5. Karlsruher Wochen gegen Rassismus
Stadtleben // Artikel vom 13.03.2017
Feige Angriffe auf das Barrio 137, den Stadtteilladen der Sozialistischen Jugend Die Falken, und ein ebenso entglastes Panorama-Vereinsheim P8 – beides mutmaßlich auf deren Engagement gegen Hetze, Rassismus und Diskriminierung zurückzuführen – sind die jüngsten lokalen Auswüchse des auch in Karlsruhe spürbaren Rechtsrucks, der seine hässliche Fratze demokratisch legitimiert seit zwei Jahren bei den unerträglichen Braunhirndemos am Stephanplatz zur Schau stellen darf.
Das Gedankengut der Ewiggestrigen kontert die Stadt mit ihren fünften „Wochen gegen Rassismus“ unter dem Motto „Für eine offene Gesellschaft“ und einem meist kostenlosen Programm aus Vorträgen, Diskussionen und Workshops, Filmen, Theater, Konzerten, Ausstellungen und Begegnungsveranstaltungen.
Vorträge & Diskussionen
Wie tief rechtsextreme Gesinnungen in die Gesellschaft hineinreichen, zeigt die jüngste Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Gespaltene Mitte – Feindselige Zustände“ (Do, 16.3., 19 Uhr, Tollhaus). Aber „Was tun gegen Hass, Diskriminierung und rechte Parolen“ (Fr, 24.3., 18 Uhr, Ständehaussaal)? Die Antwort liefert Martin Becher vom Bayerischen Bündnis für Toleranz. Am „Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung“ erläutert Psychologe Georg Rammer den Zusammenhang zwischen wirtschaftlich-politischen Ideologien und seelischen Mechanismen, die Menschen zu Rassisten machen (Di, 21.3., 19.30 Uhr, IBZ). Ressentiments auf Knopfdruck erzeugen kann Trainer Jürgen Schlicher, der im Anschluss an die Workshop-Doku „Der Rassist in uns“ (Di, 14.3., 17 Uhr, Tollhaus) ab 19.30 Uhr über seine Arbeit berichtet. Parallelen von der Vergangenheit bis zu Hate Speech und Fake News ziehen Andrea Hoffend und Andreas Schulz vom „Lernort Zivilcourage & Widerstand“ in „Alles nur Geschichte“ (Mi, 15.3., 19 Uhr, DGB-Haus). Wieso selbst der Antifaschismus der SED „Rassismus und Neonazismus in der DDR“ (Sa, 18.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal) nicht unterbinden konnte, weiß Historiker Harry Waibel. Ob „Serbien – ein sicheres Herkunftsland für Sinti und Roma?“ (Do, 23.3., 19 Uhr, Ständehaussaal) ist, hat Udo Dreutler auf einer mitgedrehten Studienreise erfahren, deren Dokumentation hier erstmals gezeigt wird, während Jovica Arvanitelli, Leiter der Beratungsstelle für nicht-deutsche Roma in Mannheim, über die dort gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse berichtet. Gedanken über die Wiederkehr von Grenzen in Zeiten der Globalisierung macht sich Politikwissenschaftler Dustin Dehéz, der Trumps „Ressentiments und Sprache im US-Wahlkampf“ (Di, 14.3., 19 Uhr, Ständehaussaal) demaskiert. Die muslimische Frauenorganisation Lajna Imaillah will mit „Was denkt der Kopf unter dem Tuch?“ (Do, 20.3., 18.30 Uhr, Ahmadiyya-Gemeinde) die Angst vor dem Unbekannten nehmen. Auch das Thema Flucht steht nach wie vor im Fokus: Dolmetscherin Maria-Eugenia Lüttmann Valencia macht deshalb noch einmal deutlich, warum Menschen fliehen (Sa, 25.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal). Nach einem Vortrag von SWR-Journalistin Carmen Colinas diskutieren u.a. BNN-Lokalredaktionsleiter Theo Westermann und ka-news.de-Geschäftsführer Felix Neubüser („Medien, Sprache und Rassismus“, Mo, 20.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal). Zwischen rechtem Rand und extremer Rechte recherchiert hat Andreas Hensel, der bei „Gegen Nazi-Demonstrationen in Karlsruhe!“ (Fr, 17.3., 19 Uhr, IBZ) über die Brisanz des 3.6. aufklärt, wenn Karlsruhe am „Tag der deutschen Zukunft“ einer der größten Aufmärsche mit bis zu 1.000 Nazis bevorsteht. Oberstes Ziel des veranstaltenden Netzwerks gegen Rechts: einen breit angelegten Protest zu mobilisieren.
