Am Anfang war die Zukunft

Stadtleben // Artikel vom 15.04.2015

„Auf die Zukunft, fertig, los!“ heißt es im April 2013.

Mit der Vision „Ich werde ein Existenzgründer gewesen sein“ beziehen Start-up-Unternehmer die welterfahrenen Seefrachtcontainer in der ehemaligen Schweinemarkthalle des Alten Schlachthofs. Und das ziemlich hauptstädtische Raum-in-Raum-Konzept ist voll aufgegangen!

Bereits zu Beginn an Bord sind die Aufmerksamkeitsstrategen von Emotionsdesign (www.emotions-design.de). „Perfekt Futur ist alles andere als ein reines Funktionsgebäude, hier sind über die vergangenen zwei Jahre echte Lebensräume entstanden“, konstatiert Oliver Karl Boeg. Der „ansonsten durchaus Karlsruhe-kritische“ Freigeist leitet als Art Director und Creative Producer die Ateliergemeinschaft mit Projektmanager Mischa Vollmann. Ihr Credo: „Wir machen glücklich!“ – von der Ideenlieferung bis zur intermedialen Inszenierung. „Wo der eigene Horizont aufhört, braucht es verlässliche Partner“, erläutert Mischa Vollmann und sein Kompagnon zitiert HfG-Lehrmeister Sloterdijk, dem er seit Medienkunst-Studienzeiten verbunden ist: „‚Heute wissen immer mehr Leute immer weniger immer besser.’ Wir können zwar vieles von der Konzeption über Grafik, Sound und Film bis hin zum Messeauftritt inhouse anbieten, wollen uns aber ganz bewusst nicht zu sehr spezialisieren. An dieser Stelle kommt uns das Perfekt Futur mit seiner Hauspolitik der offenen Türen entgegen.“

Und bei Susanne Seelig (www.seelig-atelier.de) laufen zahlreiche Fäden zusammen: Wenn die Landschaftsarchitektin aus dem Schwabenland nicht gerade dabei ist, für Kommunen, Handwerk und Industrie, Klöster, Kliniken oder das zu den besten Fünf-Sterne-Hotels Europas zählende Wellness-Resort Engel in Obertal „Orte der Harmonie“ zu gestalten, studiert sie Systemic Management – und erschließt sich neuerdings ihr Seelig Land; ein im Wachsen begriffenes, weitgespreiztes festes Kompetenzteam aus Künstlern, Grafikern, Filmemachern und Ingenieuren, zu denen neben Emotionsdesign Maschinenbauer Benjamin Cann, Medienproduzent Matthias Dieckhoff, Michael Feuerroths Atelier für Architektur und Produktvisualisierung sowie Industriedesignerin Stefanie Naiser zählen – allesamt Perfekt-Futur-Bewohner, die im Kollektiv auch komplexeste Aufträge umsetzen können. „Think Outside The Box“, wie Susanne Seelig es nennt.

Genau diese synergetisch-vernetzten Spin-offs hat sich das Kultur- und Kreativwirtschaftsbüro K3 von seiner Mieterauswahl versprochen. Bei den Joint Ventures im „Mikrokosmos PF“ muss es jedoch nicht zwingend immer nur ums Business gehen: Da unterstützen die Emotionsdesigner ihren heutigen Nachbarn Benjamin Cann, seine mit Blitzen, LED-Lampen, brennender Stahlwolle, einem Laser und 30-sekündiger Belichtungszeit komponierten Container-Dorf-Aufnahmen des Fotokunstprojekts „Lichtnovellen“ medial in Szene zu setzen; und um die Wanderausstellung „Calwer Landschaffer“ auf den Weg zu bringen, macht Susanne Seelig mit dem Analogfotografen gemeinsame Sache.

Der eigentliche Fokus des KIT-studierten Konstruktionsingenieurs aus Brest liegt aber nicht auf der Fotografie, sondern auf seiner Firma Eugenio (www.eugenio3d.com), über die er seit vergangenen Herbst „3D Engineering & Design Solutions“ vertreibt. Ein Abnehmer ist die Schmuckindustrie, aber auch die Luft- und Raumfahrt-Branche gehört zu seinen Auftraggebern. Den Container im ersten Stock teilt sich Benjamin Cann mit Matthias Dieckhoff, der Anfang 2014 sein Industriefilmstudio B2tainment (www.b2tainment.de) im Perfekt Futur aufgemacht hat und neben Imagefilmen und 3D-Animationen Produkt- und Schulungsvideos produziert. Was dem Medientechniker besonders behagt, ist die Atmosphäre im Gründerzentrum: „Konkurrenzdenken hat hier trotz aller Professionalität keinen Platz. Man hilft und beglückwünscht sich, entspannt beim Grillabend oder feiert auch mal eine After-Work-Party im ‚Discontainer’. Dadurch sind teilweise richtige Freundschaften entstanden.“ Mit seinem Bürokollegen verbindet ihn ebenfalls mehr als der Arbeitsplatz: „Zur Hochzeit hat Ben für mich und meine Frau mithilfe des 3D-Druckers die Eheringe designt.“

Auch Stefanie Naiser ersinnt Produkte vom Scribble über das Volumenmodell bis zum Prototyp. Und ihre Vita steht stellvertretend für die mitunter enorme Berufserfahrung vieler anderer Gründer auf dem Gelände: Bevor sich die Mieterin der ersten Stunde mit Out Of Norm (www.outofnorm.com) selbstständig macht, absolviert sie eine Ausbildung als Textillaborantin und erlernt das Schreinerhandwerk, um nach ihrem Industriedesign-Studium bei verschiedenen Agenturen und einem international tätigen Entwickler von Geräten für die Mess- und Prüftechnik sowie (Medizin-)Elektronik zu arbeiten. Doch gerade „im Fall von Diagnostikgeräten wie etwa einem Pulsoximeter ist Design viel mehr als bloßes Styling“, merkt Stefanie Naiser an. Im Produktentwicklungsprozess zwischen Marketing und Produktion positioniert, gestaltet sie Konsum- und Investitionsgüter deshalb am liebsten ganzheitlich. Das beste Beispiel, dass es auf die Funktionalität gleichermaßen ankommt, liefert ihr Kunde Schoeps aus Durlach, dessen Kondensatormikrofone in TV-Studios, bei Konzerten und globalen Sportereignissen auf Stimmenfang gehen. Stefanie Naisers Part ist es, in Absprache mit den Ingenieuren und Blick auf den Kostenfaktor, das für den Anwender unsichtbare Innenleben zu konstruieren. Und außerdem mit so viel Weitsicht, dass auch die Technik von übermorgen noch Platz findet.

Wo Out Of Norm und die anderen Teammitglieder von Seelig Land dann angesiedelt sind, wird die Zukunft zeigen. Bis zu fünf Jahre haben Perfekt-Futuristen im Kreativgründerzentrum Zeit zur Vollendung, aber Kompetenz braucht Raum. Und das Schlachthof-Areal ist groß. Für viele von ihnen steht schon heute fest: Wir sind gekommen, um geblieben zu sein. -pat

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