Biss zur letzten Rübe – Shopping King (Februar 2025)

Stadtleben // Artikel vom 01.02.2025

Deutsches Kimchi. In zehn Sauerkräutern durch das Jahr

Eine Kolumne von Johannes Hucke, der seit 2007 die Region mit seinen Weinlesebüchern, Kriminalnovellen und Theaterstücken malträtiert. Jetzt versucht er, INKA mit epikureischem Gedankengut zu destabilisieren. Nicht immer hat Johannes Hucke seriöse Produktkritiken für INKA vorgelegt. Früher ging er der Karlsruher Gourmetszene auf die Nerven, startete One Day Vacations in die Peripherie. Jüngst ist sein 600-Seiten-Roman „Dragoner wider das Morgenlicht“ erschienen – in der Hauptrolle ein Speisebrei namens: Mett. Irgendetwas stimmt da nicht… Ein Band mit Schwarzwaldgeschichten kam 2025 heraus: „Was es eigentlich nicht gibt“. Hoffentlich gibt es wenigstens das Futter, das er für uns testet: gewohnt unbestechlich und immer hart am Thema dran. Fast immer.

„För Grääwes gönnde isch mooorden …“ Wat verstande? I a net. Aber gleich. Holen wir metaphorisch ganz weit aus und starten die Reise durch das Jahr 2025 in einer Sauerkrauttonne. Warum nur? Damit wir keinen seelischen Skorbut kriegen. Captain Cook ließ Mangelerscheinungen auf See durch milchsauer vergorenes Geschnipsel vorbeugen; auch wir wollen uns zurüsten, damit uns keine finanzielle Flaute, keine Seeschlange des Schicksals, kein kannibalischer Job das liebe Leben klaue… Bitte nicht besserwissern: Alle haben ihre Vorlieben. Wir wollen sauerkrauttolerant bleiben; manche lieben es so frisch, dass man die Fäden aneinanderknüpfen könnte, um sich vom Hohenasperg abzuseilen, andere bevorzugen stundenlang gekochten Bribbel, der aussieht, „als hätte ein depressiver Clown in den Topf gekackt“. Danke abermals, Torsten Sträter, für den animierenden Vergleich.

Wichtig: Das Genussbürokratenwort „verzehrfertig“ immer ignorieren. Ob aus Glas, Dose, Wabbelpackung: einfach nie nur „erwärmen.“ Versprecht mir das! Wir braten Zwiebeln, rühren Sauerkraut, schneiden Äpfel, Lor- und Wacholderbeer(en) dazu, löschen mit Wein und so viel Brühe wie es braucht: Grundrezept. Februar: Gräwes-Time! Gömmt von der Mosel. Gegartes Kräutchen mit Kartoffelbrei vermanschen und Speck rein. „My Veggie“ von Edeka ist der einzige Kunschtspeck, wo ungefähr echt schmeckt, in Butter gebräunt. März: Für die elsässische Variante fügt ihr dem Kraut nicht zu wenig Knoblauch und süße Sahne hinzu (Pst, herrlich zu Füsch!). April: Frühlingssauerkraut, gibt es das? Aber ja: Bärlauch mit Öl pürieren und unterziehen, dazu Spätzle und z.B. ein Grünkernküchlein. Mai? Bayerischer Biergarten! Dafür übel viel Kümmel dran und das S-Kraut mit einer Mehlschwitze binden. Und? Veg. Bratwürste von Alnatura mit süßem Senf. Juni: Nach einer Wanderung das SK in einem Bäuerchenpfännchen verstecken: Bratkartoffeln, Zwiebel, Rührei etc. Juli: Ih, Sauerkraut! Bei der Hitze… Quatsch: Hot Dog New York-Style: Warmes, rösches SK auf Lummelbrötchen, Ersatzwürstlein drauf, Zwiebelsoße drüber, Senf. August/September: Es ist Kirchweih. Also mit Honig braunbraten und unter Schupfnudeln heben. November: Mit der Schere in Zwiebelsuppe schneiden, Rahm dazu. Und zum Jahresende klatschen wir einen EL Gänseschmalz dran, Kastanien, Zimtbutter… in dulci jubilo! – Na? Für Gräwes könntet ihr morden? Isch auch.

Der Kasten

Tatsächlich – es ist immer noch recht günstig, am günstigsten freilich, wenn ihr im Herbst dicke Weißkräute in Tontöpfe hobelt und salzt. Sodann beschweren – nicht euch, sondern es. Ihr könnt das Zeug auch für 6,80 Euro beim Ökometzger im feuchten Beutelchen kaufen. Denree schafft 650 Gramm Biokraut zu 1,39, Edeka 500 Gramm für 99 Cent, warum in Alu gehüllt? Und da wäre noch das berühmteste: „Mil-des-saaa!“ Welcher Schlagerlibrettist hat nur diesen Mädchennamen ersonnen? Hengstenberg wirbt mit deutschem Kohl… und legt nach: „Vegan. Glutenfrei. Ohne Konservierungsstoffe. Ohne Farbstoffe.“ Etc. Wau! Und noch so ein Hügel: Leuchtenberg aus Neuss. Seit 1861. Klingt fast wie Monsalvat. O leuchtender Berg des Heils! Aus Sauerkraut.

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