Frauenperspektiven 2009

Stadtleben // Artikel vom 13.03.2009

Es könnten zwar noch ein bisschen mehr sein, aber ein Anfang ist gemacht.

Das Kulturfestival „Frauenperspektiven“, das sich in diesem Jahr mit einem ebenso opulenten wie spannenden Programm der ungemein vielfältigen persischen Kultur widmet, bezieht mit Veranstaltungen in Rastatt, Gaggenau, Bruchsal, Ettlingen, Baden-Baden oder Stutensee erstmals auch Spielorte in der Kultur-Region Oberrhein mit ein.

Ohne Scheuklappen, mit offenen Augen, hat das Festivalteam aus allen Bereichen viele KünstlerInnen aus dem Iran, aber auch viele Mitglieder der großen persischen Exil-Gemeinde in aller Welt zusammengetrommelt, die vom 13. bis 29.3. ihre Arbeiten vorstellen und diskutieren. Eine sehr kritische, völlig unverblümte Kritik in Sachen Kultur-, Frauen- und Menschenrechtspolitik ist hierbei ebenso immanent wie auch wertneutrale Präsentationen, so etwa die von iranischer Mode oder persischer Volksmusik.

Schwarz-Weiß gibt es bei diesem Kulturfestival jedenfalls nicht: Schon das Plakat verzichtet bewusst auf die übliche Darstellung schwarz verschleierter Frauen. Stattdessen lädt ein Fliesenmuster in hellem Blau mit Landschaftsmotiven zur Annäherung ohne Vorurteile. Denn was verbirgt sich hinter den Schleiern? Wie leben die Iraner ihren Alltag?

„Ihr wisst nichts über uns!“ oder „Wir sind doch ganz anders“ sind beispielsweise Bücher oder Aufsätze überschrieben. 40 Veranstaltungen wird es in Karlsruhe und der Region geben, ein 80 Seiten dichtes, sehr informatives und schön gestaltetes Programm liegt in den Kultureinrichtungen aus. Das Angebot reicht von Lesungen und Vorträgen über Ausstellungen, Konzerte und Filme bis hin zum großen persischen Neujahrsfest am Sa, 21.3. ab 19.30 Uhr im Bürgerzentrum der Karlsruher Südstadt.

Der „gekreuzte Blick“ ist Festivalleiterin Elisabeth Schraut wichtig, das heißt sowohl Iranerinnen, die im Iran leben, kommen zu Wort als auch solche, die hier leben, oder aber deutsche Frauen, die (wie beispielsweise Christiane Hoffmann) längere Zeit im Iran lebten. Die Frauenperspektiven verstehen sich auch, wie Kulturbürgermeister Wolfram Jäger betont, als deutsch-französisches Projekt, für das mit dem komplett zweisprachigen Programm sogar in der Karlsruher Partnerstadt Nancy geworben wird.

Das Programm

Ein sehr dichtes, von vielen Vernissagen dominiertes Programm ist am Sa, 14.3., dem Tag nach der offiziellen Eröffnung, geboten. Bettina Schönfelder, Leiterin des Kunstvereins Pforzheim, kuratiert die Gruppenausstellung „Tehran Blues“, die von der GEDOK und der Literarischen Gesellschaft im Prinz-Max-Palais Karlsruhe veranstaltet wird.

Iranische Künstlerinnen bewegen sich oft in parallelen Lebensräumen, zwischen unbeobachtet und überwacht schaffen sie sich Freiräume in einem fundamentalistischen Regime. Jenseits ihrer Wohnorte verbindet sie ein Sinn für die Brüchigkeit heutiger Identitäten. Ihr Lebensgefühl schwankt zwischen Abwarten und Aktivität, Ermüdung und Zuversicht. Zu den sechs Künstlerinnen, deren Werke gezeigt werden, gehört Myriam Schahabian. Sie wurde 1965 in Karlsruhe geboren, verbrachte ihre Kindheit in Teheran, studierte Bildhauerei in Italien und lebt und arbeitet in Karlsruhe. Eröffnung in Anwesenheit der Künstlerinnen am Sa, 14.3. um 15.30 Uhr (bis 19.4.).

