Das Bauhaus ist auch in Karlsruhe zuhause

Stadtleben // Artikel vom 25.10.2019

Zwei Jubiläen: Zum bundesweit gefeierten 100-Jährigen der „Bauhaus-Idee“ gesellt sich in der Fächerstadt auch 90 Jahre Dammerstock.

Immer wieder in einer Vorreiterrolle zu sein hat in Karlsruhe ja eine gewisse Tradition. Doch vielfältige und bemerkenswerte Beispiele für qualitativ hochwertige Architektur gibt es in der Fächerstadt einige. Bei den Feiern zu den 100 Jahren, welche die in Weimar und Dessau entwickelte „Bauhaus-Idee“ seit 2019 umwehen, zeigt sich: Der Typus Bauhaus und das „Neue Bauen“ sind auch in Karlsruhe verwurzelt. Ob man dabei aber beinahe jede Art von „gebauter Avantgarde“ fast x-beliebig in denselben Topf werfen kann – oder das gleich „Grand Tour der Moderne“ nennen muss wie es eine jüngst erschienene Broschüre des Karlsruhe Tourismus mit dem Titel „Bauhaus 2019“ tut? Die Ansammlung dort wirkt fast wie ein Sammelsurium – trotz des Anspruchs „Modernes Bauen“ in KA vorzustellen.

Wieso aber die Schwarzwaldhalle nördlich von Zoo und Vierordtbad, die 1953 in Betrieb ging, in die artverwandte Schublade gesteckt wird, und das auch gleich noch auf Augenhöhe mit dem Dammerstock – wie es die „Grand Tour der Moderne“ weißmachen will – bleibt nicht nur Fachleuten unergründlich. Die imposante Schwarzwaldhalle, die auch die Touristiker in ihrer aktuellen Broschüre listen, ist mit ihrer Hängedachkonstruktion gewiss ein herausragendes Zeugnis der Nachkriegsarchitektur. Nur: Bauhaus ist sie nicht. Die damals direkt an den Stadtgarten angrenzenden Gebäude wurden von Oberbaudirektor Josef Durm (1837-1919) entworfen, gebaut wurde von 1871 bis 1873. Das Vierordtbad ist dabei nicht, wie oft angenommen, im Jugendstil errichtet worden. Vielmehr war Durm, der das Stadtbild Karlsruhes mitgeprägt hat, dem Historismus verpflichtet und ein Hauptvertreter der Neorenaissance italienischen Vorbilds.

Wer sich mit dem Typus des „Neuen Bauens“ der 1920er Jahre und der „Bauhaus-Idee“ aus den genannten „avantgardistischen Schulen“ in Weimar und Dessau etwas näher befasst, kommt zu dem Schluss: Objekte des „echten Bauhauses“ lassen sich in KA an weniger als einer Hand abzählen. Der besagten „Reinheit der Lehre“, dem, was den „Geist der Bauhaus-Idee“ atmet und ausstrahlt, entsprechen zwei Vorzeige-Objekte aber ganz besonders: Mit der Dammerstock-Siedlung besitzt Karlsruhe ein bedeutendes Kulturdenkmal, das schon zur Bauzeit international ein großes Echo hervorrief.

Dieses ist dabei als ein herausragendes Zeugnis des Bauhaus’ zu werten. Für die Gestaltung des Dammerstocks galt die Schlichtheit des „Neuen Bauens“: wie etwa einfache Baukörper, Flachdächer und vereinheitlichte Fensterelemente. Die Mischung der Wohnungstypen reicht vom flachen Doppelhaus über dreistöckige Reihenhäuser bis zum viereinhalbstöckigen Geschossbau. Alle sind dabei streng Ost-West-orientiert und mit reichlich Grünflächen auf Abstand zueinander gehalten, um die optimale Belichtung zu erzielen – mit allen Möglichkeiten des modernen Zeilenbaus. Kein geringerer als Walter Gropius, Gründer und langjähriger Leiter des Bauhaus’ Dessau, hatte nach einem Wettbewerbserfolg die Mustersiedlung realisiert, die dann – mit dem ersten Abschnitt – im Herbst 1929 mit der Ausstellung „Die Gebrauchswohnung“ fertig wurde. Damit feiert die Siedlung, mit ihren nach der Erweiterung ab 1949 schließlich über 700 Wohnungen, 2019 das 90-Jährige.

