Gepflegter Kunstmarathon
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 17.09.2010
Das Ende der „Saure-Gurken-Zeit“ läutet jährlich der Karlsruher Galerienrundgang ein.
Am 17.9. öffnen die Galeristen von 18-22 Uhr allen Kunsthungrigen ihre Türen und präsentieren neue Ausstellungen. Der aktuelle Flyer liegt in allen Galerien aus und gilt ab 17 Uhr als Fahrkarte im gesamten KVV-Verbund. Nachfolgend ein Abriss der beim Galerienrundgang beteiligten Galerien sowie einige Zusatzinfos wie beispielsweise zur Fotoausstellung „Bigger Is Better“ in der Nancyhalle oder zur Galerie Inken in der Waldstraße; beide haben an diesem Termin ebenfalls Vernissagen.
Auch außerhalb des Rundganges, aber in „Sichtweite“ ist das Projekt „Homeland – My Space My Country“ des Badischen Kunstvereins: Bis zum 26.9. sind am Marktplatz, Europaplatz, Kronenplatz, Werderplatz, Mühlburger Tor, Am Zirkel, Erbprinzenstraße-Markgrafenstraße, in Mühlburg sowie im Zentrum von Durlach zwölf Plakate zu sehen, die im Rahmen eines Workshops an der HfG und der Moholy-Nagy-Uni Budapest entstanden.
Nun aber zum Galerienrundgang: Die bereits einige Jahre währende Zusammenarbeit von Alfred Knecht und Rita Burster mündete nun auch in der nur logischen Namensänderung: Die traditionsreiche Karlsruher Galerie, die auch den Rundgang organisiert, nennt sich ab sofort offiziell „Galerie Knecht und Burster“. Hier werden bis 16.10. Holzskulpturen von Armin Göhringer und Collagen auf Papier von Harald Sieling gezeigt. In der Galerie Schrade beginnt eine retrospektive Schau mit spannenden Farblandschaften von Shmuel Shapiro.
„Wer die erste Seite schreibt, weiß nicht die letzte.“ Mit dieser Einstellung näherte sich Eduard Micus (1925-2000) seiner Kunst. Seit 1952 sind die durch eine Linie geteilten Bilder charakteristisch für den Absolventen der Stuttgarter Akademie und Bauermeister-Schüler, später folgten Papiercollagen und Materialbilder. Die Galerie Voegtle zeigt einen Querschnitt durch Micus’ Werk. Sein künstlerisches Pendant in der Galerie ist der junge Bildhauer Wolfgang Rempfer. Mit den Materialien Holz, Glas und Stahl schafft er raumbezogene Installationen zwischen Modell und architektonischer Phantasie. Bis 23.10. in der Galerie Raimund Voegtle, Waldstr. 17.
Ab 17. 9. „neueröffnet“ die bisherige „John Doe Projects“-Galerie in der Viktoriastraße als Galerie „Weingrüll“ und zeigt Arbeiten von Thomas Geiger. Um die Ecke in der Poly Galerie präsentiert sich die Cubus Produzentengalerie aus Baden Baden. Elf KünstlerInnen zeigen Fotos, Filme, Gemälde, Skulpturen und auch Performances rund um das Thema „Zeitraum“ (17.-19.9. und 24.-26.9.).
Die Ausstellung „City Of The Old“ der jungen tschechischen Künstlerin Eva Kotatkova in der Galerie Meyer Riegger ist inspiriert vom Lebensrhythmus in einer Prager Seniorenresidenz. Direkt neben den Kunsttransit-Räumen ist Part angesiedelt, wo zum Galerienrundgang Gerlinde Fertig, Myriam Schahabian und Cha Kae Nam Skulpturen und Objekte zeigen.
Im Künstlerhaus präsentiert der BBK Plastiken von Gesa Goldammer und Keramik von Gudrun Weweler. Eröffnung erst am 24.9., 19 Uhr, aber auch zum Karlsruher Galerienrundgang von 18-22 Uhr geöffnet. Die Galerie Bode zeigt unter dem Titel „Raumlichter“ neue Werke des Leipziger Malers Jörg Ernert. Wieder in der Stadt und persönlich am 17.9. ab 19.30 Uhr anwesend ist der Kölner „Bananensprayer“ Thomas Baumgärtel. Öffentlich bislang kaum zu sehen war aus gutem Grund bisher seine World-Trade-Center-Arbeit aus dem Jahr 1996 mit hunderten von Spraybananen.
