Elektronische Musik aus Karlsruhe für die Welt: Part I

Stadtleben // Artikel vom 23.12.2012

Das INKA-Interview von Friedemann Dupelius mit Shahrokh Dini, House-Producer, DJ, Clubveranstalter, Lounge- und Restaurantbetreiber.

INKA: Vor einiger Zeit haben Âme, die bekanntesten Karlsruher Produzenten elektronischer Musik, die Stadt in Richtung Berlin verlassen. Wie siehst du die aktuelle Produzentenszene hier?
Shahrokh Dini: Also, ich bleibe noch da... und ich finde einiges schön, was die jungen Leute machen – Kavantgarde und andere Bewegungen. Es ist gut, dass es mit dieser Musik weitergeht und die Energie erhalten bleibt. Die Musik von Nugath zum Beispiel ist sehr reduziert, aber ein eigener Stempel ist trotzdem zu erkennen. Big Bait Records nehme ich auch wahr. Was ich traurig finde, ist ganz allgemein die Entwicklung zum Digitalen. Man produziert heute oft zack-zack in zwei Stunden einen Track, der sofort auf den Markt kommt, morgen schon wieder out ist und dann kommt der nächste. Ich fände es besser, wenn man sich mehr Zeit lassen würde, um mehr Qualität zu erreichen.

INKA: Siehst du nicht auch die Chance, dass günstige Digitaltechnik Leute an die Musik heranführt, die sich dann tiefer eingraben?
Dini: Ich respektiere das Digitale. Aber es macht die DJ-Kultur kaputt, wenn sich jeder mit einem Computer DJ nennt und überhaupt nichts von der Musik verstanden hat. Es geht darum, wie du mit der Musik umgehst und welche Kenntnisse du hast.

INKA: Wie steht es um deine eigenen Produktionen?
Dini: Derzeit arbeite ich an einer neuen Maxi für das Black-Label von Compost Records. Dort erschien 2011 auch mein letzter Track, zudem gab’s 2011 einen Remix für Sasse auf Moodmusic und eine EP als Shahrokh & Strecker auf BCBtec aus Frankfurt, die wochenlang in den Charts war. Auch der Remix „Want U Tonight“ für Mateo And Matos (NYC) lief sehr gut. 2012 kam mein Remix für Vanessa Daou beim New Yorker Label Kid Recordings raus und auch meine EP „Jass it Over“ auf Sasses Label Moodmusic mit Remixen von Martin Landsky und Afrilounge war in der ersten Woche ganz oben mit auf den Beatport Deep Charts, was mich sehr gefreut hat. Allerdings kannst du es vergessen, viel Geld mit Produktionen zu verdienen. Das ist nur noch eine Visitenkarte, damit du als DJ gebucht und als Künstler international wahrgenommen wirst. Davon zu leben ist schwierig, wenn man nicht mehr 25 ist und Familie hat. Hinzu kommt die katastrophale Situation, wenn jetzt die Gema mit ihrer Tarifreform die Clubs vernichtet!

INKA: Stichwort Gema – da kennst du als Künstler und Clubbetreiber ja beide Seiten...
Dini: Ja, das stimmt. Ich kenne beide Seiten, wobei ich derzeit keinen Club mehr betreibe. Unter der geplanten Gema-Reform müssen die Clubs im nächsten Jahr deutlich mehr Abgaben zahlen, weil die Tarife für elektronische Musik absolut falsch berechnet werden. Das passt vorne und hinten nicht. Auch die strikte Unterteilung in E- und U-Musik führt zu Ungerechtigkeiten. Die Gema ist da, damit die Künstler geschützt werden und nicht, um sie zerstören. So wie sie arbeitet, tut sie aber genau letzteres.

