bei „Deltabeben“ handelt es sich nicht etwa um Seismologisches, sondern um zeitgenössische Kunst aus der Metropol-Region Rhein-Neckar, die alle zwei Jahre präsentiert wird (ab 22.7.). Unter anderem wird dabei Bernhard Sandfort in der Kunsthalle gezeigt, der mit seinem „Museum der Fragen“ derzeit auch im ZKM in Karlsruhe präsent ist. In Mannheim vertritt er zusammen mit Magnus von Stetten abstrakt-konkrete Positionen, denen im dortigen Kunstverein figurative Tendenzen und in der Stadtgalerie die abstrakte Kunst gegenübergestellt werden.

Mit den insgesamt 45 Teilnehmern zeigt die Regionale 2012 wieder einmal einen beeindruckenden Querschnitt durch aktuelles Kunstschaffen der Region. Auf dem Weg Richtung Süden lohnt ein Abstecher ins pfälzische Bellheim, wo im Kunsthaus eine Raum- und Klanginstallation zu besichtigen ist, die unter dem Titel „Rapport“ das hauseigene Archiv in neuem Gewand präsentiert (27.7.-5.8.). Bei der Finissage wird übrigens die Karlsruher Künstlerband Jonny Las Vegas aufspielen (5.8., 19 Uhr).

Aber auch wer mit zeitgenössischer Kunst nicht so viel am Hut hat, kommt auf seine Kosten. Anlässlich des Jubiläums „900 Jahre Baden“ gilt: Wer mit einer Eintrittskarte aus einem der Schlösser der Markgrafen nach Karlsruhe kommt, um die Ausstellung dazu anzusehen (bis 11.11.), erhält 50 Prozent Rabatt auf den Eintrittspreis – und umgekehrt. Von Mannheim bis Salem lässt sich so auf den Spuren des badischen Adelsgeschlechts durch Prunkräume und Gartenanlagen wandeln. Und während die Karlsruher Schau, zu betreten durch eine überdimensionale Kuckucksuhr-Installation von Stefan Strumbel, einen Gesamtüberblick bietet, fokussiert die Ausstellung „Das Haus Baden am Bodensee“ auf die Residenznahme im ehemaligen Zisterzienserkloster Salem ab dem 19. Jahrhundert (Prinz-Ludwig-Quartier in Schloss Salem, bis 7.10.). „König von Baden“ nennt sich der Tausendsassa Jörg Kräuter derweil selbst. Mit „Alles Pappe“ hat er es in Bühl auf die „Verpackung der Welt“ abgesehen. Seine absurden Kreationen zeigen die globale Verwendung des Materials (bis 26.8.).

„Pack die Badehose ein…“ trällerte Cornelia Froboess 1950 und brachte damit das Gefühl von Sommer, Sonne, Ferien auf den Punkt. Kleine Fluchten aus dem Alltag bietet immer Baden-Baden, das gerade im Frühsommer südländisches Flair verströmt – insbesondere jetzt, wo auch noch Frankreich in Form der Doppelausstellung „Léger – Laurens“ ins Museum Frieder Burda eingezogen ist (bis 4.11.). Passend dazu lässt sich in der Kunsthalle Baden-Baden Wangechi Mutu bestaunen. Die Collagen, Installationen und Videoarbeiten der gebürtigen Kenianerin sind von seltsamen Mischwesen bevölkert, die kontroverse Gefühle freisetzen: Neben scheinbarer Geborgenheit ruft Mutu auch Schutzlosigkeit und Vorahnungen einer Katastrophe hervor.

Während Entfremdung und Deterritorialisierung in den Arbeiten der Künstlerin präsent sind, erzählt die Ausstellung „Fernweh“ im Museum im Ritterhaus von großen und kleinen Reisen in die weite Ferne: Souvenirs aus den 1860er, 1910er bis in die 70er Jahre belegen die Sehnsucht auf Abenteuer und ferne Länder am Beispiel von Menschen aus der Region (bis 30.9.). Eine Reise ganz anderer Art bietet derweil das Museum Hurrle: Hier wird „CoBrA“ gezeigt und was sich wie ein Schreibfehler liest, ist die Abkürzung der drei Orte, aus denen die wichtigsten Künstler der Gruppierung stammten: Nicht nur aus Copenhagen, Brüssel, Amsterdam ziehen über rund 100 knallbunte, fröhlich-expressive Gemälde und Skulpturen in den Museums- und Hotelkomplex ein (bis 6.1.13).

„Between The Tides“ – und das am Rhein, das mutet etwas sonderbar an. Claudia Biehnes neue Ausstellung im Keramikmuseum Staufen ist so betitelt, bei der sie mit traditionellen Gefäßformen Skulptur, Angewandte Kunst und Design miteinander verbindet (bis 12.8.). Die Fragilität, die die Porzellanarbeiten der gebürtigen Leipzigerin auszeichnet, ist nicht Thiébaut Chagués Metier, der anschließend dort präsentiert wird: Durch den Holzofenbrand scheinen seine archaischen Arbeiten förmlich zu glühen (17.8.-7.10.). Von Staufen aus lohnt sich ein Abstecher ins Museum Biedermann, eine Durchgangsstation der Ausstellung der VAF Stiftung, mit der aktuelle Positionen italienischer Skulptur ihren Facettenreichtum verdeutlichen. Neue Ausdrucksmittel und Medien kommen zum Einsatz bei den 16 Künstlern, die von der Stiftung mit der Wanderschau gefördert werden (bis 16.9.).

Unsere Reise endet in Basel, wo momentan die poppigen Skulpturen von Jeff Koons in der Fondation Beyeler das Museum bevölkern. Ihm ist übrigens derzeit auch eine Doppelschau in Frankfurt gewidmet (bis 2.9.). Wo Koons mit seinen überdimensionierten Spielzeug-Skulpturen bei dem einen oder anderen für Kopfschütteln sorgt, lösen die Arbeiten von Vladimir Tatlin diese Reaktion schon lange nicht mehr aus. Bekannt wurde er vor allem durch sein nicht realisiertes „Monument für die Dritte Internationale“, doch trug er mit seinen Konterreliefs wesentlich zum Aufbruch der Künste aus dem Korsett der Tradition bei. Das Museum Tinguely zeigt ihn nun als einen der Erneuerer der Kunst (bis 14.10.). -ChG

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