Das Fest 2012

Popkultur // Artikel vom 12.06.2012

Die Katze im Sack kauft keiner gern.

Auch wenn sie nur fünf Kröten kostet. Und wer auf Kante genäht kalkulieren muss, braucht Planungssicherheit. Wobei es nicht an der (durch die Künstleragenturen verordneten) Häppchentaktik gelegen hat, dass man mit 119.000 abgesetzten Tickets vergangenes Jahr unter Soll lag. Die Wetterkapriolen machten dem Karlsruher „Fest“ wie schon 2010 einen fetten Strich durch die Rechnung; allein nach dem Schlammschlacht-Regenfreitag mussten 60 Tonnen Sand her, um den durchweichten Rasen vor dem Absaufen zu bewahren.

Bilanz 2011: ein Minus von rund 180.000 Euro. Doch der gemeinderätliche Hauptausschuss sicherte der Fest GmbH die Liquidität und deren äußerst erfolgreich nachbessernde Organisatoren haben im Jahr drei nach „Umsonst und draußen“ schon zum VVK-Start erstmals das komplette Hauptbühnen-Programm für „Das Fest“ von Fr-So, 20.-22.7. preisgegeben.

Die Hauptbühne
Vor dem Mount Klotz eröffnen die regionalen Bands Spoonhead (Fr, 17 Uhr, Stoner Rock) aus Karlsruhe und als Sieger des new.bands.festival die Gaggenauer The Curving Path (Fr, 18 Uhr, Hard Rock/Post-Rock), bevor Industrial Drums (Fr, 19.15 Uhr) unter der Regie von Performance-Künstler Enno-Ilka Uhde an Giant-Taiko-Trommeln mit einer eigenen „Fest“-Choreografie den offiziellen Auftakt schlagen. Die Eifel-Emo-Punker Jupiter Jones (Fr, 19.30 Uhr), jüngst für ihr empfindsames Stück „Still“ mit dem Radio-„Echo“ ausgezeichnet, bereiten als Co-Headliner die Bühne für die britischen Retro-Rocker Maximo Park (Fr, 21.30 Uhr).

Tags drauf gibt’s erstmal einen ordentlichen Blowjob der Pforzheimer Trompetenpunker Yakuzi (Sa, 15.30 Uhr), gefolgt von echter Schrottmusik: Christian Gschwend und Kay Rauber bilden das Schweizer Percussion-Duo Bubble Beatz (Sa, 17.30 Uhr). Die Fässerfetischisten fabrizieren ihre Müllodien zu (Tech-)House, Industrial, Drum’n’Bass, Big Beat, Two Step, Latin und Funk auf Bauschutt, Alteisen und sonstigem Unrat. Hammer Show! Im Anschluss: der 2010 noch auf der Zeltbühne rappende „Echo“-Preisträger Casper (Sa, 19 Uhr). Dank dem vergoldeten Zweitwerk „XOXO“ ist der Bielefelder zu einem der wichtigsten deutschen Rapper aufgestiegen, mit dem sich die intellektuellen Sprechgesangkopfnicker ebenso anfreunden können wie Berliner Aggro-Proleten. Weil die „Rebellion eines Heiseren“ (wie’s die Popkultur-Postille „Spex“ betitelt hat) HipHop ebenso gut mit Hamburger Schule wie Crunk oder Drone Doom übereinbringt.

Der Abschuss: die Krawall-und-Remmidemmi-Elektro-HipHopper Deichkind (Sa, 21 Uhr). Ihre Kostüme aus Müllsack, Klebeband und Knicklicht toppen Philipp Grütering, Ferris MC und Sebastian Dürre mit pyramidenförmigen Kopfbedeckungen, während man sich neben der obligatorischen Bierdusche auf Hüpfburg, Trampolin, Schlauchboot und Hackfleisch gefasst machen muss. Den Abend beschließt nach 2010 bereits zum zweiten Mal das Komplettkontrastprogramm der Monsters Of Liedermaching (Sa, 23 Uhr) mit ihrer Nach(t)sitzpogo-Party: Was die Wandergitarren-Community bestehend aus Rüdiger Bierhorst, dem Flotten Totten, Labörnski, Fred Timm, Pensen und dem ehemaligen Schröders-Frontmann Burger abliefert, bleibt in Sachen Dezibel überschaubar, ist aber nicht nur auf Clubbühnen, sondern auch open air ein Bringer!