Die Unbekümmertheit, mit der das Twin-Towers-Werk fünf Jahre vor 9/11 entstand, weicht heute bizarrem Entsetzen. In der Neuen Kunst Gallery zeigt er weitere großformatige Arbeiten wie das „Brandenburger Tor mit Banane“ (280 x 300 cm) oder ein eben erst geschaffenes romantisches Bild mit erholsamem Blick vom Schlossgartensee auf das Karlsruher Schloss, Titel: „Ententeich“. Am So, 3.10. um 12 Uhr stellt Baumgärtel in einem Lichtbildvortrag zudem seine aufsehenerregenden Projekte wie „Eine Banane im Brandenburger Tor?!“ oder „Die Banane am Kölner Dom“ vor.
Im echten Wortsinne „großartig“ ist auch die Ausstellung „Bigger Is Better“ mit extremformatiger Fotokunst in der Nancyhalle. Im Rahmen der Karlsruher Aktivitäten im Wissenschaftsjahr „Die Zukunft der Energie“ zeigen zehn Studierende der HfG in Kooperation mit dem ZKM und dem Kulturamt Bilder zum Thema Energie. Natürlich bedienen sich die Künstler hier nicht einer dokumentarisch-illustrativen Darstellung alter und neuer Entwicklungen der Energieversorgung, sondern entwickeln ganz eigene künstlerische Interpretationen des Themenkomplexes.
Im Vordergrund stehen verschiedene Bedeutungsebenen der Energie-Zukunft und des Umgangs mit Energie, die in unterschiedlichen sozialen, psychologischen, biologischen und kunsthistorischen Kontexten und Sichtweisen festgehalten wurden. Der Titel der Ausstellung „Bigger Is Better“ ist im Sinne des Kurators, Fotografen (u.a. SZ Magazin, INKA-Cover 2009) und HfG-Absolventen Frederik Busch und der beteiligten Künstler als ironisch interpretiertes Statement zu verstehen, das unser extrem beschleunigtes, auf Wachstum, Maximierung und Fortschritt ausgerichtetes Leben sowohl im Umgang mit Energie als auch hinsichtlich unserer Wahrnehmungsgewohnheiten pointiert auf den Punkt bringt.
Die ausgestellten Bilder, die in extremen Großformaten von 4 x 5 Metern gezeigt werden, greifen das soziokulturelle Dogma der Vorliebe für das Große, Übermächtige und Gewaltige auf. Frei im Ausstellungsraum Nancyhalle hängend bilden sie ein konzeptionelles energetisches Gerüst und füllen den Ausstellungsort dank ihrer visuellen Präsenz mit künstlerischer Energie (Eröffnung: Fr, 17.9., 19 Uhr, Finissage: So, 17.10., 19 Uhr, Mi-So 16-20 Uhr, Nancyhalle, Festplatz, Eintritt frei, www.zukunft-der-energie.de).
Großartige Malerei zeigt erneut auch die Galerie Schürmer. Der in Berlin lebende Freiburger Felix Wunderlich ist einer der Stars der jungen Berliner Szene. Handwerklich perfekt erweckt er die Welt der alten Meister wie Cranach, Breughel, Vermeer oder Rembrandt wieder – dank Wunderlichs metaphorisch verwobenen Zeit- und Bildschichten kann man aber auch an David Lynch denken. Eine sehr mutige Galerie-Neueröffnung ist unweit der Galerie Voegtle zu vermelden. Die im Mai eröffnete Galerie Inken in der Waldstr. 31 zeigt antike asiatische Kunst, die sich aus über 30 Jahren familiärer Sammlerleidenschaft speist.
Der Schwerpunkt liegt auf erlesenen Exponaten der chinesischen Tang-, Ming- und Quing-Dynastie. Daneben finden aber auch immer wechselnde Ausstellungen ausgewählter junger Künstler statt. Ab Fr, 17.9., 17 Uhr (bis 7.1.11, www.inken-fineart.com) zeigt die in Berlin lebende Exil-Karlsruherin Christine de la Garenne unter dem Titel „A Peek into China“ Videoinstallationen und Fotoarbeiten, die bei einem Stipendiat in Peking entstanden. (Foto: de la Garenne/Lewandowsky). -Ulrike Steffen, Marc Vogel, Sabrina Turner, Roger Waltz
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