Zur Kunst- und Galeriensituation in Karlsruhe

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 14.09.2019

Eine Reportage zum „Galerientag“ 2019 von Michaela Mansuroglu.

Was macht Karlsruhe als Standort für Künstler und Galeristen attraktiv? Was fehlt der Karlsruher Kunstwelt noch? Lassen sich künstlerische Vision und wirtschaftliche Interessen vereinbaren? Auch die für uns überraschende Schließung des Artlet Studios im Sommer hat uns veranlasst, uns unter Kunst- und Kulturschaffenden mal näher umzuhören.

Einen tiefgehenden Einblick in den Balanceakt zwischen Kunst und Kunstbetrieb bot bereits das „Nordbecken Festival“ im Juli. Zur Podiumsdiskussion, „Talk Shit Nope“, waren Nikita Milukov (Künstler), Florian Arnold (Philosoph), Stefanie Kleinsorge (Direktorin, Port 25 Mannheim) und Thomas Riegger (Galerist, Meyer Riegger) geladen. Diese unterschiedlichen Perspektiven an einen Tisch versammelt, entwickelte sich die Eingangsfrage „Wo stehen wir in der Geschichte der Kunst?“, rasant zu einer spannenden Diskussionen über Kunst und Kommerz und die Diskrepanzen sowie Chancen ihrer Verbindung. Galerist Riegger griff dabei immer wieder vermittelnd ein: „Was ich in meiner Galerie zeige oder welche Künstler ich begleite, mache ich nicht von Businessplänen oder findigen Vermarktungsstrategien abhängig. Was erfolgreich sein wird oder nicht, lässt sich auch nach 20 Jahren Erfahrung nicht vorhersagen. Am Ende wähle ich die Kunst aus, die mir gefällt. Es ist die Kunst, die mich überzeugen muss und da gehört Risikobereitschaft dazu. Anders würde mir mein Beruf keine Freude bereiten.“

Arnold gab zu bedenken, dass wir in unseren Entscheidungen darüber, was uns gefällt und was nicht, nicht so frei seien, wie wir glauben: „U.a. Social Media suggeriert durch vermeintliche Unmittelbarkeit eine stärkere Demokratisierung und Partizipation am Kunstgeschehen als tatsächlich vorliegt. Hinter diesen Plattformen stecken nicht zuletzt präzise durchkomponierte Marketingstrategien.“ Für Kleinsorge, die sich in Mannheim insbesondere für junge Künstler engagiert, wirkt sich der Wegfall des „Verkaufen-Müssens“ befreiend auf die Auswahl und Konzeptionierung von Ausstellungen aus: „Kunst ist kein Produkt, sondern ein Versuch, der auch scheitern darf. Künstler, die sich z.B. mit großen, installativen sowie kollektiven Arbeiten an der Grenze dessen bewegen, was bis dato als Kunst definiert wurde, tragen zu wichtigen Diskursen bei: Diese Künstler brauchen Raum zur Präsentation und zum Austausch. Für den Betrieb der Galerie erhalte ich von der Stadt Mannheim einen Betrag, der es möglich macht, regelmäßig Ausstellungen zu organisieren, bei denen zwar verkauft werden kann, der Verkauf aber nicht im Fokus steht.“

Diese Freiräume sind es, die auch das aktuelle Programm „Kirchner Hochtief – Evakuiert das Ich-Gebäude“ (Port 25, bis 22.9.) ermöglichen. Neben der erstaunlichen Auseinandersetzungsbereitschaft der Gäste debattierte auch das Publikum im Nordbecken angeregt mit. Beim Thema Frauenquote und den sichtbaren sowie unsichtbaren Machtstrukturen innerhalb des Kunstbetriebs kochten die Emotionen endgültig hoch und es wurde einmal mehr deutlich: Es besteht Rede- und Handlungsbedarf. Nemanja Sarbajic (Künstler) und Hanna Heidt (Künstlerin), die gemeinsam moderierten, freuten sich über den intensiven Austausch, der laut Beate Körner (Leipziger Künstlerin und Aliierte des Nordbecken Ateliers) zu ihrer Zeit in Karlsruhe oft zu kurz kam: „Es ist vieles im Wandel. Dieses neu entfachte Bedürfnis nach Diskursen ermöglicht es einem erst, eine eigene Position zu finden.“ Sarbajic wünscht sich mehr Raum oder, wie er es nennt, „Safe Houses“: „Karlsruhe verfügt mit seiner Kunstakademie, HfG, zahlreichen Museen, Galerien und Offspaces über ein beachtliches kulturelles Portfolio, kann jedoch viele Künstler nicht halten, da bezahlbarer Raum zum freien Arbeiten und Gestalten leider Mangelware ist.“ Kunst als Berufung und Existenzgrundlage bedeutet ein stetiges Ausloten und Neuverhandeln.