Noch etwas ruhiger tönt es traditionsgemäß am darauffolgenden Morgen beim „Klassikfrühstück“ (So, 10.30 Uhr), wenn das „Fest“-Orchester Werke von Vivaldi, Händel und Johann Strauß anstimmt. Anschließend geht es musikalisch-theatralisch weiter: In Kooperation mit dem Badischen Staatstheater wird ein eigens zusammengestellter Auszug des Musikalienzirkus’ „Dylan – The Times They Are A-Changin’“ (So, 13 Uhr) aufgeführt. Mr. Moto (So, 14.30 Uhr) legen energetischen Indie-Rock auf elektronischen Beats nach, und mit den Bruchsalern Phil (So, 16 Uhr) um den seinem Vorbild optisch und stimmlich zum Verwechseln ähnlichen Sänger Jürgen Mayer kommt eine der authentischsten Collins- und Genesis-Tribute-Bands. Der amerikanische Rhythm’n’Blues- und Jazz-Musiker Trombone Shorty (So, 17.30 Uhr) beweist sich hinterher als ebenso virtuoser Posaunist wie brillanter Trompeter – und Stimme hat er obendrein.

Dann lebt die Spontaneität richtig auf: In bester „Spirit Of The Greedy Bunch“-Tradition präsentieren vier Karlsruher den „Fest-Summerjam“ (So, 19 Uhr). The Curbside Prophets holen sich für ihre Surf-Rock-Reggae-Cover namhafte Gastkünstler wie „The Voice“-Finalist Max Giesinger, Kosho oder Patrice-Dancehaller Laygwan Sharkie ins Boot. Ebenfalls im „Flätrate“-Paket: Culcha Candela (So, 21 Uhr). Die 2006 noch so ambitionierten Weltverbesserer drohen beim dritten „Fest“-Auftritt den Hügel mit stampfigen Eurobeats und Halbplayback zu plätten. Je Festivaltag ist für das Programm auf der Hauptbühne ein Fünf-Euro-Ticket fällig.

Die Zeltbühne
Auf der kostenlos zugänglichen Zeltbühne starten Die Zwei (Fr, 16 Uhr), Gewinner des „Mashody“-Contests „Rap gegen Gewalt“. Nach dem Freestyle Battle (Fr, 16.30 Uhr) übernehmen zuerst Wurzlzapp von den Schwarzwald Huzzlahzz und BMC das Mic (Fr, 18.15 Uhr), dann sind ihre Offenburger Nachbarn P-Vers & Claudio dran (Fr, 19.15 Uhr). Noch mehr Deutsch-Rap kommt von Ex-Ruhrpott AGler Aphroe (Fr, 20.30 Uhr), für den Mirko Machine an den Turntables scratcht, bevor die Hannoveraner Transmitter (Fr, 22.30 Uhr) ihre audio-visuelle Liveshow mit Electronica, HipHop und Rock abfeiern. Am Folgetag geben die Karlsruher Rocker Honey Blonde (Sa, 16.30 Uhr) den Stilrichtungswechsel vor, Stereodrama (Sa, 17.45 Uhr) aus Rheinstetten steuern noch einen Schwung Dance bei.

Das Synthcore-Sextett Most Wanted Monster (Sa, 19 Uhr) stimmt dann schon mal auf die australische Hardcore-Truppe Deez Nuts (Sa, 20.15 Uhr) ein, und der Bremer Soulman Flo Mega (Sa, 22 Uhr) startet nach der Jubez-Pleite im Herbst einen zweiten Versuch, in Karlsruhe sein verdientes Publikum zu bekommen. Die Gewinnergruppen des 15. Karlsruher Street-Dance-Contests unterhalten mit Moves und Choreografien bei „Best Of The Show“ (So, 13 Uhr). Nach Blue Cover (So, 15 Uhr) sorgt die Karaoke-Einlage „Begnadigte Stimmen“ (So, 15.30 Uhr) für Belustigung. Otto Normal (So, 17.45 Uhr) aus Freiburg freestylen zwischen Rap, Punk, Disco und Funk. Und jetzt wird’s wehmütig: Station auf ihrer Abschiedstournee macht das in Auflösung begriffene Spacerock-Duo „Urlaub in Polen“ (So, 19 Uhr) aka Georg Brenner und Philipp Janzen, die auf Live-Instrumentarium und Rechnergeneriertem ihre Geräuschwände aus Rock, Noise und Electro hochziehen. Den Kehraus verkünden die Urban Brasser Moop Mama (So, 21 Uhr) mit megafonisiertem Sprechgesang.