Im Brückenraum der Stadtbibliothek ist zeitgenössische Kalligrafie zu sehen (Eröffnung 14.3., 18 Uhr), während im Gedok Künstlerinnenforum Mamak Azarmgin traditionsreiche Illumination (Buchkunst) vorstellt (Eröffnung 14.3. um 18.30 Uhr). Die in Baden-Baden geborene Fotojournalistin Ulla Kimmig bereiste vier Jahre allein den Iran. Eine Auswahl ihrer eindrucksvollen Bilder sind in der Galerie Bode zu sehen (Eröffnung: 14.3., 19.30 Uhr).

Die Fotografien von Asoo Khanmohammadi bilden um 14 Uhr im Badischen Landesmuseum den Auftakt an diesem mit Vernissagen prall gefüllten Samstag. Verpackt in Luftpolsterfolie zeigt sich die Frau als Kunstbraut. Mit solch inszenierten Schwarz-Weiß-Fotografien spürt Asoo Khanmohammadi der Bedeutung des Individuums und der Geschlechterrolle in der Islamischen Republik Iran nach. In sensiblen Momentaufnahmen bringt sie auch Außenseiter wie Transsexuelle oder andere Randfiguren vor die Kamera. Sie selbst sieht sich als Grenzgängerin zwischen islamischer Tradition und Moderne, was sich auch den Bildsujets spiegelt. Im Eingangsfoyer des Karlsruher Schlosses sind ihre erstaunlichen Arbeiten bei freiem Eintritt bis 19.4. zu sehen. Eröffnung in Anwesenheit der Künstlerin und mit persischen Chansons am Sa, 14.3., 14 Uhr, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe.

Ihre Eltern, beides führende oppositionelle Politiker im Iran, wurden ermordet. Mutig setzte sich die 1962 geborene Parastou Forouhar für die Aufklärung des Doppelmordes ein. Doch bekannt ist sie nicht nur deswegen, vielmehr hat sich Forouhar als Künstlerin international einen Namen gemacht. Ihre Arbeiten sind geprägt von einer regimekritischen Haltung. In Anlehnung an persische Miniaturmalerei bindet sie Figurengruppen in ornamentale Strukturen, die sich jedoch bei genauem Betrachten als Folterszenen entpuppen. Auch Presseartikel, Interviews und Briefe stellt sie in einen künstlerischen Kontext. Eröffnung am So, 15.3., 17 Uhr, in der Orgelfabrik KA-Durlach (bis 5.4.).

Im Centre Culturel Franco-Allemand wird die iranisch-französische Journalistin Delphine Minoui über „Khomeinis Töchter“ sprechen (So, 15.3., 11 Uhr).
Wie fühlt sich es an, wenn die Angst einem die Seele auffrisst? Über ihre schwere Zeit im Gefängnis berichtet Monireh Baradaran, zu Gast in der Literarischen Gesellschaft. Sie war neun Jahre inhaftiert und floh nach ihrer Freilassung 1990 nach Deutschland. „Erwachen aus einem Alptraum“ heißt das Buch, in dem sie sich das Entsetzen vom Leibe schrieb. Sie liest am Mo, 16.3., 20 Uhr, im PrinzMaxPalais Karlsruhe.

Ein ähnliches Schicksal erlitt Nargess Eskandari-Grünberg, die sogar eine Tochter im Teheraner Gefängnis gebar, bevor ihr 1986 die Flucht hierher gelang (Jubez, KA, 24.3., 20 Uhr). Der feuerrote Mittwoch ist der Tag, an dem für die Iraner ein neues Jahr beginnt. Sie feiern ihn, indem sie über eine Feuerstelle springen und folgenden Satz sprechen: „Meine Blässe/Krankheit geb ich dir, deine Röte/Heilkraft nehm ich mir“. Dazu wird gesungen und eine traditionelle Suppe gegessen. Am Di, 17.3. um 19.30 Uhr veranstaltet die Kulturgruppe iranischer Studenten vor dem Schloss ein großes Feuerspringen, danach wird im Studentenhaus gefeiert. Wer wagt den Sprung?