INKA: Wie steht es um deine Mood-In-Wood-Clubnächte? Was hat sich verändert im Vergleich zur Zeit der Mood Lounge vor fünf Jahren?
Dini: Das ist schlecht vergleichbar, da Mood In Wood ja kein Club mehr ist, sondern ein Restaurant, in dem wir ein Best-Of internationaler Küche anbieten sowie eine Lounge, in der ich ein Mal im Monat kulturelle Events veranstalte. Generell muss man sagen, dass die Clubkultur sich zeitlich nach hinten verschiebt, weil die meisten sich zum Vorglühen treffen und nur noch zum Tanzen spät nachts in die Clubs kommen. Das ändert natürlich auch die Eintrittspreise, weil die Clubs ums Überleben kämpfen müssen. Im Mood In Wood waren gerade erst Markus Kavka und Mousse T. zu Gast, am 12.1. steht Ferry Ultra an und Julietta folgt im Februar. Für den Sommer plane ich wieder die Mittwochs-Lounge mit Strand und Hintergrundmusik, diesmal hier im Wald.

Die Gema-Tarifreform für den Bereich Veranstaltungen soll nun erst Ende Juni 2013 in Kraft treten. Damit reagiert die Verwertungsgesellschaft auf den Druck der Wirtschaftsminister der Länder. Diese wollen die umstrittene Reform aussetzen, weil sie massive Erhöhungen für Clubs und Discotheken vorsieht.
www.mood-lounge.de

Elektronische Musik aus Karlsruhe für die Welt: Part II - Big Bait Records

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Kommentar von Langweilig! |

Langweilig!

Dass die GEMA von gestern ist, ist ja nichts neues und wurde bereits im Spätsommer ausgiebigst in den Medien diskutiert. Die Modelle, nach denen Musik und auch andere Kunst bewertet und vergütet wird taugen nicht mehr.

Nur klubkulturell passiert in Karlsruhe halt auch nicht viel ausser Selbstbeweihräucherung und einer Schickimickipseudoszene, die mehr auf große Namen von ausserhalb und übercleanen Style denn wirklicher Qualität, Originalität und Innovation basiert. Da muss sich Herr Shahrokh Dini aber auch an die eigene Nase fassen. Mood Lounge und exklusive Dinnerpartys sind für die gut situierte Frau ab 40, die sich denkt: Ich will auch mal Kultur erleben, aber Karlsruhe dafür nicht verlassen müssen. Daß das ZKM darauf seit Jahren reinfällt ist echt schade. In der Hauptsache scheint es doch darum zu gehen die unreflektierten Bedürfnisse der Provinzen um Karlsruhe herum zu stillen. Ich würde mir wünschen, daß es einer mal wirklich wieder wagt radikalere Wege zu beschreiten. Kulturpublikum, Kulturpublikum sein zu lassen, die Diktatur der Kunst auszurufen und einfach geile Mucke aufzulegen, die auch gerne auch stört und nicht für jedes Ohr gefällig ist. Ich wünsche mir mehr Mut anzuecken und weniger Schleim!!!

Und lassen Sie dieses blöde Namedropping einfach sein.

Kommentar von Langweilig! |

Ich, Herr Langweilig muss mich natürlich umgehend bei der Karlsruher Clubkultur entschuldigen - denn es gibt ja auch noch einige Lokalitäten, die in der Tat den Muut haben und etwas neues wagen ohne dann doch wieder immer das selbe zu machen. Und ich verstehe auch, daß man es schwer hat sich in einer Stadt wie Karlsruhe als DJ und Clubbetreiber durchzuschlagen, wenn einem dabei ständig die Sperrstunde im Nacken sitzt. Karlsruhe scheint generell ein hartes Pflaster für DJs, Clubbetreiber und Kulturschaffende zu sein, die einfach nur gerne Ihr Ding machen möchten. Da muss man den armen Sharokh Dini auch verstehen. Kann man nur hoffen, daß sich mit dem neuen, leicht linkeren OB da mal was ändert in dieser vollgespießten Stadt. Möge jeder Strassenblock seinen eigenen Club bekommen!

Bitte rechnen Sie 2 plus 8.

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