6. Karlsruher Wochen gegen Rassismus

Stadtleben // Artikel vom 15.03.2019

Nachdem sich Karlsruhe seine „Wochen gegen Rassismus“ 2018 gespart und auf einen zweijährigen Turnus umgestellt hat, stehen die sechsten KWgR zum 70. Verfassungsjubiläum unter dem Grundgedanken „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Koordiniert durchs städtische Kulturamt beschäftigen sich vom 15. bis 31.3. über 100 Institutionen, Organisationen, Vereine, Künstler und andere Akteure bei rund ebenso vielen überwiegend kostenlosen Vorträgen, Workshops, Film- und Theatervorführungen, Lesungen, Konzerten und künstlerischen Aktionen mit den Themenkomplexen Rassismus und Diskriminierung. Zur KWgR-Eröffnung (Fr, 15.3., 19.30 Uhr, Rathaus, Bürgersaal) geht Marlies Horch, Referentin der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“, auf die Entstehung und heutige Bedeutung der Aktionswochen ein, an denen sich Karlsruhe seit 2013 beteiligt. Ursprünglich wurde mit ihnen des Massakers von Sharpeville gedacht, wo am 21.3.1960 bei einer Anti-Apartheits-Demo nahe Johannesburg 69 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt wurden.

Über die gesamte KWgR-Laufzeit ist im Rathaus-Foyer zudem die Ausstellung „Verborgene Heldinnen und Helden im Kampf gegen den transatlantischen Sklavenhandel – von Afrika nach Europa und Amerika“ zu sehen, die sich den Biografien in die neue Welt verschleppter Schwarzer widmet. Erlebnisse und Sichtweisen der People of Color stehen auch im Mittelpunkt zahlreicher weiterer Veranstaltungen, etwa beim Workshop „Alltagsrassismus – live“ (Sa, 23.3., 9.30-17 Uhr, NCO-Club). Selbstbehauptungskurse für Kinder (So, 17.3., 9.30-11.30 Uhr), Mädchen (14-17 Uhr) und Frauen (Sa, 30.3., 10-14 Uhr, In Nae) und ein „Haarworkshop“ (So, 31.3., 10-13 Uhr, Afro Sisters, Karlstr. 33) machen stark gegen Anfeindungen und Benachteiligung. Der Vortrag „Für alle von uns“ (Di, 19.3., 19 Uhr, Tollhaus) gibt Einblicke ins Leben der lesbischen afro-amerikanischen Autorin Audre Lorde, die die akademische und politische (Frauen-)Bewegung in Deutschland maßgeblich beeinflusst hat; außerdem setzen sich mehrere Filmbeiträge mit der Diskriminierung von People of Color auseinander: Die 2017 „Oscar“-nominierte essayistische Doku „I Am Not Your Negro“ (Sa, 16.3., 16.30 Uhr, Schauburg) analysiert ausgehend von einem Manuskript des schwarzen Schriftstellers James Baldwin die Repräsentation von Afro-Amerikanern in der US-Kulturgeschichte. Und die integrative Kraft des Sports ist Thema der Doku „Keine Angst vorm schwarzen Mann“ (Mi, 20.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal), in dessen Zentrum ein gambischer Fußballer steht.

Weitere Schwerpunkte bilden Vorträge, die über Rechtspopulismus und antimuslimischen Rassismus (wie jener von Ex-Taz-Journalist Daniel Bax am Fr, 29.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal) oder antisemitische Tendenzen („Mach doch keine Judenaktion!“ am Di, 19.3., 19 Uhr, Jüdische Kultusgemeinde, Knielinger Allee 11) aufklären – auch im geschichtlichen Kontext, wenn Historiker Sascha Lange aus seinem Buch „Meuten, Swings und Edelweißpiraten – Jugendkultur und Opposition im Nationalsozialismus“ (So, 24.3., 20 Uhr, Kohi) liest. Zudem kann man sich über die Antiziganismus genannte diskriminierende Behandlung von Sinti und Roma informieren und seine eigenen Vorurteile überprüfen; etwa in der Filmdoku „Phral mende – Wir über uns“ (Di, 19.3., 19 Uhr, Kinemathek). Im Fokus steht außerdem die Frage, was Deutschsein in einer multikulturellen Gesellschaft bedeutet. Eine Antwortoption liefert Martin Wolferts Fotoprojekt „Ich bin Deutsch“ (So, 17.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal). Die Reflexion der weißen Identität im rassistischen System steht im Mittelpunkt des Workshops „Lernen, Weiß zu sein“ (Di+Mi, 26.+27.3., 9-19 Uhr, IBZ). Und mit der Aktion „Aus gutem Grund – Ein Platz für alle“ (15.-31.3., tägl. 11-15 Uhr) werden die KWgR ins Stadtzentrum getragen: Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge spannen auf dem Marktplatz gemeinsam ein Netz aus weißen Linien und Grundgesetzzitaten. Bevor die Aktionswochen mit dem traditionellen „Vielfaltfest“ (So, 31.3., 14 Uhr, Tollhaus) bei Musik und anderen Darbietungen, Kulinarik aus unterschiedlichen Kulturen sowie Infoständen und Mitmachangeboten ihren bunten Abschluss finden, ist aber noch so manches andere geboten, wie die folgenden Tagestipps zeigen. -pat

