Die Künstlerin hinter dem Cover: Stephanie Abben

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 11.02.2020

Farbtropfen, Flecken, Abdrücke von Schüsselböden – was aussieht wie die Unterlage eines Malertisches ist genau das.

Anstatt ihre Kompositionen auf eine weiße, unbefleckte Leinwand zu malen, kehrt Stephanie Abben den Arbeitsprozess um: Für die jüngsten Arbeiten spannt sie die Leinwand ab und nutzt sie als Unterlage für das Anrühren der Farben. Später wird diese Leinwand mit allen dabei entstandenen Farbstrukturen dann zur Grundlage eines neuen Gemäldes. Nicht die Künstlerin schafft eine Komposition auf leerer Fläche, sondern aus dem benutzen Material selbst entsteht etwas Intuitives und sehr Persönliches. So wird etwa aus dem Farbgewirr in „Under The Bridge III“, dem Covermotiv dieser INKA-Ausgabe, eine Flusslandschaft. Mit wenigen Strichen ergänzt Abben eine marode Brücke, die Farbkleckse werden zur Uferböschung. Voller Blumen? Voller Müll?

Aus kräftigen, leuchtenden Farben entstehen Bildräume, die irgendwo zwischen Landschaftsansichten und abstrakten Farbgewimmel changieren. Die Farben und Texturen ziehen an und sind schön anzuschauen – nur um auf den zweiten Blick zu irritieren. Die gegenständlichen Motive, die oft nur angedeutet werden, sind weniger schön: ärmliche Unterstände, verfallene Hütten, eine nackte Matratze. „Ich spiele mit den Erwartungen an ein schönes Bild – eine vermeintlich schöne Landschaftsmalerei entpuppt sich dann etwa als Schlachtfeld einer Naturkatastrophe“, sagte Stephanie Abben einmal in einem Interview.

Die Karlsruher Künstlerin, 1976 in Düsseldorf geboren und nach einem Studium an der Ruhr-Universität Bochum und der Kunstakademie Karlsruhe hier heimisch geworden, kommt von der Landschaftsmalerei. Oder besser gesagt, wenn es den Begriff denn gäbe, von der „Ort-Malerei“: Abben spürt Orte auf, räumliche Situationen, wie es sie überall geben könnte und untersucht, wie sich der Mensch in der Natur einrichtet und mit ihr umgeht.

Aus einem großen ökologischen Bewusstsein heraus sammelt sie visuelle Spuren des menschlichen Einwirkens auf die Natur: Hütten, Brücken, Unterstände tauchen prototypenhaft in ihren Gemälden auf. Menschen hingegen sind nie zu sehen. Der Betrachter sieht sich mit sich selbst konfrontiert: „Wie wollen wir leben?“, ist eine Frage, die die Künstlerin laut und deutlich immer wieder stellt. „Anders als früher werden Ansätze wie die von Stephanie Abben heute nicht mehr als gutmenschliche politische Korrektheit belächelt, sondern auch von Kunstfreunden des guten Geschmacks als erstzunehmendes Engagement wahrgenommen“, befindet etwa ihr Galerist Mario Strzelski.

Die Gemälde fordern den Betrachter heraus, nicht bei der schnellen, direkten und oberflächlichen Sicht, wie man sie aus Massenmedien und sozialen Netzwerke gewöhnt ist, stehenzubleiben: „Die Bereitschaft, genauer hinzusehen, wird von der Malerei erhöht und ebenso die Bereitschaft, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Die Illusion von Gegenstand und Schönheit wird somit doppelt aufgehoben, weil es letztlich nur Farbmaterie ist“, erläutert die Künstlerin. Hinzu tritt die Frage nach dem „Wie sehen wir, was wir sehen?“. Warum sucht unser Blick unwillkürlich nach vertrauten Formen, in denen er etwas zu erkennen, einzuordnen, zu verstehen vermag?

Stephanie Abben, durch und durch Malerin, spürt diesen Fragen künstlerisch nach. Ihre Werke entstehen bewusst im Arbeitsprozess. Sie übermalt, lässt Flächen freistehen, spielt auf der Klaviatur des Farbauftrags, dichte Schichten stehen neben zarten, durchschimmernden Flächen. Die Ölfarbe tropft, zieht Schlieren, trocknet rissig und gewollt fehlerhaft. So entstehen abstrakte Formen und Oberflächenstrukturen, zu denen sich gegenständliche Elemente gesellen. Bemalte und damit sichtbare Bildbereiche stehen neben nicht bemalten, leeren Flächen. Dadurch scheinen die Szenerien wie herausgerissene Momente vor dem Hintergrund zu schweben. Das Sehen wird damit zur Entdeckungsreise – ins Bild ebenso wie zu sich selbst.

Nach der gerade erst zu Ende gegangenen, von den „Stuttgarter Nachrichten“ als „sinnlich, wild und politisch besorgt“ gelobten „Glimmer“-Ausstellung in der Strzelski Galerie sind weitere Arbeiten aus derselben Serie von Stephanie Abben aktuell in der Karlsruher Südstadt-Galerie Klinger & Me („Früher war mehr Lametta“, bis 22.2., s. sep. Text) zu sehen, dann stellt sie zusammen mit Tomomi Morishima in einer Dialogshow beim Kunstverein Speyer („On The Edge“, 22.3.-3.5.) aus. Die nächste Einzelschau gibt es Mitte September in der Heidelberger Galerie P13, an deren Stand sie wie auch von Klinger & Me auf der „art Karlsruhe“ präsentiert wird. -sk

Früher war mehr Lametta: bis 22.2., Galerie Klinger & Me, Marienstr. 12, Karlsruhe; art Karlsruhe: 13.-16.2.; Dialogshow „On The Edge“ mit Tomomi Morishima: Vernissage So, 22.3., 11 Uhr , bis 3.5., Kunstverein Speyer, www.stephanieabben.de

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