Meißener Porzellan der Frühzeit
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 27.05.2010
Die Markgräfin handelte blitzschnell.
Kaum hatte es Johann Friedrich Böttger vor 300 Jahren als erster geschafft, endlich auch in Europa Porzellan herzustellen, avancierte Sibylle Augusta zur Großabnehmerin der Meißner Kostbarkeiten und verwandelte ihr nagelneues Sommerdomizil ab 1710 in ein Porzellanschloss. Die schönsten Stücke ihrer Sammlung zeigt jetzt die Sonderausstellung „Meißner Porzellan aus der Frühzeit“ im Schloss Favorite.
Der Rundgang durch das Erdgeschoss führt dem Besucher einen Querschnitt durch die Frühgeschichte der europäischen Porzellanherstellung vor – gespickt mit hochkarätigen Beispielen von „Schwartz Porcelain“, Böttgerporzellan, Höroldtmalerei und Golddekoration im Dialog mit ihren chinesischen Vorbildern. Die Ausstellungsmacher stellen die Besonderheiten der prächtigen Objekte gekonnt in den Mittelpunkt, in zentral gruppierten Vitrinen können die filigranen Stücke von allen Seiten bewundert werden.
Bereits 1706 war dem Alchemisten Böttger die Erfindung des roten Böttgersteinzeugs oder Jaspisporzellans gelungen, das in der Ausstellung zierliche Tee- und Kaffeekännchen mit Chinoiserien in Gold- und Lackmalerei repräsentieren. Chinesische Motive sind zentrales Merkmal der exklusiven Sammlung, auch in ganz uneuropäischen Formen wie Sakeflaschen aus schwarz glasiertem Böttgersteinzeug spiegelt sich die allgemeine Chinabegeisterung der Zeit wider. So groß war Sibylle Augustas Vorliebe für die Exotik aus Fernost, dass die Katholikin sogar Porzellanstatuetten der chinesischen Göttin Guanyin in ihrem Schloss ausstellt – immerhin verstand man die im christlichen Europa als Göttin der Barmherzigkeit.
Gerade der Verzicht auf malerische Verzierungen macht hingegen den Reiz von schneeweißen Deckeldosen und Sahnetöpfen eines Porzellanservices aus, das mit plastischen Ornamenten besetzt ist. Neben Böttger ist eine zweite bedeutende Persönlichkeit in der Ausstellung Johann Gregorius Höroldt. Der Porzellanmaler entwickelte in Meißen stilbildende und kunstvolle Dekore, später stand er der Manufaktur als Direktor vor.
Sein Prunkservice von 1723 mit farbigen und goldverzierten Chinoiserien gehört zu den Höhepunkten der Präsentation. Überraschte Besucherblicke zieht eine außergewöhnliche Kanne in Form eines Hahnes auf sich, aufwändig verziert mit Golddekor einer Augsburger Werkstatt. Fazit: Selbst Porzellanneulinge kommen in dieser Ausstellung ins Staunen – und für Kenner ist sie ohnehin ein absolutes Muss. -us
www.schloss-favorite.de
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