Aus für Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1

Stadtleben // Artikel vom 17.03.2011

Das baden-württembergische Umweltministerium hat angeordnet, die Kernkraftwerke Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 vom Netz zu nehmen.

Mit einer neuen Studie zu den Risiken der vier in Baden-Württemberg betriebenen Atomkraftwerke hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bereits am 9.3. seine Forderung nach Stilllegung bekräftigt. Und die Studie belegt: „Die Sicherheitsmängel in den alten Atomkraftwerken Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 sind so gravierend, dass sie auch durch Nachrüstungen nicht behoben werden können“, sagte die BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender.

„Bei den neueren Atomkraftwerken Neckarwestheim 2 und Philippsburg 2, die immerhin auch schon über 20 Jahre alt sind, muss dringend eine aktuelle Sicherheitsanalyse vorgelegt werden.“ Diese sei dann wiederum Grundlage für konkrete Nachrüstungen, die kurzfristig erfolgen müssten. Vor über drei Jahren hatte die Energie Baden-Württemberg (EnBW) die Landesregierung selbst in einem Schreiben über die enormen Sicherheitsmängel informiert. „Obwohl die Landesregierung schon längst von den Sicherheitsdefiziten weiß, hat sie nichts getan“, sagte Dahlbender: „Es ist ein Skandal: Die Landesregierung hat die Gewinninteressen der Konzerne geschützt, die Bürger hintergangen und die Sicherheit der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt.“

Die Autorin der BUND-Studie, die Physikerin Oda Becker, hat untersucht, welche Sicherheitsnachrüstungen für Verbesserungen der Sicherheitslage in den vier AKW dringend erforderlich wären. Ihr Fazit: In allen vier Anlagen besteht die Gefahr eines schweren Unfalls. Insbesondere in den älteren Reaktoren Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 führen demnach Konstruktionsmängel und jahrelang ausgebliebene Nachrüstungen zu steigenden Risiken: „Für wesentliche Konstruktionsmängel der alten Reaktoren wie veraltete Reaktorgebäude, Sicherheitsbehälter, Reaktordruckbehälter und Lagerbecken sind jedoch Nachrüstungen undenkbar“, sagte Becker. „Ein schwerer Störfall kann außerdem eintreten, wenn der Reaktordruckbehälter nicht standhält. Deshalb würden selbst extrem teure Nachrüstungen ihr Sicherheitsniveau nur eingeschränkt verbessern.“

Nicht abzusehen sei auch, wann und wie der Schutz der Atomkraftwerke gegen Flugzeugabstürze oder mögliche Terroranschläge gewährleistet werden kann. Philippsburg 1 gehöre, was die Terrorrisiken betreffe, zu den verwundbarsten Reaktoren in Deutschland. Becker: „Gerade weil sich entscheidende Defizite der Atomkraftwerke nicht mit Nachrüstungen beheben lassen, muss im Falle eines Weiterbetriebs alles versucht werden, um mit sicherheitstechnischen Verbesserungen zum Beispiel bei Notkühlung und Notstromversorgung potenzielle Störfälle beherrschbarer zu machen.“

Auch die neueren Alt-AKWs Neckarwestheim 2 und Philippsburg 2 haben der BUND-Studie zufolge große Sicherheitsmängel. So zählt Philippsburg 2 mit einem technischen Design aus den 70er Jahren zu den störanfälligsten Reaktoren. Diese Probleme lassen sich auch durch umfangreiche Nachrüstungen nur teilweise in den Griff bekommen. Beide Reaktoren erfüllen nicht die gesetzlichen Sicherheitsstandards, die seit 1994 gelten.

Die neue Landesregierung in Baden-Württemberg müsse alle Sicherheitsnachrüstungen sowie einen baulichen Schutz gegen Terrorrangriffe bei den neueren Anlagen zügig anordnen, um deren Sicherheit zumindest etwas zu erhöhen“, so die BUND-Landesvorsitzende Dahlbender.  Mit der Studie hat der BUND der Atomaufsicht einen Handlungsleitfaden vorgelegt. „Die Landesregierung muss als ersten Schritt der EnBW bis Juli Sicherheitsberichte zu allen vier AKW abverlangen, die aufzeigen, wie sich der Betreiber die Umsetzung der vom Bundesumweltministerium geforderten Sicherheitsnachrüstungen im Detail vorstellt“, sagte Dahlbender.

Vergangenen Dienstag hatte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) angekündigt, dass Neckarwestheim I dauerhaft stillgelegt wird; Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) ergänzte tags drauf, dass auch Philippsburg 1 eventuell nicht mehr hochgefahren werde, falls erforderliche Investitionen das Kraftwerk unrentabel machen würden. „Bei allen Meilern sind selbst teure Nachrüstungen keine Sicherheitsgarantien. Die einzige Lösung ist der sofortige Ausstieg aus der Atomenergie und die Umsetzung der Energiewende“, so Dahlbender. -ps/pat

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