Filme
Fluchtgründe und Integrationshemmnisse zeigt „Stepping Forward – Eine Welt in Bewegung“ (Di, 14.3., 19 Uhr, IBZ); uraufgeführt wird der eigens für die „Wochen gegen Rassismus“ erarbeitete Kurzfilm „Ich bin hier! Angekommen?“ (Fr, 17.3., 17 Uhr, Ständehaussaal), in dem Karlsruher Schüler und Flüchtlinge zusammentreffen, und Isis Chi Gambatté lässt bei der Premiere ihrer Doku „Deutschland. Deutschland?“ (Mi, 15.3., 19.30 Uhr, Rathaus am Marktplatz) unbegleitete minderjährige Emigranten zu Wort kommen. Der im Kino anlaufende „Alles gut“ (So, 26.3., 19.15 Uhr, Die Kurbel) von Autorenfilmerin Pia Lenz begleitet zwei Flüchtlingskinder aus Mazedonien und Syrien ein Jahr lang in ihrem neuen Leben und die Reihe „Kino ohne Grenzen“ zeigt den Spielfilm „Zero Deal – Ogugwa Igwe“ (So, 19.3., 17 Uhr, Die Kurbel) über einen jungen Nigerianer, der unter dem Erwartungsdruck der Familie nach Deutschland kommt, um Profifußballer zu werden. Als Metafilm über das Filmemachen, Medienbilder und die Stereotype von Roma-Familien präsentiert sich „And-Ek Ghes...“ (Do, 23.3., 19 Uhr, Kinemathek). In „What Our Fathers Did – A Nazi Legacy“ (Di, 21.3., 19 Uhr, Kinemathek) kreuzen sich zuerst die Wege der Nachfahren von Opfern und Tätern, dann besteht Gelegenheit zum Gespräch mit Geschichts-Professor Rolf-Ulrich Kunze vom KIT. Der Dokufilm „Zeit für Zeugen“, eine Hommage an die antifaschistischen Widerstandskämpfer Ettie und Peter Gingold, bildet den Einstieg in eine Diskussion, die sich am Mi, 22.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal ebenfalls gegen den Nazi-Großaufmarsch am 3.6. positioniert.
Konzerte
„In 80 Tönen um die Welt“ (Di, 14.3., 10 Uhr, Stadtteilbibliothek Durlach; Mi, 15.3., 10.15 Uhr, Kinder- und Jugendbibliothek im Prinz-Max-Palais) reisen Kids ab vier beim Mitmachkonzert von Sound-Collagist Hartmut Höfele; das Forum Freie Musik sensibilisiert mit Adnan Beyaziz (Oud) anhand von „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ und anderer vertonter deutscher Kinderreime aus den 50ern und 60ern für Alltagsdiskriminierung („C.A.F.F.E.E.“, Fr, 17.3., 19 Uhr, AWO Begegnungsstätte Irma Zöller). Und beim „Festival gegen Rassismus“ (Sa, 18.3., 20 Uhr, Substage-Café) machen die Karlsruher Sorry For Escalating (Pop-Punk/Punkrock/Hardcore) und Stereodrama (Dance Rock) mit den Pforzheimern Quota (Rock/Alternative) eine deutlich vernehmbare Ansage.
Bühne
Über Aladdin und Aschenputtel führt der Tiyatro Dialog bei „Orient trifft Okzident in Märchengestalt“ (Sa, 18.3., 20 Uhr, IBZ) die Erzählungen aus „Tausendundeiner Nacht“ mit europäischen Märchen zusammen. Komplett auf Türkisch gehalten ist „Deli Deli Tepeli!“ (Sa, 25.3., 19.30 Uhr, Studentisches Kulturzentrum), das zum Verrücktsein auffordernde neue Stück der Theaterfabrik Ankara. Und die Badische Landesbühne zeigt die Bühnenfassung des von Semiya Simsek, Tochter des ersten NSU-Opfers, geschriebenen Buches „Schmerzliche Heimat“ (Sa, 25.3., 19.30 Uhr, Bad. Staatstheater, Studio). Im Anschluss folgt ein Publikumsgespräch mit MdL Alexander Salomon vom NSU-Untersuchungsausschuss Ba-Wü und der Rechtsextremismusexpertin Ellen Esen.
Ausstellungen
Auf ehrenamtlichen Projekten basiert „We Are Here!“ (bis 26.3., Ständehaussaal): Für „May I Introduce Myself?“ hat Alice Anna Klaassen Interviews in der Landeserstaufnahmestelle und der Unterkunft am Campus Ost geführt, visuell unterstützt werden die Befragungen durch „Inside-Out“ von Kai Vorberg und Nico Lange, die Porträtfotos von Schülern und Geflüchteten gemischt haben. An bedrückende Fernsehbilder erinnern die von einem jungen Kameruner aufgemalten Stationen seiner Flucht nach Karlsruhe, das ebenfalls Teil der Rückschau „Je cherche mon vrai pays (Ich suche meine wahre Heimat)“ (Eröffnung: Mo, 13.3., 18 Uhr, bis 31.3., Tollhaus) ist.
Begegnungsangebote
Eine kulinarische Reise um die Welt tritt der interkulturelle „Kochabend gegen Rassismus“ (Fr, 24.3., 17 Uhr, Johannes Kepler Privatschulen, Anmeldung: s.ayisik@jkp-karlsruhe.de) an,bedrohliche gesellschaftliche Entwicklung, die sich auch mit den zu „Spaziergängen“ verklärten rechten Versammlungen auf dem Stephanplatz manifestiert. Beim „Lichterlauf“ (Sa, 21.3., 19 Uhr, Lidellplatz) kann jeder selbst ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit setzen. Begegnungsraum schafft auch das gemeinsame muslimische Freitagsgebet am KIT (Fr, 17.+24.3., 13 Uhr, Altes Stadion), beim zweiten Termin in Anwesenheit von OB Mentrup. Traditionell beschließt das „Vielfaltfest“ (So, 26.3., 14 Uhr, Substage) mit Musik und anderen Darbietungen sowie kulinarischen Genüssen das KWgR-Programm: Auf der Bühne stehen u.a. die Schülerperkussionsgruppe Yakagnambé, die auf Reggae und Ska rappenden „Ohne festen Wohnsitz“, der Chor Alef der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe sowie die im Verbund mit dem Shtetltov-Duo Heike und Tobias Scheuer auftretende tunesische Sängerin Hajer Daoussi. -pat
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