Großer Wurf oder Provinzposse?

Stadtleben // Artikel vom 23.12.2007

Kreativpark im Schlachthof: Allmählich füllt sich der Kreativpark auf dem Schlachthofgelände mit kulturellem Leben, doch wie sind die Aussichten beim „kulturnahen Gewerbe“?

Aktuell ernüchternd: Wenn nicht der Rock Shop und/oder die Musikschule Intakt für den Rahmen eines kulturnahen Gewerbes stehen sollten, wer dann? Hat die Karlsruher (Kultur-)Politik noch immer nicht verstanden, dass ein gut geplanter, großer „Kreativpark“ rund um Eckpfeiler wie Tollhaus, Substage, Jazzclub oder Alte Hackerei zu einem Besuchermagneten für den gesamten Südwesten werden könnte? Dass Kultur kein weicher, sondern ein harter Standortfaktor mit einem großen Potenzial an Arbeitsplätzen und vielfältigen anderen Syn-
ergien ist?

Wie groß der Bedarf an „freier“ Kultur ist, zeigte ja nicht nur das Programm der abgerissenen Zschernitz-Halle, das aktuell in anderer Form in der Fleischmarkthalle fortgeführt wird. Mit einer zweiten 2000er-Halle neben der Tollhaus-Erweiterung wird es jedenfalls nicht getan sein. Grund genug für Felix Mescoli und das INKA-Stadtmagazin, den Stand der Dinge bei der mehrheitlich städtischen Fächer GmbH, beim ehemaligen Kämmerer der Stadt Uwe Hochmuth sowie beim Rock Shop abzufragen.

„Der Bebauungsplanvorentwurf wurde Ende September der Bevölkerung vorgestellt und an Fachbehörden verschickt, nächster Schritt ist die Einarbeitung der Anregungen von Umweltamt, Naturschutzbehörden und Wirtschaftsförderung“, sagt Stadtplanerin Barbara Rettenmaier von der Fächer GmbH. Beschlossene Sache ist die Führung einer Straßenbahntrasse durch die Geländeachse. Diese Pläne werden im Frühjahr 08 ausgelegt. Sollten sie von den Bürgern akzeptiert werden und sich keine größeren Überraschungen ergeben, könnten die Erschließungsarbeiten wie die Verlegung von Gasanschlüssen, die unter anderem für den Ausbau von Substage und Tollhaus zentral sind, im Herbst 08 beginnen.

Das Substage will im Herbst 2009 eröffnen, zu diesem Termin drängen laut Rettenmaier auch die Verkehrsbetriebe wegen der U-Strab-Pläne auf einen Auszug. Weiterhin geplant ist der Bau einer Veranstaltungshalle mit einer Kapazität von zwei- bis dreitausend Besuchern. „Detailverhandlungen hat esnoch nicht gegeben, vorgesehen sind solche für nächstes Jahr“, sagt Klaus Lehmann, Geschäftsführer der Fächer GmbH. Es stellt sich das Problem der Parkplätze: Für eine Halle dieser Dimension müssen 250 Parkplätze ausgewiesen werden, was bei gleichzeitiger Nutzung des dafür angedachten Messplatzes unmöglich ist. Im Raum steht laut Peter Gorisch vom Konzertveranstalter und Hallenbetreiber in spe, Onstage, der Bau eines Parkhauses in Kooperation mit dem Bauträger.

Ob und wie nach dem gescheiterten Umzug des Rock Shop das Segment des kulturnahen Gewerbes ausgefüllt werden wird, bleibt offen. Für das ehemalige Zschernitz-Grundstück an der Durlacher Allee, dem als „Gesicht“ des Kreativparks und Entrée Karlsruhes besondere Bedeutung zukommt, denkt Rettenmaier etwa an „Creative-Industries“. Dabei wird sich auf insgesamt 17 000 m² sicher keine kleine Softwareschmiede ansiedeln. Entweder findet sich ein Zusammenschluss von mehreren Firmen oder ein größerer Träger, der in diesem Segment des kreativen Gewerbes „irgendwas macht“.

Nicht nur angesichts dieser eher vagen Hoffnungen stellt sich die Frage, ob mit dem städtischen Abblocken des Projekts Rock Shop, das obendrein die Ansiedlung des Beschallers Crystal Sound, der Musikschule Intakt sowie eines Künstlerhotels à la „House Of Blues“ mit zweihundert Zimmern beinhaltet hätte, nicht die einmalige Chance vertan wurde, dem Kreativpark ein unverwechselbares Gesicht zu verleihen und ein bundesweit einmaliges „Kultur-Industriegebiet“ zu schaffen, das weit über die Stadtgrenzen hinaus Wirkung entfaltet.

