Globaler Klimastreik: Paula Kanzleiter von FFFKA im INKA-Interview

Stadtleben // Artikel vom 03.03.2023

Weltweit gehen im März wieder Menschen auf die Straßen, um für mehr Klimagerechtigkeit zu demonstrieren.

In Karlsruhe startet die Demonstration am Fr, 3.3. um 12.30 Uhr am Marktplatz. Florian Kaufmann sprach mit Paula Kanzleiter, einer der Organisatorinnen des Karlsruher Klimastreiks darüber, was sich vor Ort verändern muss und warum sie immer noch auf die Straße geht.

INKA: Am 3.3. geht ihr wieder auf die Straße – was wollt ihr erreichen?
Kanzleiter: Immer noch das, für was wir seit 2018 auf die Straße gehen und was eigentlich schon 2015 mit dem Pariser Klimaabkommen einstimmig vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde: eine Klimapolitik, die sich an das 1,5 Grad-Ziel hält. Es darf nicht allein darum gehen, Emissionen einzusparen, das muss auch sozial und global gerecht umgesetzt werden.

INKA: Was heißt das für Karlsruhe?
Kanzleiter: Auch in Karlsruhe können viele Dinge konkret angepackt werden. Mit dem RDK 7 im Rheinhafen läuft hier immer noch ein altes Kohlekraftwerk, das unglaubliche Mengen CO2 verursacht. Wir haben hier in der Stadt ein Klimakonzept, das sich nicht an das 1,5 Grad-Ziel hält, und darüber hinaus noch nicht mal in diesem zu kleinen Rahmen ausfinanziert und umgesetzt wird. Auch wenn wir uns mit Fahrradfreundlichkeit rühmen, sind wir eine Stadt, die immer noch von Autos geprägt ist und weit weg von einer klimaneutralen Stadt.

INKA: Was muss sich konkret ändern?
Kanzleiter: Vieles. Wir fordern, dass als erster Schritt die Sophienstraße zum neuen Schuljahr eine echte Fahrradstraße wird. Das ist nicht nur klimapolitisch, sondern auch für die Lebensqualität in der Stadt ein wichtiger Schritt. Mehr Sicherheit auf dem Schulweg und mehr Grünflächen und Lebensraum, dort wo heute Autos stehen. Der neu entstehende Raum könnte für Gastronomie, Spiel- und Sportgeräte und zur Erholung genutzt werden. Straßen wurden nicht für Autos gebaut – wir wollen, dass das Leben zurück auf die Straße geholt wird.

INKA: Was muss sich aus eurer Sicht noch in der Stadt ändern?
Kanzleiter: Da gibt es viele Dinge. Grundlage ist, dass sich Karlsruhe ein CO2-Ziel setzt und dann eine Politik macht, die sich daran hält. Die Mobilitätswende muss in der ganzen Stadt stattfinden. D.h. der Fuß-, Rad und öffentlicher Personennahverkehr muss gefördert und angenehmer gemacht werden. Die Stadtverwaltung selbst muss klimaneutral werden und den Ausbau erneuerbarer Energien fördern. Dazu wird der Bausektor immer unterschätzt. Die klimafreundliche Sanierung eigener Liegenschaften und mehr klimapolitische Auflagen beim Neubau und der Sanierung von Gebäuden könnte die Kommunalpolitik sofort angehen und umsetzen. Neubau darf nur die letzte Möglichkeit sein, wenn wirklich keine Sanierung mehr möglich ist. Auch zukunftsfeste Standards müssen viel stärker umgesetzt werden. Der Gemeinderat unterschätzt immer wieder seine eigenen Handlungsfähigkeiten. Die Stadt hat viele Hebel, nutzt sie aber zu wenig.

INKA: Warum werden diese Hebel nicht genutzt?
Kanzleiter: Es gibt immer noch Parteien im Gemeinderat, die sich weigern, die Radikalität der herrschenden Klimakrise zu erkennen – und keine der Parteien des Gemeinderats scheint die nötigen Handlungskonsequenzen wirklich anzuerkennen. Es wird vielfach nicht erkannt, dass wir die Techniken die Klimakrise anzugehen schon lange haben. Erneuerbare Energien werden immer weiterentwickelt. Andere Lösungen wie Öffentlicher Nahverkehr oder das Fahrrad sind bereits über 100 Jahre alt. Die Bewältigung der Klimakrise scheitert nicht an technischen Innovationen, sondern an politischen Entscheidungen. Das Warten auf neue Technologien oder andere politische Ebenen hilft dem Klima genauso wenig wie faule Kompromisse. Karlsruhe kann und muss voran gehen.

INKA: Ein großes klimapolitisches Thema in den vergangenen Wochen war die Fällung der Platanen auf der Kaiserstraße. Was zieht ihr aus der Diskussion?
Kanzleiter: Viel Unverständnis. Bei den von der Stadtverwaltung angeführten Befällen der Platanen wurde viel Drama um wenig gemacht. Es ist klar: Der Schädlingsbefall wäre auch ohne Fällung zu lösen gewesen. Jetzt werden die neuen Bäume für viele Jahre täglich künstlich bewässert werden müssen, weil ihre Wurzeln nicht ans Grundwasser reichen. Und auch die Klimaanpassung leidet darunter. Wir wissen längst, welch große Bedeutung bestehende Bäume für das Stadtklima haben. Bäume bieten Schatten und kühlen die Stadt herunter. Die Platanen hatten da eine große Wirkung, die die neuen Bäume mindestens für die nächsten zehn Jahre nicht bieten können. Dass nicht einfach die schon bestehende, simple Lösung genutzt wurde, ist nicht nachvollziehbar.

INKA: Jetzt mal noch zu euch als Bewegung: In anderen Städten diskutieren Gruppen von Fridays For Future, ob Demonstrationen überhaupt noch der richtige Weg sind, um die Ziele zu erreichen. Warum setzt ihr weiter auf Demos?
Kanzleiter: Wir sind damit nicht alleine – es wird weiter in vielen Städten global demonstriert. Dass wir weiter Klimastreiks organisieren, liegt auch daran, dass wir Teil einer großen Klimagerechtigkeitsbewegung sind, die viele unterschiedliche Aktionsformen wählt. Alle davon braucht es. Wir wollen zeigen: Wir kämpfen gemeinsam, niemand ist alleine.

INKA: Es ist auch das fünfte Jahr von Fridays For Future. Was habt ihr geschafft und was ist noch zu tun?
Kanzleiter: Wir haben es geschafft, dem Thema Klimagerechtigkeit eine neue Aufmerksamkeit zu geben. 2018 war eigentlich der Plan, zu sagen: Hey, wisst ihr noch, dieser internationale Vertrag für 1,5-Grad – bitte macht doch mal euren Job und haltet euch daran, dann sind wir auch wieder weg. Natürlich war das naiv. Aber wir haben gelernt. Und wir haben gesehen, wie viele Menschen das Thema beschäftigt und wie viele Sorgen um die Gegenwart und Zukunft haben. Die Gesellschaft ist in vielen Aspekten der Klimagerechtigkeit weiter als die Politik. Das gibt uns auch Hoffnung, dass wir 1,5 Grad schaffen können. Jetzt geht es darum, von der Politik die Umsetzung einzufordern.

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