Was reizt die Galeristen besonders an den Künstlern, die sie am „Galerientag“ zeigen?

Die Galerie Spektrum präsentiert Andrea Wagner (14.9.-28.10.). „…And The Architect Is Still Facing His Jardin Intérieur“ ist hier Programm, denn Wagner zähmt organische Formen mit den Mitteln der Architektur zu farbenfreudigen Schmuckstücken: Die Synthese aus Gewachsenem und Gebautem erinnert an abstrakte Gartenlandschaften. Galerist Jürgen Eickhoff (Foto: Franz Wamhof) fasziniert an der Amsterdamer Künstlerin, „dass ihre Arbeiten auf ihren inneren Zuständen und Gedankenfolgen basieren. Sie hat ihre ganz persönliche Ausdrucksform gefunden.“ Mit seiner Galerie Spektrum – gegründet 1981 in München gemeinsam mit Marianne Schliwinski – zog es Eickhoff 2018 nach Karlsruhe: „Bislang lag der Schwerpunkt vor allem auf zeitgenössischem Künstler-schmuck. Malerei, Bildhauerei und Installation sollen künftig aber auch noch stärker in den Fokus rücken.“ Und es wird noch ein „besonderes Schmankerl zum ‚Galerientag‘“ geben, einen Katalog mit den Künstlern der Galerie.

In der Galerie Klinger & Me sind Fahar Al-Salihs jüngste Arbeiten der Werkserie „Liaison” zu sehen (Vernissage: Do, 12.9., 20 Uhr, bis 19.10.). Al-Salih erforscht hier das spannungsvolle Zusammenspiel aus Fotografie und Malerei. Was Galeristin Yvonne Hohner am Standort Karlsruhe für einen großen Pluspunkt hält, ist die mittlerweile international etablierte Kunstmesse „art“: „Zudem wurden wir im Galerienverband mit offenen Armen von allen empfangen. Mit unserer parallel laufenden Onlinegalerie Contemp-rent haben wir uns aber auch ein stückweit standortunabhängig gemacht.“ Im Galerieprogramm befinden sich auch Absolventen der Kunstakademie wie Margarita Kopp und Mathis Bauer: „Wir werden auch in Zukunft immer wieder Zeiträume einrichten, wo wir junge Kunst zeigen“. Wofür ihr Sammlerherz derzeit schlägt, hat sie auch verraten: „Für neue Materialien und neue Ideen. So sind bei uns die Mosaikarbeiten aus Industrieschwämmen von Fahar Al-Salih besonders gefragt.“

Mit „Amber Room“ („Bernsteinzimmer“) widmet Meyer Riegger dem schottischen Künstler Scott Myles bereits die vierte Einzelausstellung (14.9-2.11.). Seine Auseinandersetzung mit den materiellen Eigenschaften des Bernsteins, an dem, wie uns Riegger verrät, „den Künstler insbesondere dessen metaphorisch verstandenes Vermögen, Zeit und Geschichte in sich einzuschließen“ fasziniert, finden in Zeichnungen, Siebdrucken und Objekten ihren individuellen Ausdruck. Riegger selbst wiederum reizt an Myles’ Kunst, „die technische Klarheit und Versiertheit, mit der er seine Arbeiten herstellt und präsentiert.“