Die DJ-Bühne
Vor dem im kostenlosen Geländeabschnitt gelegenen Open-Air-Dancefloor darf mit Ron Declayr (Fr, 19 Uhr, Vocal House/Clubhouse) der „Mashody“-Gewinner des DJ-Contests loslegen. Bei „Phonosoul meets Ganja Riddim“ (Fr, 20 Uhr) treffen Dubstep und Roots-Reggae aufeinander; Got Wax (Fr, 21 Uhr) spannt die Leine von Chicago House über Detroit Techno bis hin zu deepem Dub-Techno, und Gerd Janson (Fr, 22 Uhr) hostet sonst als Resident des Offenbacher Clubs Robert Johnson die housigen „Liquid“-Nächte. Rufus „Remark“ Grimes (Sa, 18 Uhr) ist ein Instrumentalmusiker, der Jazz mit HipHop und Funk, natürlichen Geräuschen und synthetischen Klängen mixt; Fabian Huismans (Sa, 19 Uhr) gehört zu den Newcomern der hiesigen House- und Techno-Szene, während die melodischen Frickeleien von Redlock & Friday Dunard (Sa, 20 Uhr) durch ihre „Kabelkraut“-Partys in Karlsruhe bestens bekannt sind.

Peter Clamat (Sa, 21 Uhr), Gründer des Labels Big Bait Record, präsentiert House Music live; Benny Landhäusers und Ivo Gatzmangas Wohnstubendisko (Sa, 22 Uhr) ist die Heimat von minimalistischem House; Miss Minimilk (Sa, 23 Uhr) genießt einen Ruf als ausgewiesene Spezialistin für Drum’n’Bass, House und Quer-Beat-Mixes. Nach Fetz Brema (So, 18 Uhr), dem Beat-Bastler des Karlsruher Elektro-Kraut-Power-Pop-Trios FÅK, housen Mr. Slinkov (So, 19 Uhr) und die als Kavaliersdelikt (So, 20 Uhr) auffällig gewordenen Florian Egin und Bris Lee Ber; Hendrik Vogels Ambient-Duo Nugath (So, 21 Uhr) spielt noch mit Deep House, Funk und Soul, damit Szenen-Altmeister Lego (So, 22 Uhr) den Deckel auf die Freiluft-Elektro-Sause machen kann.

Die Kulturbühne
Die Kleinkunstbühne zieht als Kulturbühne vom Hügel- in den kostenfreien Kinder- und Familienbereich nahe des Anna-Walch-Hauses. Zu sehen gibt’s hier das Mitmach-Figuren-Theater des Kinderzirkus Sauseblau (Fr, 17 Uhr), Zauberer Mikas Telepathie- und Hypnose-Show (Fr, 19 Uhr), Musikkabarett mit Frau Antje und Ukulele (Fr, 20.15 Uhr) sowie die Feuer-Licht-Show von Dirk Bastian (Fr, 21.30 Uhr), der auch sein Varieté-Jonglier-Programm (Sa, 18 Uhr) eingepackt hat. Nach der Kindervorstellung mit Dave Domino „Im Zauberladen“ (Sa, 14 Uhr) nimmt Ania Losinger (Sa, 15 Uhr) ihr Xala-Instrument samt Kids auf Klangreise; eine Stunde später tanzt die Schweizerin auch für Erwachsene mit mannshohen Stäben über die 24 Klangkörper.

Sein „Holzfeuerwerk“ (Sa, 19.30 Uhr) zündet Puppenspieler Hans Krüger, dann gibt’s die Musikkabarettkasper Ines Fleiwa und Cordula Zwischenfisch von „der bekannten Band“ Zärtlichkeiten mit Freunden (Sa, 21 Uhr). Zwischen den Auftritten von Blumendesigner Frederic Power (So, 13.30 u. 15.45 Uhr) hält die Mitmach-Tanz-Performance „Rock den Rasen“ (So, 14 Uhr) Kinder auf Trab, dann kommt der Berliner Comiczeichner Philip Tägert mit seiner zweiteiligen „Fil & Sharkey Show“ (So, 15 u. 16.15 Uhr). Comedian David Werker (So, 17.30 Uhr) erzählt aus seinem Programm „Morgens 15:30 Uhr in Deutschland“, und auch die Whoopee Band (So, 19.30 u. 21 Uhr) aus London verteilt ihr musikalisches „Tribute To Monty Python“ auf zwei Parts. Zu Walk-Act-Intermezzos kommt es derweil am Karl-Wolf-Weg und auf der Wilhelm-Baur-Straße bei „Der blaue Riese“ (Fr, 19 Uhr) und „Sternenglück“ (Sa, 21 Uhr).