„Für einen ansprechenden Mix aus Kultur und Gewerbe wäre das ideal gewesen“, sagt Uwe Hochmuth, der als Kämmerer der Stadt Karlsruhe bis zu seinem Wechsel an die Hochschule für Gestaltung die Verhandlungen mit dem Rock Shop führte. „Ich hätte eine Lösung gefunden, beispielsweise wäre ein Grundstückstausch möglich gewesen“, so der ausgebildete Finanz- und Volkswirt. Damit widerspricht Hochmuth der Darstellung von Bürgermeisterin Margret Mergen in einem Kulturmagazin, die Stadt habe dem Rock Shop „ja schließlich nicht seine kaum anderweitig nutzbare Immobilie abkaufen“ können.

„Wir haben von Anfang an, also bereits im Dezember 2006, klar gemacht, dass wir das Projekt nur bei einem entsprechenden Wertausgleich für unsere Altimmobilie stemmen können“, hält Rock-Shop-Gesellschafter Gerd Gruß des Weiteren Mergens im selben Interview getätigter Aussage entgegen, der Rock Shop selbst habe „nach Prüfung der Rahmenbedingungen feststellen [müssen], dass es für ihn besser sei, sich am bisherigen Standort Kirchfeld zu erweitern.“ Noch am 30. April habe es im Rathaus ein Treffen unter Beteiligung des Kulturreferats, der Wirtschaftsförderung, des Stadtplanungsamtes, Intakt sowie dem Hotelinvestor und Bürgermeister Ullrich Eidenmüller gegeben, bei dem das 25-Millionen-Euro-Projekt unter allseitigem Beifall vorgestellt worden sei, sagt Gruß. Am 22. Mai habe dann Mergen – seit 23. Februar im Amt – die Verwertung der Altimmobilie abgesagt.

Weiter beklagt Gruß, dass sich der ursprüngliche Grundstückspreis im Laufe der Verhandlungen für den viergeschossigen Bereich von Rock Shop und Intakt verdoppelt, beim elfstöckigen Künstlerhotel sogar nahezu verdreifacht habe. Das Interesse des deutschlandweit tätigen Investors sei dadurch merklich abgekühlt. Außerdem seien durch die Verzögerung bei der nun doch notwendigen Erweiterung in Neureut Mehrkosten im sechsstelligen Bereich entstanden. Klaus Lehmann, Geschäftsführer der Fächer GmbH, begründet das Scheitern eines Grund-stückstausches mit auseinanderliegenden „Erwartungen des derzeitigen Eigentümers der Altimmobilie und den Marktgegebenheiten“ und die Preissteigerungen mit dem auf Wunsch des Rock Shops geänderten städtebaulichen Programm.

„Die Beträge sind abhängig von der Ausnutzung“, je mehr man auf ein Grundstück bauen darf, desto teurer wird es im Verhältnis. Weiteres hätte imWirt-schaftsförderungsausschuss verhandelt werden müssen, dort wurde aber wohl nur die Erweiterung in Neureut diskutiert. Die Fächer GmbH ist zwar Grundstückseigentümer des Kreativ-parkgeländes, aber „die Planungshoheit liegt bei der Stadt“, und den politischen und finanziellen „Spielraum in der Größenordnung haben wir nicht“, erklärt Lehmann. „Wir würden es aber jederzeit begrüßen, wenn die Entscheidung revidiert würde“. Dazu Uwe Hochmuth: „Wir hätten alles getan, um die Preise niedrig zu halten. Mit dem Rock Shop als Ankerbetrieb wären die hinteren Grundstücke attraktiver gewesen.

Selbst wenn man einen anderen fände, das Konzept ist verwässert.“ Stadtentwicklung müsse „doch noch irgendwie ökonomisch vertretbar bleiben“, hatte hingegen Mergen in besagtem Interview gefordert. Hier sei auf die ECE-Ansiedlung verwiesen, die der Stadt immerhin die Verlegung einer frisch sanierten Schule, des Kammertheaters und des Centre Culturel sowie den Abriss eines ganzen Viertels wert war. Von dem im Zusammenhang mit dem Zschernitz-Grundstück aufkommenden Filetstück-Gerede will Lehmann jedenfalls nichts wissen.

„Das haben wir schon am Hauptbahnhof“, spielt er auf das schwer verkäufliche Brachgelände der einstigen Ex-Steffi an. Für den Bauplatz an der Durlacher Allee gebe es zwar Interessenten, aber keine konkreten Verhandlungen. „Unter normalen Umständen würde man beim derzeitigen Stand des Verfahrens mit Interessenten überhaupt nicht sprechen“, ergänzt Rettenmaier. So müssten mögliche Auswirkungen jedweder Nutzung – etwa durch Druck – auf das Strömungsverhalten des Grundwassers erst noch berechnet werden, auch sei die Altlastenerkundung keineswegs abgeschlossen.

Weiter gebe es keinerlei Planungssicherheit, bis Gemeinderat und Bevölkerung nach Auslegung der Pläne im Frühjahr rechtliche Verbindlichkeit – auch was Grundstückspreise angeht – geschaffen haben. Es bleibt also weiter spannend, ob Karlsruhe dem vollmundigen Slogan seiner XXL-Schilder-Aktion wenigstens einmal gerecht wird.

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