KulturZeitRäume: Doppelbelichtungen

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 13.05.2011

Fotounikate in der Innenstadt!

Das Projekt „KulturZeitRäume“ geht in Kooperation mit Kunsttransit und INKA in die zweite Runde: Nachdem parallel zu den Kunstmessen „art“ und UND#6 verschiedenste Karlsruher Schaufenster und Geschäfte zur Ausstellungsfläche von Malerei und Skulptur wurden, übernimmt nun die Fotografie parallel zur Internationalen Messe für Angewandte Kunst und Design „Eunique“ (27.-29.5., Messe Karlsruhe) das Ruder.

43 FotografInnen zeigen in über 50 Geschäften und Galerien zwei Wochen lang Fotounikate. Am Sa, 28.5. findet zudem eine „Lange Nacht der uniKAte“ statt. Hier haben viele Läden länger geöffnet und bieten zum Teil besondere Aktionen: Das Musikhaus Padewet präsentiert z.B. einen DJ, der Klassik mit Techno verwebt. Ab 21 Uhr lockt eine Party mit den DJs Miss Minimilk & Mr. Ripley (elektronische Sounds) ins Café Max im Prinz-Max-Palais – bei schönen Wetter ab 18 Uhr mit Gartenfest (Eintritt frei).

Als ein ungewöhnliches Ausstellungsformat könnte man die Tatsache umschreiben, dass die Stadt Karlsruhe selbst zur Kunsthalle wird. Nur liegen die einzelnen Räume nicht, wie man es von herkömmlichen Museen kennt, aufgereiht als Enfilade hintereinander. Vielmehr wird der Weg zum Ziel, wenn die Kunst an unterschiedlichen Orten aufgesucht werden muss.

Noch dazu an Orten, die sonst nicht primär kunstverdächtig (wenn auch grundsätzlich kunstaffin) sind: Einzelhändler, Kreativschaffende und ausgewählte Galerien haben ihre Wände an Fotografen vergeben, die parallel zur „Eunique“ die Stadt in ein Museum verwandeln. „Doppelbelichtungen“ heißt die Schau; deutlich gemacht wird dadurch bereits im Titel der Synergie-Effekt, der sich aus kulturellem Engagement für die Geschäfte, die Stadt im Gesamten, die Region und die Eunique ergibt.

Kunst ist, und das zeigt die Initiative KulturZeitRäume in aller Deutlichkeit, kein „Sahnehäubchen“, keine verhandelbare Größe, die bei knapper werdenden Ressourcen weiter geschrumpft werden kann, sondern Schmiermittel unserer Gesellschaft. Also das, was eine Stadt auszeichnet, sie besonders macht und ihr Flair verleiht – wovon nicht zuletzt auch die „Eunique“ profitiert, die auf diese Weise noch weiter im städtischen Leben verankert werden wird.

Die Vielfalt künstlerischen Ausdrucks, der bei der „Eunique“ ein wesentliches Kriterium ist, spiegelt sich via „Doppelbelichtungen“ auch in der Stadt wider. Denn künstlerische Fotografie heißt nichts anderes, als dass Fotos als limitierte Kleinauflagen und Unikate entstehen. Zu sehen sind Industrie- und Architekturfotografie, Architekturmodelle, Modefotografie, Portraits der „Reichen und Schönen“, aber auch von Soldaten und von Kindern, inszenierte und reale Landschaften sowie Reiseimpressionen fremder Länder, aber auch völlig Abstraktes. Von A wie Bettina Amann bis Z wie Yunwei Zhu sind 43 Fotografen in über 50 Geschäften und Galerien zu Gast.

Zhu ist der beste Beweis dafür, dass es schon lange keinen Unterschied mehr gibt zwischen Hoch- und Gebrauchskunst: 2009 war er mit dem Projekt „Bambus/Rattan“ auf der „Eunique“ zu sehen, gerade wurde der HfG-Student mit dem 1. Preis in der Kategorie Studenten bei „100% Design Shanghai“ ausgezeichnet; zu den KulturZeitRäumen steuert er fotografische Portraits bei. In die Welt des Glamours entführen uns die Fotos, die Björn Pados von Promis macht.

Sehr bodenständig dagegen die Arbeiten von Skerbic, der im Hauptberuf Polizist ist und daher einen nüchternen Blick auf die Realität hat, die sich in seinen Fotografien widerspiegelt. Bei Birgit Spahlinger und Valérie Goovaerts dreht sich alles um die Frau an sich, während Kirsten Bohlig Pflanzen in extremer Nahansicht abbildet und sie auf diese Weise stark verfremdet.

Wem der Frühsommer in Karlsruhe zu warm ist, der kann sich an den Island-Fotografien von Bernhard J. Lattner abkühlen, während die von Emil Rothweiler in extremer Nahsicht aufgenommenen Samen von Pusteblumen eine poetische Stille ausstrahlen. Die abstrakt anmutenden Fotografien von Peter Prix sind in Wahrheit eine fantasievolle Wiedergabe realer Dinge, die Prix nicht nachbearbeitet. Einen nüchternen Blick auf Unorte unserer städtischen Umwelt gewährt Andreas Friedrich, während Gerd Jütten ein anderes, stilles Bild eines morbiden, langsam zerfallenden Venedig zeichnet.

