Bioläden: Auf den Boom folgt die Delle

Stadtleben // Artikel vom 01.02.2023

Der Bioboom erlebt seinen ersten Einbruch.

Im vergangenen Jahr war der Umsatz der Branche zum ersten Mal rückläufig und Bioketten wie Basic mussten Insolvenz anmelden. „Wir spüren eine Kaufzurückhaltung. Beim Warten auf die Energiekostennachzahlung, überlegen einige, ob sie sich für das Wochenende noch zwei Tafeln Schokolade gönnen“, sagt Tina Schäfer. Gerade bei Genussartikeln würde aufgrund der Inflation gespart, erlebe sie im Füllhorn. Einen rückläufigen Umsatz spürt auch Gerd Göhringer beim Bioladen Göpi: „Wenn man die Inflation einrechnet, ist er sogar sehr deutlich.“ Der Vergleich mit den von Corona geprägten Vorjahren hinke jedoch. „Die Jahre zuvor ist man nicht essen gegangen und hat sich dann die teurere Flache Wein für die Mahlzeit zuhause gekauft. Jetzt wird wieder die günstigere genommen.“ Wenn er das Geschäft mit der Vor-Corona-Zeit vergleiche, sei er mit der derzeitigen Lage zufrieden.

Auch Götz Rehn, der Gründer von Alnatura, versucht den rückläufigen Umsatz seiner Biomarktkette zu relativieren: „Nach den überdurchschnittlichen Umsatzsteigerungen in den beiden Pandemiejahren und angesichts der aktuellen Krisensituation hatten wir mit einem wesentlich stärkeren Rückgang gerechnet.“ Der Biotrend ist aber auch den kapitalstarken Supermärkten nicht entgangen. „Die Discounter haben Bio als Markt entdeckt“, sagt Schäfer. „Sie nutzen dabei ihre Methoden mit Preisdumping und der folgenden Erpressung der Lieferanten.“ Manche würden so stark an die Wand gedrückt, dass sie letztlich von einem Discounter übernommen würden. Beim Füllhorn setze man dagegen auf Qualität und dazu gehöre eine kooperative Preisgestaltung. „Wir kalkulieren die Preise vom Erzeuger und nicht vom Verkaufspreis her.“ Doch die Karlsruher Bioläden reagieren auf die zunehmende Konkurrenz mit günstigeren Einstiegspreisen. „Uns ist es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen Bio leisten können“, heißt es von Alnatura. Daher seien seit einem Jahr in den Märkten „Dauertiefpreise“ eingeführt worden. Göpinger arbeitet in seinen Märkten in Ettlingen und Langensteinbach auch mit Alnatura zusammen, die ihn mit preisgünstigen Produkten beliefern. „Wir haben das Sortiment so verändert, dass der Einstieg günstiger ist.“ Die preisbewussteren Kunden versucht Füllhorn über die Preiseinstiegslinie der Biomarkt-Verbundgruppe zu erreichen. Diese Produkte seien aber wenig lukrativ. „Wir haben dadurch auch die günstige Schiene, aber da ist die Spanne so gering, dass wir das normal nicht machen würden“, sagt Schäfer. „Ich kann aber gut nachvollziehen, wenn der Geldbeutel bei Teilen der Kundschaft kleiner wird“, hat sie auch Verständnis für den Trend zu Bio, aber günstig.

Trotz einiger Pleiten gewinnen aber auch im Biobereich große Filialisten an Marktmacht. Im November eröffnete Alnatura am Gutenbergplatz seinen 150. Supermarkt in Deutschland und die vierte Filiale in Karlsruhe. Mit einer eigenen Café-Bar und der kostenlosen Ausleihe eines Lastenrads sollen nicht nur Kunden aus der Weststadt angelockt werden. Einkauf als Erlebnis. Auch Schäfer sieht im Konzept einen großen Teil der Füllhorn-Philosophie: „Tante-Emma-Flair in Groß.“ Zahlen zu den Auswirkungen der Eröffnung des Alnatura-Vorzeigeladens auf das Füllhorn habe sie noch nicht, doch es könne schon einige Kunden kosten. Langfristig mache sie sich aber keine Sorgen. „Filialisten können unsere Konzepte nicht kopieren. Das halten die nicht lange durch.“ Auch Edeka habe es schon mit Bio-Flagship-Stores versucht. „Aber bei den Löhnen ist es für die Filialisten nicht zu leisten, langfristig eine gute Atmosphäre und Beratung zu bieten.“ Im Biobereich laufe es anders. „Künstliches Preisdumping über viel Umschlag geht langfristig nach hinten los, weil wir niemals den Umschlag erreichen werden, den die konventionellen Discounter machen.“

Doch auch für die Aufnahme in das Sortiment der Bioläden müssten die Erzeuger gewisse Mengen erreichen: „Ein Sack Linsen von einem Bauer, das bringt es nicht“, sagt Schäfer. Zu groß seien die Vorgaben für Verpackung oder Hygiene, die in Supermärkten gelten. Kleine Mengen seien auf dem Markt oder im Hofladen für die Erzeuger einfacher abzusetzen. Die Zusammenarbeit von Füllhorn mit den lokalen Bauern sei aber eng: „Wir arbeiten mit Bauern aus der Region zusammen und die besprechen teilweise ihre Anbaupläne mit uns.“ Die Nähe zu den meist regionalen Produzenten hat für die Biobranche angesichts der aktuell hohen Energiepreise sogar Vorteile. De Transportwege sind in der Regel kürzer als in der konventionellen Landwirtschaft. Nicht nur deshalb verweisen Göhringer und Alnatura darauf, dass sich die Preise zwischen Bio- und konventionellen Produkten immer stärker angleichen würden. Dies gelte besonders beim Gemüse. Hier hat Schäfer auch noch einen Traum für die kommenden Jahre: „Ich will lokalen Ingwer.“ Derzeit komme er meist aus China oder Togo, aber auch hierzulande erlaube das Klima den Anbau. „Noch gibt es nicht genug Mengen für uns, aber da netzwerke ich.“ In spätestens zehn Jahren soll der Ingwer aus der Umgebung im Füllhorn-Sortiment sein. -fk

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