Die Kulturoase
Anstelle der Kleinkunstbühne wird im Hügelbereich die Kulturoase eingerichtet, um lokalen Gruppen eine Vorstellungsmöglichkeit zu bieten. Angefangen bei den Fun Tappers (Sa, 15 Uhr), die eine stepptänzerische Fuß-Schlagzeug-Performance vorbereitet haben, hauen die XXL Drumming Kids (Sa, 18.30 Uhr) von Peter Heidler zwischen den Rock’n’Roll-Shows der Golden Fifties (Sa, 17 Uhr u. So, 14.15 Uhr) auf die Pauke. Die Freestyle- und Schautanzformation Thundersox (Sa, 20.30 Uhr) lässt es beim „Firedance“ qualmen; es folgt ein nicht minder heißer Casting-Show-Auftritt unterm Motto „Feuer und Flamme für Das Fest“ (Sa, 22.30 Uhr).

Die Modern Dancer von Patricia Wolf (So, 15.30 Uhr) performen, dann steht mit Kauri (So, 17.15 Uhr) der Freundeskreis für westafrikanische Musik und Tanz auf der Oasen-Bühne. „Salsamazing“ heißt der Programmpunkt der Salsa-Formation des Tanzsportvereins Astoria (So, 18.40 Uhr). Das Finale gehört Siempre Tango (So, 20.40 Uhr) und „The Spirit Of Tango Argentino“.

Der „Fest Cup“
Der seit 2004 veranstaltete „Fest Cup“ bekommt mit dem Areal rund um die Europahalle und das Europabad einen neuen Austragungsort. Das Ziel: den bisher am anderen Ende der Klotze zusammengefassten Sport- und Familienbereich zu entzerren. Abermals aufgestellt wird hier die von regionalen Streetartists verschönerte Graffiti Wall, während auf der Miniramp die drei Tage dauernde Skateboard- und BMX-Challenge stattfindet. Der wiedererwachten Longboard-Szene widmet Titus Karlsruhe dieses Jahr einen eigenen Bereich. Zum zweiten Mal Station macht der „Fingerboard Cup“, bei dem die Teilnehmer für die Deutsche Meisterschaft punkten können. Und nach 2009 erneut losgelassen werden Freerunner und Traceure, die bei Le Parkour jedes Hindernis kreativ-elegant zu nehmen wissen. Der neue Trendsport heißt Sporthocker und kombiniert ungebremsten urbanen Bewegungsdrang mit dem artfremden Einsatz eines Sitzmöbels.

Die Cafébühne
Zur Einstimmung aufs Festivalwochenende spielen in der Vorwoche von Sa-Do, 14.-19.7. regionale Bands beim „Vor-Fest“. Angekündigt sind das Piano-Duo Benny & Joyce (Sa, 18.30 Uhr), Peter Götzmann’s Jazz Hop Rhythm (Sa, 21 Uhr), die Alphorn-Crossover-Performance „Alpenwahn“ (So, 11 Uhr), die Kons-Combo und das Percussion Ensemble des Badischen Konservatoriums (So, 14 Uhr), die KIT Big Band (So, 16 Uhr), Die Dudes feat. Pedro Weiss (So, 19 Uhr), die Capband (So, 21 Uhr, Soul/R’n’B/Funk), Antje Schumacher und ihre Nina-Hagen-Tribute-Formation Heiss (Mo, 19 Uhr), das Soulcafé (Mo, 21 Uhr) des Jazzclubs, der Mannheimer Pop-Gitarrist Jonas Knopf (Di, 19 Uhr), das Mumuvitch Disko Orkestar (Di, 21 Uhr, Balkan Brass), Karlsruhes Uhrensohn Tom Boller (Mi, 19 Uhr, Singer/Songwriter), Perry O’Parson (Mi, 19.40 Uhr, Neo-Folk), die rock’n’rollenden Reindeers (Mi, 21 Uhr), die Jugendorchester aus Karlsruhe und seinen Partnerstädten Halle, Krasnodar und Temeswar (Do, 19 Uhr) sowie Bluesmama feat. Sandy Campos (Do, 21 Uhr). -pat

Fr-So, 20.-22.7., Günther-Klotz-Anlage, Karlsruhe
www.dasfest.de
www.festcup.com

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 8 plus 3.

WEITERE POPKULTUR-ARTIKEL