Mit Andreas Blank und Thaddäus Hüppi kehren zwei bekannte Künstler in die Galerie Knecht und Burster zurück – mit neuen Arbeiten (14.9.-19.10.): Der Steinbildhauer Blank sucht, wie Rita Burster erzählt, „auf allen Erdteilen nach seltenen Steinen, die er anschließend in aufwendigen Arbeitsprozessen bearbeitet und zu stilisierten, täuschend echt wirkenden Alltagsobjekten zusammensetzt“. Hüppis Arbeiten bilden einen spannenden Kontrast: Er bedient sich mit seinen bunten Skulpturen, farbenfrohen Malereien und Installationen, so Burster, „auf seine ganz eigne oftmals ironische Weise nicht nur Elementen der gegenwärtigen Kunst.“ Neben der langjährigen Kooperation mit Alfred Knecht hat Rita Burster 2014 eine eigene Galerie in Berlin gegründet. Um diese Künstler auch im Südwesten präsentieren zu können, eröffnete sie 2018 noch die Dependance Galerie Burster in Karlsruhe. Im Zentrum des Interesses stehen, „junge Positionen: Es besteht eine gute Nähe zur Kunstakademie. Viele der von uns vertretenen Künstler leben im Umkreis Karlsruhes. Das ermöglicht, einen regelmäßigen und intensiven Austausch“, erklärt Burster. Sie zeigt Arbeiten Hirofumi Fujiwaras (14.9.-19.10.). Modelliert in Ton und in Kunststoff gegossen, erschafft er Figuren, die erfüllt von Sehnsucht und Introspektion tatsächlich in „Cosmic Daydreams“ versunken sind.

Der BBK lädt zur Gedächtnisausstellung seines langjährigen Vorsitzenden Harald Herr (1951-2003) ins Künstlerhaus (Eröffnung: 13.9., 19 Uhr, bis 6.10.). Herr, der nach seinem Studium an der Kunstakademie mitunter bei Baselitz als freischaffender Künstler tätigt war, beschäftigte sich in seinen Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken mit Landschaft, Architektur und Stillleben. Sein kulturelles Engagement scheint in seinen intimen Stadtansichten Karlsruhes, die von einem starken persönlichen Bezug zeugen, nachzuklingen. Unter „Neues Testverfahren“ präsentiert die Neue Kunst Gallery die Emaillebilder, Objekte, Gemälde und Zeichnungen von Pop-Art-Künstler Moritz Götze (Eröffnung: Fr, 13.9., 19.30 Uhr, bis 26.10.). Die Galerie Rottloff präsentiert Sabine Funke mit „Wie gemalt“ (Sa, 14.9., 16 Uhr, Rede von Dr. Susannah Cremer-Bermbach, bis 18.10.). In geometrische Formen gebannt wird die Farbe auf Funkes Bildern selbst zum Gegenstand ihrer Malerei. Maritime Impressionen werden in der Galerie Schrade mit den Küsten- und Meereslandschaften Lars Möllers geboten (14.9.-19.10.).

Auch in den Offspaces gibt es beim „Galerientag“ viel zu entdecken

Wie groß der Bedarf nach Raum für künstlerisches Arbeiten und Austauschen ist, haben die Gründer des Projektraum Mold erkannt: Im Hinterhaus der Augartenstr. 6 verbirgt sich der Arbeits- und Projektraum, den die Künstler Alexander Blum, Nina Laaf, Aleschija Seibt, Sebastian Wiemer und Verena Wippenbeck 2018 eröffnet haben. Mit dem Ziel einer besseren Vernetzung wird Mold als Präsentationsplattform für Kunst- und Kulturschaffende sowie für den kulturellen Diskurs vor Ort genutzt. Mit Elke Dreiers Arbeiten präsentiert Mold (Eröffnung: 14.9., 14 Uhr, bis 15.9.) eine Künstlerin, die sich in ihren Videoinstallationen dem Thema Körper und Bewegung im Kontext einer sich rasant wandelnden digitalisierten Welt widmet. Mit ihrer eigens für Mold entwickelten Klangperformance versorgt Julia Naumtsik alias Lintu das Publikum ab 16.30 Uhr mit kosmischen Sounds. Im Anschluss wird beim Lecture Talk mit Elke Dreier und Tine Voecks über das Thema „Künstlerische Selbstorganisation und Selbstpositionierung“ gesprochen (18 Uhr).

