Unwirklichkeiten

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 16.12.2018

„Ein Neues habe ich gefunden: Die wahre Kunst ist Unwirklichkeit üben. Das Höchste!“

Das notierte Lovis Corinth (1858–1925) am Ende seines Lebens in sein Tagebuch. Damit stellt der Maler ein jahrhundertelang gültiges Prinzip der bildenden Künste in Frage: das Primat der Naturnachahmung, also das Ziel einer möglichst lebensnahen Wiedergabe der sichtbaren Wirklichkeit. Um 1900 vollzogen die Künstler der Avantgarde einen radikalen Bruch und schufen „Unwirklichkeiten“: Farbe und Form verselbstständigten sich und gewannen zugleich Symbolcharakter.

Nicht mehr die äußere Wirklichkeit, sondern das Innenleben, das Empfinden des Künstlers steht nun im Mittelpunkt. Die Symbolisten und Surrealisten schaffen „unwirkliche“ Phantasiewelten und Traumvisionen: Das Imaginäre steht nun im Zentrum der Kunst. Die Ausstellung zeigt, dass die Wurzeln dieser künstlerischen Revolution bereits in der Romantik um 1800 liegen. Schon die Werke der Romantiker sind nicht nur Abbild des Gesehenen. Bei Caspar David Friedrich wird die Kunst zur Projektionsfläche für das Innenleben und die Gedanken des Künstlers.

Karl Rottmann steigert in seiner Darstellung der Insel Aigina die Lichtphänomene ins Unwirkliche, er erfindet eine imaginäre Naturvision. In einer spektakulären Schau erforscht das Museum diese Entwicklungslinien mit rund 100 Exponaten von C. D. Friedrich über Alfred Kubin, Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner bis Picasso. -gepa

bis 17.2., Kurpfälzisches Museum Heidelberg

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