Und ihr so?
Eingeladen zum zweiten Vernetzungstreffen sind alle, die sich in und um Karlsruhe in der Antisrassismusarbeit engagieren (möchten). Im Mittelpunkt stehen das zwanglose Kennenlernen und der fachliche Austausch, wobei Ideen für neue Projekte entwickelt werden können.
Sa, 16.3., 10-14 Uhr, Tollhaus

Ali Jabor & Friends
Der aus Bagdad stammende und vor den islamistischen Milizen geflohene Ali Jabor hat sich seit 2014 in der Karlsruher Gegend schnell als Oud-Virtuose und Botschafter einer in islamischen Ländern vielfach unterdrückten arabischen Musikkultur etabliert, wobei er auch westliche Einflüsse in sein Spiel aufnimmt. Wie bei diesem „Oriental Jazz“-Konzert mit Alexander Krieg (Keyboard) und Julius Oppermann (Perkussion).
Sa, 16.3., 20 Uhr, Mikado

Der gute Deutsche
Mit der deutschen Kolonialgeschichte in Kamerun setzt sich dieser Vortrag auseinander. Autor Christian Bommarius zeichnet anhand seines Buches „Der gute Deutsche – Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914“ nach, wie wilhelminische Kolonialbeamte und ehrbare Kaufleute das zentralafrikanische Land in ein Inferno für die versklavte Bevölkerung verwandelt haben.
Sa, 16.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal

Das Haus Gottes. Prüfstein der Gesellschaft
Braucht Karlsruhe einen Moschee-Neubau? Ausgehend von dieser Frage zeigt die Ausstellung Gotteshäuser aus den Anfängen des Islam bis heute sowie Kunstwerke der Halima-Kindergartenkinder und möchte somit zu einer Versachlichung der aktuellen Debatte beitragen. Stündlich werden Führungen angeboten.
Sa+So, 16.+17./23.+24.3., 12-17 Uhr, Halima Kindergarten, Tivoliplatz 1

Warum macht das Fremde Angst?
Wie sich Filmemacher aus aller Welt mit der Angst vor dem Fremden auseinandersetzen, zeigt dieser Kurzfilmabend. Die Essays „Fremde“, „Gloomy Green“, „Rumeinern“, „The Mandarin Tree“ und „Adnan’s Father“ veranschaulichen einfühlsam und manches Mal auch an der Grenze des Erträglichen, was Menschen erdulden müssen – aber nicht ohne hier und da einen Hoffnungsschimmer zu hinterlassen.
Mo, 18.3., 18 Uhr, Landesmedienzentrum

Gedenkfeier für die Opfer von Rassismus
Wenn am Di, 19.3. um 19 Uhr die Glocken läuten, laden die Ev. Stadtkirche, die Citypastoral, die AG Garten der Religionen, der Deutschsprachige Muslimkreis, die Antidiskriminierungsstelle und die Deutsch-Türkische Kulturplattform zur gemeinsamen „Gedenkfeier für die Opfer von Rassismus“ ein. Die Veranstaltung umrahmen Schüler des Helmholtz-Gymnasiums und der Türkische Chor musikalisch. Auf längere Reden und Ansprachen wird bewusst verzichtet; eine Schweigeminute und Kerzen sollen für sich sprechen. Am Ende gibt es Möglichkeit, bei einem Becher Tee ins Gespräch zu kommen. Im Schlechtwetterfall wird die Gedenkfeier unter den Portikus der Stadtkirche verlegt.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in einer gespaltenen Gesellschaft
Soziologin Daniela Krause verdeutlicht in ihrem Vortrag, dass selbst Menschen, die glauben, keine Vorurteile zu haben, nicht frei von stereotypem Schubladendenken sind und welche Konsequenzen vorurteilsbelastetes Verhalten hat.
Di, 19.3., 20 Uhr, Ständehaussaal