Zahlreiche Filme zum Thema Iran sind im Kommunalen Kino Karlsruhe zu sehen, so „Der Apfel“: Ein Ehepaar sperrt seine Zwillinge seit der Geburt im Haus ein. Die Nachbarn alarmieren die Behörden. In ihrem Debütfilm porträtiert Samira Makhmalbaf eindringlich das Leben der eingesperrten Mädchen und ihre ersten Schritte in die Freiheit. Am Mi, 18.3., 21.15 Uhr, PrinzMaxPalais, Karlsruhe.„Ihr wisst nichts über uns“ lautet der provokante Titel. Geschrieben hat das Buch die Journalistin Charlotte Wiedemann. Sie bereiste mehrere Jahre den Iran und blickte hinter die Fassaden. Dabei entdeckte Wiedemann eine Heterogenität muslimischen Lebens und den Regelbruch als Massenphänomen. Von ihren Eindrücken spricht die Auslandsreporterin am Mi, 18.3., 20 Uhr, in der Stadtbibliothek Gaggenau.

Wie steht es um modernes Grafikdesign im Iran? Zwar genießt die Kalligrafie mit schön geschwungenen Linien nach wie vor großes Ansehen, aber was ist mit zeitgenössischem Design? Wahideh Abdolvahab stammt aus Teheran, studierte in Köln und begab sich in ihrer Heimat auf Spurensuche. Sie schrieb ein Buch über die Geschichte des Grafikdesigns von 1960 bis heute. Zur Eröffnung der Ausstellung, bei der Plakate sowie Zeugnisse iranischer Grafikdesignarbeiten gezeigt werden, präsentiert die Autorin auch ihr Buch. Eröffnung am Do, 19.3.,18.30 Uhr im Rathaus Stutensee. (Ausstellung bis 15.4.).

„Mein schräger Humor hat mit dem Land zu tun aus dem ich komme, wo an Universitäten gebetet und in den Moscheen Politik gemacht wird.“ Tatsächlich ist die Kabarettistin und Schauspielerin Parvaneh Hamidi ein scharfzüngiges Unikum. Sie geht sowohl mit der islamischen als auch mit der westeuropäischen Gesellschaft hart ins Gericht und hat sich mit ihren Provokationen den Titel „Hexe des Irans“ erarbeitet. Aufmüpfig kritisiert sie, dass in Westeuropa Zwangsehen und Zwangsbeschneidungen immer noch als kulturelle Eigenheiten relativiert werden. Hamidi, 1961 in Teheran geboren, floh 1986, tingelt seither als Schauspielerin und Kabarettistin durch Deutschland und spielt auch die Hauptrolle im Theaterstück „No Man‘s land“. Am Fr, 20.3., 20 Uhr, Jubez, Karlsruhe.

Einsam ist es im Exil, wenn man die Erinnerungen an die Heimat nicht vergessen kann. Die vermeintlich gewonnene Freiheit befriedigt nicht die Sehnsucht der Protagonistin nach einem vertrauten Ort, und irgendwann scheint der Freitod die einzig wirkliche Freiheit zu sein... Das Theaterstück „Niemandsland“ kam zuerst in der persischen Sprache auf deutsche und europäische Bühnen, Die deutschsprachige Version präsentiert die Theatergruppe „Daritsche“ mit Parvaneh Hamidi am Fr, 27.3., 20 Uhr, Bad. Staatstheater Karlsruhe, Die Insel und am Sa, 28.3., 20 Uhr, in der Akademie Schloss Rotenfels, Gaggenau.

Nicht nur die Schumachers lieben es schnell. Auch das Herz der jungen Iranerin Sonbol pocht für Geschwindigkeit. Die Rennfahrerin hat in den USA Medizin studiert, arbeitet im Iran als Zahnärztin und frönt einem Hobby, das ihre Landsleute provoziert. In dem Film „Rallye durch den Gottesstaat“ dokumentiert Regisseur Niko Apel ihr ungewöhnliches Leben. Am Fr, 27.3., 20 Uhr, im Kellertheater Rastatt, Herrenstr. 24.

In ihrem Heimatland kennt sie jeder: Persische Volkslieder gehören im Iran zum Kulturgut. Der französisch-iranische Komponist und Dirigent Iradj Sahbai arbeitet in Frankreich und im Iran. Interpretiert werden seine Arrangements von der Sängerin Nathalie Gaudefroy und der Harfenistin Anja Linder. Am So, 29.3., 17.30 Uhr, im Centre Culturel Franco-Allemand, Karlsruhe. -ub/bes/rowa

Kulturfestival Frauenperspektiven, „Tausendund_ein Iran“, 13.-29.3. in Karlsruhe und Region
www.karlsruhe.de/frauenperspektiven

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