Biss zur letzten Rübe – Shopping King (Oktober 2023)

Stadtleben // Artikel vom 01.10.2023

Hafermilch

Eine Kolumne von Johannes Hucke, der seit 2007 die Region mit seinen Weinlesebüchern, Kriminalnovellen und Theaterstücken malträtiert. Jetzt versucht er, INKA mit epikureischem Gedankengut zu destabilisieren. Ein Jahr Karlsruher Gourmetszene, ein weiteres „Tagesausflüge“ ins Umland. Es wird Zeit, erwachsen zu werden. Und seriös! Zu den Kernkompetenzen von Johannes Hucke, Autor von Standardwerken der politischen Ökonomie wie „Iss auf, der Koch kommt!“ oder „Trink aus, wir bleiben!“, gehört das nicht. Aber er gibt sich Mühe. Untertitel seiner hafermilchernsten Produktkritik: „Konsumtion, Reflexion und Agitation unter den Bedingungen spätkapitalistischer Gesellschaften ohne verstaatlichte Produktionsmittel.“ Noch Lust zum Lesen? Do it. Trotzdem.

„Holla, Frollein, könnte ich bitte einen Kaffeeweißer?“ Schon alles falsch gemacht. Vor allem im Berliner Scheunenviertel. „Hey there, could I get some oat milk for my coffee, please?“ Aber bitte mit schwäbischem Akzent. Es verhält sich nämlich so: Entgegen seiner sonst so bescheidenen Art, dominiert der Hafer Sojabohne und Mandel bei der Ersatzmilchgewinnung.

Dass gewisse Szenen das glutenarme Süßgrasprodukt inniger schlürfen als andere, liegt nicht zuletzt an den positiven Assoziationen: Hafer! Da denk ich doch gleich an Oma Liesel, wie sie mich mit Breichen füttert, an schottische Kleinbäuerinnen, die wehenden Rothaares Oatcakes vor Steilküsten futtern – oder an voll liebe Ponys mit vor Genuss geschlossenen Augen im Hafersack kraschpelnd.

So lecker die Werbung auch tut: Eigentlich schaffst du Hafermilch nur in Verbindung mit was anderem. Mit Kaffee z.B. Wobei gern und oft auf diese unfassbare Cremigkeit hingewiesen wird, wenn du deinen „Haferdrink“ genug schleuderst oder stampfst. Ein bisschen fies: Was gibst du aus, wenn du einen Liter Wasser mit zehn Gramm Hafer, einem Shot Sonnenblumenöl und einer Prise Salz vermixt? Eher nix, oder? – 1,20 bis 2,20 Euro kostet aber so eine Fertigpackung im Regal. Die smarte „Mølk“ bringt es auf knapp 2,40: „Vegan. No added sugar. Delicious. Zero bullshit.“ Aber mit Kevin Trapp! Seit der Frankfurter SGE-Tormann da mitinvestiert, schlabbern die Headbanger von den Ultras Milchlein aus Wasserpüree.

Schlörz! Wie wär’s, wir melken uns einfach selber, weichen 100 (nicht zehn) Gramm Haferkörner (nicht -flockis) über Nacht ein und mixen die mit einem Liter Wasser sowie einem Löffelchen neutralem Öl? Dann in den „Nussmilchbeutel“ (ab 7,99 Euro, Alternative: Küchentuch oder Kaffeefilter). Die „Ökologische Wissensakademie“ dekretiert, dass das nicht schleimig, aber im Kühlschrank haltbar sei.

Vielleicht aber kömmt die Zeit des nostalgischen „Kaffeeweißers“ auch mal wieder. (Kaffeeweißer warum?) Der besteht vor allem aus Glukosesirup und Fett. Hmmmh, Fett! Dient aber auch für pyrotechnische Effekte, wenn gerade keine Bärlappsporen zur Hand sind, wie jede gute Anarchosyndikalistin weiß. Du kannst dich also mit deinem Szenecafé locker selber in die Luft jagen, wenn’s dir danach ist – aber bitte nicht im Scheunenviertel. Am besten in gar keinem Café. Sondern du enterst die Vorstandssitzung eines Happy-Gift-Konzerns und machst das dort. Krawumms.

Der Kasten

Die unter dem poetischen Namen Milchersatzprodukt zusammengefassten Getränke haben ihren Absatz zwischen 2018 und ’20 verdoppelt. Just in diesem Zeitraum ging die Kuhmilchsauferei brutal zurück, sechs Liter pro Jahr von einst 54… Die Umsätze der Milchverarbeitungsindustrie liegen aber immer noch bei 30 Mrd.: Sympathische Großunternehmen von Dr. Oetker über Müller Milch bis zu Frischli (boah Wahnsinn, wie kann man Frischli heißen!) terrorisieren die Politik in Richtung Dauersubventionen; trotz Pasteurisierung, Ultrahocherhitzung und Homogenisierung zahlen die Bonzen sieben Prozent Steuern: weil es sich um ein „unverarbeitetes Lebensmittel“ handelt. Verarbeitete wie Hafermilch dürfen 19 Prozent löhnen. Fair, wie? Andererseits, die Gewinnspanne bei den Oaties fällt ja noch krass genug aus. Die sahnen zwar auch ab, ungefähr auf dem Level von Drogenbaronen, sind aber ökopolitisch im Vergleich echte Smoothies. Übrigens, die meistens Hafermilche werden natürlich auch ultrahocherhitzt, bekommen noch ein paar Säureregulatoren, Kalzium, Vitaminchen und leckere Enzyme zugesetzt. Da kannst du dir den Rest vom Frühstück eigentlich sparen.

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