Biss zur letzten Rübe – Landlieblingsplätzchen (Mai 2023)

Stadtleben // Artikel vom 01.05.2023

Flavour Your Life!

Eine Kolumne von Johannes Hucke, der seit 2007 die Region mit seinen Weinlesebüchern, Kriminalnovellen und Theaterstücken malträtiert. Jetzt versucht er, INKA mit epikureischem Gedankengut zu destabilisieren. Nach einem Jahr Karlsruher Gourmet-Szene balanciert Hucke nunmehr auf den Strahlen der Kompassrose ins Offne. Während der klassische „Tagesausflug“ einst einen durchaus bedrohlichen Beiklang hatte, heißt das heute ODV: One Day Vacation! Gegenüber einer Flugreise nach Paumotu bietet der Ein-Tages-Urlaub jede Menge Vorteile: Er ist kostengünstiger, du kannst den Genusspegel schon vorab nach Belieben einstellen, und wenn du mal abstürzt, dann höchstens in die Arme deines Lieblingskellners.

Wir müssen ja nicht immer nur kochen. Gerade im Frühling ist es wichtig, zu duften! Das kann sehr teuer sein. Denn nicht nur die gemeine Fetthenne in ihrem speckigen Gelb, auch der Mensch als solcher sollte sich ein bisschen Mühe geben. Roja Haute Luxe und Baccarat Rouge boykottieren Verstand und Portemonnaie. Also treibt die Naturkosmetik auf die Spitze, besser: zurück zu ihren Wurzeln, kurz: Aromatisiert euer Leben mit Lebensmitteln!

„Flavour your life with food!“ Klingt fast noch besser. Mit der Idee werde ich reich. Endlich. Um bei den Großeltern zu beginnen, die haben es ja leicht: Einfach in der Küche bleiben, solange die Kohlsuppe kocht. Wenn die nach zwei Stündchen die Enkel besuchen, hält sich das Oma-Aroma sogar an der ehemals frischen Luft. Männer in den besten Jahren (das sind immer die, wo schon rum sind) führen ihre Strickweste in der Einkaufstasche mit den Lauchzwiebeln spazieren. Nachdem die Besorgungen erledigt sind, bitte überstreifen: Jetzt seid ihr auch eine Lauchzwiebel. Kompliment! Frauen zwischen 20 und 40 (sind das gute Jahre?) wickeln bitte eine Maischolle in den Pulli, den sie am nächsten Tag zu tragen beabsichtigen: Das verleiht einen maritimen Hautgout und schützt sogar vor gewollten Schwangerschaften.

Leute, ihr merkt, es ist Mai: der Mai unseres Lebens. Nicht verpassen! Mit der Knete, die ihr beim Parfum eingespart habt, könnt ihr Euch heute ein paar Maiböcke leisten, in einem Biergarten eurer Wahl. Ach was, in allen Biergärten! Brezel dazu, in die Kastanie hochgeglotzt: Die Frage nach dem guten Leben wäre geklärt. Wenn euch dann noch die letzte Pfütze aus der letzten Halben juppheidi über den Latz läuft, seid ihr Maibock-geflavoured. Es gibt Leute, die behaupten, den wahren Biergartengeruch bekomme man nur mit Kotze hin oder Schlimmerem, aber das ist nur in Bayern zwingend vorgeschrieben.

Welche Biergärten also wollt ihr erradeln? Es ziemt sich, an der Hoepfner Burg zu starten, da sind sogar Kastanien drüber. Gestärkt und gestählt, ist der Weg rüber nach Durlach ins Vogelbräu ganz gut zu schaffen. Ihr habt jetzt zwei Halbe und zwei Brezeln intus; damit lässt sich die Strecke entlang der südlichsten Bergstraße oder nördlichsten Schwarzwaldtiefstraße locker meistern. Praktisch, in Ettlingen gibt es auch ein Vogelbräu, so könnt ihr eine Maibock-Vergleichsprobe machen: Na, wo läuft’s besser? Durch Gärtchen und durch Auen führt eure Route weiter ins gar nicht so unspektakuläre Malsch: Immerhin gibt’s dort den Modellbau, Ur-Goetheaneum am Waldrand… sowie gleich zwei prima Biergärten: in der Schulstraße und dann die Bahnhofsbrauerei.

Wie viele Maiböcke habt ihr jetzt? Egal. Weiter durchs sumpfige Muggensturm Richtung Baden-Baden. Das lasst ihr heute mal links liegen, da ihr ja nach Kohl, Lauch und Scholle riecht und nicht nach Paco Rabanne. Stattdessen Rastatt: Wie in allen Garnisonsstädten tobte auch hier stets das Brauereiwesen. Sehr viel ist leider nicht mehr davon übrig, aber ihr möchtet doch sicher einmal in den Garten vom Hopfenschlingel schlingern, stimmt’s? Manchen reicht’s jetzt. Aber abenteuerliche Herzen treibt es noch weiter Richtung Süden! Hauptziel der Reise: die Brauerei Bauhöfer zu Ulm bei Renchen. Die hat bestimmt einen der dollsten Biergärten außerhalb Bayerns. Deren Maibock hopst sogar ganzjährig durch unsere Getränkeparadiese. Bedenkt bitte, was ihr heute gespart habt, ohne euren „Imperial Majesty“-Duft (375.000 Euro das Fläschel), da dürft ihr euch gerne mit was G’scheitem belohnen. Hauptsache Bratkartoffeln sind dabei. Und Kartoffelsalat. Und noch hauptsächlicher der eine oder andere Maibock.

Im Nahverkehrszug zurück könnt ihr nach dieser Tour problemlos das Leben der anderen aromatisieren – aber bitte nur durch eure ausflugserfrischte Atemluft. Das ist noch christlicher, wird aber nicht immer honoriert. So war das schon immer: Als guter Märtyrer muss man einiges in Kauf nehmen.

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