Wir müssen darüber reden
Struktureller Rassismus macht sich in vielen Bereichen bemerkbar – etwa, wenn Migranten überproportional häufig von der Polizei kontrolliert werden oder trotz guter Qualifikation stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die Runde lädt dazu ein, sich des Problems bewusst zu werden.
Mi, 20.3., 18 Uhr, IBZ

Islamfeindlichkeit unter der Lupe
Welche Absichten stecken hinter Parolen wie „Die Islamisierung Deutschlands“ und wer gibt sie von sich? Im ausdrücklich für alle Interessierten offenen Workshop „Zwischen Diskriminierung und Empowerment – Islamfeindlichkeit unter der Lupe!“ mit Derya Şahan vom Demokratiezentrum Ba-Wü geht es um die eigenen Bilder zum Thema Islam und Muslime, wobei die historische Einordnung im Vordergrund steht. Anmeldung unter Tel. 0721/223 07 oder info@dmk-karlsruhe.de.
Do, 21.3., 18 Uhr, DMK, Kaiserallee 111 a

Das Gefühl „anders zu sein“
Viele Russlanddeutsche kennen das Gefühl: In Russland „die Deutschen“ gewesen und in Deutschland zu „Russen“ geworden, mussten sie im Laufe der Geschichte oft Ausgrenzung und Diskriminierung erleben. Welche Erfahrungen sie gemacht haben und was diese über unsere Gesellschaft aussagen, diskutieren Betroffene und Gäste der hiesigen „Landsmannschaft der Deutschen aus Russland“ mit Moderatorin, Autorin und Journalistin Katharina Martin-Virolainen.
Do, 21.3., 18 Uhr, IBZ

Europäischer Kolonialismus: Die Erfindung des Rassismus
Der Vortrag zeichnet die geschichtliche Herkunft von kolonialen Denkmustern und Stereotypen des wilden, zu zähmenden Indigenen nach. Dabei legt Prof. Dr. Götz Großklaus, Literatur- und Medienwissenschaftler am KIT und Zak-Gründer, durch Texte und Bestseller offen, wie sich diese Vorstellungen seit Beginn der europäischen Expansion in den Köpfen abgelagert haben.
Do, 21.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal

Muslimisches Freitagsgebet am KIT
Das zu Beginn der 60er Jahre von muslimischen Studenten der damaligen TH initiierte Freitagsgebet am KIT ist das am längsten bestehende in Karlsruhe. Die Predigt wird wie schon seit Jahrzehnten auf Deutsch gehalten; im Anschluss können Muslime und Besucher miteinander ins Gespräch kommen.
Fr, 22.3., 13.15 Uhr, Festsaal am KIT

Wann scheitert eine Demokratie?
Mit der Gefährdung unserer Gesellschaftsordnung durch Alltagsrassismus und die Infragestellung der Würde jedes Einzelnen beschäftigt sich dieser Vortrag von Prof. Dr. Rolf-Ulrich Kunze. Der KIT-Historiker spricht dabei ebenso über die Voraussetzungen einer Demokratie im Rechtsstaat wie auch über die Frage, ob sich Geschichte wiederholen kann.
Fr, 22.3., 18 Uhr, Amnesty International, Waldstr. 24-28

Die „Schubladen“ religiös, anders religiös, nicht religiös
Der Garten der Religionen im Citypark Südstadt-Ost und die Veranstaltungen der ihn tragenden Arbeitsgemeinschaft plädieren für ein friedliches und gutes Miteinander aller Menschen und Religionen in Karlsruhe, einem differenzierten Umgang mit Ängsten und Fremdheitsgefühlen und für einen Toleranzbegriff, dessen Grenzen nicht zu eng, aber auch nicht zu weit gefasst sind. Diese Überzeugungen vermittelt die AG bei einer Themenführung. Ob der Rundgang im Schlechtwetterfall stattfindet, steht aktuell auf www.gartenderreligionen-karlsruhe.de.
Sa, 23.3., 13.30 Uhr, Garten der Religionen