Und auch das Rudolf 5 lädt zu einem Tag der offenen Tür: Bei Pizza- und Barbetrieb können die Atelieres, Bastel- und Tüftelräume des Kreativhofes besichtigt werden. Zu sehen gibt es Malerei von Anja Kugele – sie wird live porträtieren. Djoana sorgt ab 20 Uhr mit feinstem Elektro für einen gemütlichen Ausklang (14.9., 14-22 Uhr). Anlässlich des „Galerientags“ kooperieren das ßpace und Theartape miteinander: Tenki Hiramatsu und Santiago Ydáñez werden mit jeweils einer Arbeit in beiden Locations präsentiert (Vernissage: 14.9., 15 Uhr, weitere ÖZ auf Anfrage). Ob die Kartografie der Natur, des menschlichen Gesichts oder der Psyche – die Vielfalt spannender „Gebiete“ kennt hier keine Grenzen und wird von Ydáñez und Hiramatsu zum Forschungsfeld der Kunst erklärt.

Die Poly Produzentengalerie zeigt Gemälde und Zeichnungen Ingrid von Haefens (Vernissage: 14.9., 19-21 Uhr, bis 6.10.). Haefens Motive sind Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gewidmet. Im V8 sind unter „Das Ziel weit genug vor Augen“ die Arbeiten von Jan Schmidt zu sehen (Vernissage: 13.9., 19 Uhr; 14.9., 15-20 Uhr, bis 17.9.). Ob Tuschezeichnung, Videoinstallation oder Bronzeguss – Schmidt arbeitet mit verschiedenen Medien, unterschiedlichen Materialen, Strukturen und Texturen. Ebenfalls mit von der Partie ist das Nordbecken Atelier: Bastian Börsig, Alex Feuerstein, Constanze Zacharias, Nemanja Sarbajic und Special Guest Robert Loos laden zu einem Besuch in die Open Studios, wo ihre Malerei und Zeichnungen zu sehen sein werden. (Vernissage: 14.9., 15-22 Uhr).

Unter dem Titel „Seduction In Blue, White And Pink“ präsentiert das Kulturzentrum Tempel die Arbeiten Lucia Mattes’ (Vernissage: Mi, 2.10., 19 Uhr, Live-Elektro von Lintu, 21 Uhr, ÖZ auf Anfrage, bis 18.10.): Über das Zustandekommen dieser Ausstellung konnte uns Claudia Teichmann Genaueres berichten: „Das Kulturzentrum Tempel hat Räumlichkeiten zur Zwischennutzung für ein Kunstprojekt zur Verfügung gestellt. Als Initiatorin des Vorhabens und Mitarbeiterin des Tempels habe ich die Kulturschaffenden Malte Pawelczyk und Lisa Bergmann eingeladen, um ein Konzept zu entwickeln. Nachfolgend starteten wir eine Ausschreibung im Rahmen unseres „Kunst und Büro“-Projekts.“

Wie sich die veränderten Arbeitsbedingungen auf künstlerisches Arbeiten auswirken und welchen Einfluss dabei der Druck unmittelbarer Wertschöpfung auf Kunst hat, sind die Themen, mit denen sie sich kritisch auseinandersetzen. Der Dreh- und Angelpunkt ihres Engagements ist das Verhältnis zwischen Raumbedarf und Kreativwirtschaft. Pawelczyk, der gemeinsam mit Bergmann die kuratorische Betreuung übernommen hat, ergänzt: „Wir haben Lucia Mattes ausgewählt, weil wir u.a. fanden, dass ihr Konzept gut auf die Räume eingeht.“ Mit ihren raumbezogenen Installationen erscheinen künstlerische Arbeit und Bürolandschaft in einer Synthese. Zur Eröffnung werden Mattes und Malte Römer eine Performance zum Besten geben. „Wir hoffen, künftig noch weitere Konzepte dieser Art umsetzen zu können“, so Pawelczyk.

Auch hier sind wieder Kunst, Raum und Finanzierbarkeit Thema und Triebfeder zugleich und verdeutlichen, wie sehr diese drei Größen in der Kunst- und Galerienwelt miteinander zusammenhängen. So musste jüngst eine so engagierte Galerie wie das Artlet Studio in Karlsruhe schließen: Während sich dort beim vergangenen „Galerientag“ regelrechte Besucherschlangen vor den Exponaten bildeten, blieben Verkäufe aus. Verblüffend, denn zu sehen war Publikumsmagnet Dominik Schmitt, der sich andernorts über ebenfalls viel Publikum, aber auch über ausverkaufte Ausstellungen freuen darf. Mehr zu den Beweggründen der Schließung in der Stellungnahme von Artlet-Galerist Peter Weyden. -mic

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