Einige renommierte Architekten des Neuen Bauens und der Neuen Moderne – Franz Roeckle aus Frankfurt, Wilhelm Riphahn aus Köln und Otto Haesler aus Celle, auch Karlsruher Architekten – waren beim Entstehen 1928/29 mit dabei. Die Bebauung mit kleinen und mittelgroßen Wohnungen sollte für breite Schichten bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dort war auch der Geburtsort der Karlsruher Volkswohnung. Heute stehen die Gebäude der einstigen Bauausstellung, mit den noch zu Beginn gerade mal 228 Wohnungen, unter Denkmalschutz und die Siedlung erfreut sich großer Beliebtheit. Nach Start einer Sanierungswelle der 2010er Jahre präsentieren sich wesentliche Teile des Dammerstocks wieder in jenem strahlenden Weiß, das einst programmatisch den Anspruch auf „eine neue Wohnhygiene mit Licht, Luft und Sonne“ zum Ausdruck gebracht hatte. INKA berichtete im April 2019 über eine geplante Bebauung des sogenannten „Bunkers“ im Dammerstock. Diese ist inzwischen anscheinend vom Tisch.

Auch ein etwas abseits liegendes Gebäude zählt zur „Bauhaus-Idee“: Das Naturschutzzentrum Rappenwört. Es steht mitten in der „Natur-Wildnis“ der Rheinauen westlich der nordbadischen Großstadt. Die kleine Vogelwarte, die 1928/29 nach Plänen des beim Hochbauamt beschäftigten Architekten Walter Merz erbaut wurde, ist weit weniger bekannt als der Dammerstock. Die Vogelwarte war gebaut worden als Teil eines Naherholungsgebiets auf der Altrheininsel Rappenwört, zusammen mit dem Rheinstrandbad. Die Stadt errichtete die Vogelwarte – mit einer „Direktorenwohnung“ im Erdgeschoss – in einer „in funktionaler und ästhetischer Hinsicht überzeugenden Anlage“, wie es in einer Denkschrift 2002 hieß. Dort ist auch von „einer Perle der Klassischen Moderne“ die Rede. In dem Hauptgebäude logiert seit 1997 das heutige Naturschutzzentrum – und informiert, wie auch der gläserne Anbau südlich davon, über die umgebende Natur.

Auch der Alker-Block, eine Blockrandsiedlung der 1930er Jahre, wenige Meter westlich des Karlsruher Bahnhofsvorplatzes, hat eher wenig mit der „Bauhaus-Idee“ zu tun. Das Quartier zwischen der Ebert-, Klose-, Schnetzler- und Schwarzwaldstraße, ist für sich genommen zwar ein bemerkenswerter städtebaulicher Akzent – aber kein „typisches Bauhaus“, weil keine stringente Zeilenbauweise gewählt wurde. Die Mehrfamilienhäuser gruppieren sich stattdessen en bloc um einen großen gemeinsamen Innenhof. Der Alker-Block machte in den vergangenen Jahren, seit dem 2012 erfolgten Verkauf des Wohnungsbestands an die Augsburger „Heuschrecke“ Patrizia, vor allem durch mehrere Mieterhöhungen von sich reden – bei gleichzeitig in Teilen der Gebäude erkennbarem Sanierungsstau.

Dessen einstiger Entwurfsplaner, der gewiss hoch talentierte Architekt Hermann Reinhard Alker – ab 1924 Professor an der örtlichen TH – der auch das Alte Stadion auf dem Uni-Gelände erbaut hat, verstrickte sich nach 1933 zudem in NS-Ideologien und erbaute 1934/36 und 1937/39 z.B. Heidelbergs Thingstätte und das Schlageter-Denkmal in Schönau/Schwarzwald. Nach dem Weltkrieg verlor er seinen Lehrstuhl. Wenn es generell um „gebaute Avantgarde“, innovative Architektursprache geht: Stolz sein kann man auch auf die 1907 im Stadtteil Rüppurr gegründete Gartenstadt – die auch zu den ersten ihrer Art in Deutschland zählte. -sj

Anmerkung der Redaktion: Man munkelt, dass in der Gartenstadt ein großes Parkhaus geplant ist, um die Besucherströme des neuen Diak-Komplexes aufzunehmen.

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