Slaves – Auf den Spuren moderner Sklaverei
In seinem Dokumentarfilm verfolgt Regisseur Marc Wiese die Spuren der weltweit 45 Millionen Sklaven und bringt dem Zuschauer die Schicksale durch diverse Geschichten und teilweise verstörende Bilder nahe.
Sa, 23.3., 18 Uhr, Stadtmedienzentrum

Fest der Religionen
Auf dem Programm dieses multireligiösen Nachmittags stehen nicht nur Begegnungen zwischen Gläubigen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften und Nicht-Gläubigen, sondern auch ein Friedensgebet, Fingerfood aus unterschiedlichen Kulturen und eine Präsentation künstlerischer Werke von Kindern zum Thema „Wo wohnt Gott“. Erstmals vorstellig wird das derzeit entstehende „Karlsruher Netzwerk der Religionen“. Höhepunkt: das interreligiöse „Salam“-Konzert (17 Uhr) der nach Gründer Erhard Ufermann benannten Jazz-Formation mit der marokkanischen Sängerin Hayat Chaoui. Hier trifft zeitgenössischer Jazz auf Lyrik sowie spirituelle Lieder und Motive aus dem christlichen, islamischen und jüdischen Kulturkreis.
So, 24.3., 14 Uhr, Tempel

Les mots qui touchent – Worte, die berühren
Gemeinsam mit dem Projektraum Cola Taxi OK bittet das Centre Culturel Franco-Allemand zur multilingualen Matinee mit partizipativem Theater und einer deutsch-französischen Performance von Matthieu Dibelius, dessen aus Paris bekannte „Mots qui touchent“-Workshops anschließend auch in Karlsruhe als Langzeitprojekt etabliert werden sollen.
So, 24.3., 11 Uhr, Cola Taxi OK, Kronenstr. 25

In Würde sein können – anderen ihre Würde lassen
Über die „Bedingungen für das Gelingen eines angemessenen Umgangs mit Vielfalt“ spricht Dr. Annette Scheible vom Institut für Ev. Theologie der PH Karlsruhe mit anschließenden Kurzstatements von Mirja Kon-Thederan (Vorsitzende der AG Garten der Religionen) sowie Rüstü Aslandur (Vorsitzender des DMK). Der Vortrag betont die Bedeutung der Ambiguitätstoleranz: der erlernbaren Fähigkeit, Mehrdeutigkeiten auszuhalten.
Di, 26.3., 19.30 Uhr, Gemeindesaal der Altkath. Kirche, Röntgenstr. 1

Die Verfolgung und der Völkermord an den Rohingya
Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Burma hat dieser Vortrag der Gesellschaft für bedrohte Völker zum Inhalt. Anita Schug wurde als Rohingya geboren und gehört damit jener staatenlosen Minderheit an, die vergangenen Herbst in einem Massenexodus geflohen ist, bei dem binnen weniger Monate mehr als die Hälfte der rund 1,1 Millionen in Burma lebenden Rohingya vertrieben wurden. Als Sprecherin des Lobbyverbandes European Rohingya Council berichtet sie über die aktuelle Lage.
Di, 26.3., 19 Uhr, Tollhaus

Schulter an Schulter
Mit einem Informations- und Mobilisierungsabend sollen Supporter für das Projekt „Schulter an Schulter“ gewonnen werden. Es unterstützt Betroffene rassistischer, antisemitischer und antimuslimischer Gewalt.
Mi, 27.3., 19.30 Uhr, Ständehaussaal

Das Integrationsparadox
Warum ausgerechnet gelungene Integration zu mehr Konflikten führt, darüber hat Aladin El-Mafaalani einen Bestseller geschrieben. Die Gegenwartsdiagnose des Integrationsexperten in Theorie und Praxis nimmt eine völlige Neubewertung vor und erklärt beim mutmachenden Talk, warum Integration in Deutschland heute besser gelingt als je zuvor, gelungene Integration das Konfliktpotenzial einer Gesellschaft steigert und Streitkultur die beste Leitkultur ist. -pat
Do, 28.3., 19.30 Uhr, Albert-Schweizer-Saal

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