Die „Stadtchoreographien“ von Mona Brede sind dagegen trotz ihrer scheinbaren Zufälligkeit ganz bewusst komponierte Stadtportraits, und wer die Grenzräume zwischen Realität und Abbild ausgelotet wissen möchte, ist bei den Fotos von Sven Lorenz an der richtigen Adresse. Eine breite Vielfalt künstlerischer Fotografie führt vor Augen, dass das, was wir im Foto sehen, noch lange nicht die Realität, in jedem Fall aber ein Abbild einer Sichtweise ist, die der Künstler uns, dem Betrachter vorgibt. -ChG/-rw

Die Locations:
1 Bettina Amann - Kunstoff, Kaiserstr. 50, Innenhof
2 Christoph Betsche - Goldschmiede Nitzschke, Waldstr. 83
3 Kirsten Bohlig - Unico, Herrenstr. 23
4 Daniel Tobias Braun - Rothweiler Bildgestaltung, Bildobjekte, Sophienstr. 37
5 Mona Breede - Markstahler und Barth, Karlstr. 36-38
6 Ralf J. Diemb - Goldschmiede Zöller, Zirkel 30b und Reisebuchladen, Herrenstr. 33
7 Jörg Döring - Galerie Elwert, Waldstr. 95
8 Regina Draschl - Café Pan, Kaiserstr. 50, Innenhof
9 Andreas Friedrich + Alle Fotografen - Kunsttransit, Herrenstr. 28
10 Daniel Fuchs - Staudt, Waldstr. 48
11 Valérie Goovaerts - Immerdein, Herrenstr. 25 und Stephens Haircut, Erbprinzenstr. 31
12 Beatrix von Hartmann - Restaurant Eigenart, Hebelstr. 17 und Vis a Vis, Amalienstr. 7
13 Bernd Hentschel - Schuhhaus Danger, Kaiserstr. 161
14 Tanja Hildebrandt - Kringel, Akademiestr. 38-40
15 Michael Hugel - Sophies Neue Welt, Sophienstr. 35
16 Melanie Joos - Max Lui, Kreuzstr. 19 und Pinkoko, Waldstr. 42
17 Gerd Jütten - Modern Art Gallery, Erbprinzenstr. 4-12
18 Karin Kieltsch - Usha, Karlstr. 28
19 Simon Lalia - Colling und Friends, Waldstr. 61 /Eingang Blumenstraße
20 Bernhard J. Lattner - Café Rih, Waldstr. 3
21 Katrin Lautenbach - Glam, Erbprinzenstr. 26
22 Christiane Lober - Frisör Scherer, Waldstr. 50
23 Sven Lorenz - Museum beim Markt, Karl-Friedrich-Str. 6, Schaufenster zum Zirkel
24 Spencer Mason - Gerstäcker Bauwerk, Adlerstr. 30-32
25 Elena Nelipa - Nudelhaus, Amalienstr. 14a
26 ONUK - Kammertheater, Herrenstr. 30-32 und Prolab, Adlerstr. 31
27 Björn Pados - Licht und Wohnen, Karlstr. 32
28 Peter Prix - Art Hotel Royal, Kriegsstr. 94
29 Michael Roth - Musikhaus Padewet, Kaiserstr. 132, Eingang Passagehof
30 Emil Rothweiler - Burger Inneneinrichtung, Waldstr. 89-91 und Skog42, Waldstraße 42a und Goldschmiede Sentner, Waldstr. 42a
31 Alexander Schindel - Titus, Passagehof 24
32 Ulrike Siebigteroth - Keramik Susanne Tietze, Steinstr. 23 (Gewerbehof) und Option, Markgrafenstr. 30
33 Christian A. Skerbic - Tandem Transit Erbprinzenstr. 29 und Bang & Olufsen, Erbprinzenstr. 27
34 Birgit Spahlinger - Galerie 32, Markgrafenstr. 32
35 Bozena Stasevic - Rasselfisch, Akademiestr. 9-11
36 Sabrina Turner - Lapislazuli Galerie, Herrenstr. 23/Gothaer Haus
37 Holger Tuttas - Papier Fischer, Kaiserstr. 130 und Hotel Renaissance, Mendelsohnplatz
38 Nicola Waltz - Café Emaille, Kaiserstr. 142-144
39 Tibor Weissmahr - 1. Beschrifterei, Kreuzstr. 17
40 Sonja Wiegand - Ivy Café Bar, Bürgerstr. 10
41 Klaudia Wiener - Atelier für Florales Wohnen, Karlstr. 1a
42 Yun Wei Zhu - Löb High Fidelity, Zirkel 30
43 Jonas Zilius - Zwo/Elf, Steinstr. 25

KulturZeitRäume – Doppelbelichtungen: Fotounikate in der Innenstadt, 26.5.-11.6., Vernissage mit Fotos aller Beteiligten: Mi, 25.5., 19 Uhr, Kunsttransit, Herrenstr. 28, Karlsruhe, Einführung: Dr. Chris Gerbing
Sa, 28.5. „Lange Nacht der uniKAte“: Ab 21 Uhr (bei schönem Wetter ab 18 Uhr mit Gartenfest) Party mit den DJs Miss Minimilk & Mr. Ripley (elektronische Sounds) im Café Max im Prinz-Max-Palais, Akademiestr. 38, Karlsruhe, Eintritt frei
www.kulturzeitraeume.de

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Was ist die Summe aus 2 und 2?

WEITERE KUNST & DESIGN-ARTIKEL