Interview mit Stadtmarketing-Chef Norbert Käthler
Stadtleben // Artikel vom 15.04.2011
Es ist zu wünschen, dass dem zwischen allen Stühlen sitzenden Karlsruher Stadtmarketing mit seiner halb-privaten City Initiative unter neuem Dach als rein städtischer GmbH der Reset gelingt.
Ein Anfang ist gemacht, denn Stadtmarketing-Chef Norbert Käthler stellt sich im INKA-Interview von Roger Waltz auch unbequemen Fragen – nicht aber der nach der Rolle von City-Initiative-Geschäftsführer Binoth in Bezug auf die Kunst-Initiative „KulturZeitRäume“. Binoth selbst verbat sich Ende letzten Jahres jedes Interview zum Thema „Kooperationsmarketing“. Warum eigentlich?
Roger Waltz: Der Gemeinderat Karlsruhe hat in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, die Stadtmarketing GmbH im Falle einer Umsatzsteuernachzahlung mit 1 Million Euro zu unterstützen. Warum sollte die Öffentlichkeit von diesem laut OB völlig normalen Vorgang nichts erfahren?
Norbert Käthler: Nach einem Urteil 2008 ergab sich eine neue Rechtssprechung zur Umsatzsteuer für öffentliche Gesellschaften. Direkt danach hat die Stadtmarketing GmbH beim Finanzamt nachgefragt, wie sie steuerlich damit umgehen soll. Im Januar 2011 gab es dann ein erstes Schreiben der Finanzbehörden, aber bis heute keinen endgültigen Bescheid. Somit handelt es sich immer noch um ein schwebendes Verfahren, sonst wäre die Ratsentscheidung selbstverständlich öffentlich gefallen.
RW: Deutet dieser Finanzvorgang nicht in Wahrheit darauf hin, dass die Stadtmarketingstruktur mit öffentlichen und privaten Anteilseignern von Anfang an wenig effizient für die Stadt war? War das ein Grund für die Neustrukturierung des Stadtmarketings?
NK: Diese Restrukturierung hat mit der steuerlichen Frage nichts zu tun. Sie war notwendig, um die Kräfte im Stadtmarketing noch stärker zu bündeln und den Austausch zwischen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern zu intensivieren.
RW: Und wie ist in diesem Zusammenhang die private City Initiative aus Sicht des Stadtmarketings zu bewerten?
NK: Die Karlsruher City Initiative ist ein Verein mit insgesamt 500 Mitgliedern, rechtlich selbstständig und betreibt sehr erfolgreich City-Marketing. Es kann vorkommen, dass nicht jede Veranstaltung für jedes Mitglied den gleichen Mehrwert hat. Anders als in vielen Städten ist es in Karlsruhe gelungen, die Kaufkraft trotz der Baustellensituation in der Innenstadt zu halten. Nach einem Jahr Baustelle verzeichnen die Händler wieder leichte Umsatzgewinne. Das ist auch der guten Kooperation zwischen Stadtmarketing, KASIG und City Initiative zu verdanken.
RW: Baustellenmarketing ist gleich „Kooperationsmarketing“? Von diesem weiß kaum jemand etwas, auch Mitglieder des Kasig-Aufsichtsrates können auf INKA-Nachfrage nur völlig Allgemeines über den konkreten Sinn und Zweck dieses Kooperationsmarketings berichten. Wie lange läuft dieses, wie ist es finanziell ausgestattet und woher stammen die enormen Gelder?
NK: Sie sprechen von enormen Geldern? Stuttgart arbeitet mit zwölf Millionen Euro im Stadtmarketing, Rhein-Neckar mit sieben Millionen, unser Finanzvolumen ist sehr viel geringer. Da muss man auch einmal die Verhältnismäßigkeit sehen. Für das Baustellenmarketing haben wir gemeinsam mit der KASIG und der City Initiative ein Finanzierungskonzept abgestimmt und agieren hier sehr transparent, es gibt auch regelmäßig öffentliche Informationsveranstaltungen. Insgesamt verfügen wir über einer Million Euro p.a., hier von drei Viertel von der KASIG und ein Viertel von der privaten Wirtschaft. Mit den Mitteln sind unter anderem vier Veranstaltungen wie z.B. zwei lange Einkaufsnächte und zwei Stadtfeste geplant. Wir können sagen, dass 50 Prozent des Budgets in Veranstaltungen mit frequenzsteigender Funktion fließen und 50 Prozent in Kundenbindungsaktionen. Wir verfolgen langfristig das Ziel, die Baustelle positiv zu inszenieren. Derzeit läuft ein trinationaler Hochschulwettbewerb für die Gestaltung weiterer Bauzäune.
RW: Und wie sind die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Hochschulen?
NK: Die Wissenschaftslandschaft ist einer der ganz großen Trümpfe von Karlsruhe. Deshalb haben wir im Stadtmarketing das Wissenschaftsbüro eingerichtet und planen mit den 22 wissenschaftlichen Institutionen Projekte, wie die Forschung noch stärker in der Stadt sichtbar wird. So haben wir zum Beispiel mit dem Fame Lab als baden-württembergische Meisterschaft in der Wissenschaftskommunikation gezeigt, dass Wissenschaft für alle spannend sein kann. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem KIT und dem Tollhaus umgesetzt, ein schönes Beispiel, wie Hochschulkooperation funktioniert.
RW: Seit Spätherbst 2010 war vor allem in den immergleichen Medien ein Trommelfeuer an Anzeigen für Geschenkgutscheine, den „Karlsruher“ etc. zu sehen. In der hiesigen Tageszeitung hagelt es große Reportagen rund um das Thema Baustelle als „Erlebniskultur“. Ist auch dies dem Kooperationsmarketing zu zurechnen?
NK: Die Medienberichterstattung zeigt, wie groß das Interesse an den Stadtumbaumaßnahmen ist. Wir freuen uns, wenn unsere Arbeit wahrgenommen wird. Auch das INKA begleitet unsere Aktionen kritisch konstruktiv.
RW: Wer bestimmt letztlich, für was konkret diese Summen eingesetzt werden? Manch ein Kreativer der Kulturszene fühlt sich angesichts der Ende 2010 angedachten Kulturkürzungen wie in einem falschen Film…
NK: Die Grundrichtung wird vom Gemeinderat vorgegeben. Die einzelnen Projekte werden durch den Lenkungskreis aus KASIG, City Initiative und Stadtmarketing entschieden. Hierbei sind auch Kooperationen mit Kultureinrichtungen umgesetzt worden. Nehmen Sie zum Beispiel das Projekt „Music To Go“, bei dem 150 Studenten der Hochschule für Musik in der Fußgängerzone musizieren.
RW: Stimmt es, dass die City Initiative rund 500.000 Euro für Geschenkgutscheine abschreiben muss, die nicht eingelöst wurden?
NK: Nein. Das stimmt nicht. Im Übrigen müssen Sie das Thema mit den Verantwortlichen der City Initiative besprechen.
RW: 2010 war geplant, aus Geldern des Kooperationsmarketings finanziert einen eigenen „Einkaufsführer“ herauszugeben. Kurze Zeit vorher erschien unser etwas anderer Einkaufsführer „Einzelhelden“. Ist es Aufgabe des Kooperationsmarketings, kleinen Verlagen Konkurrenz zu machen?
NK: Bevor „Einzelhelden“ herauskam, hatten wir einen Einkaufsführer in Planung, da es ein solches Produkt vorher in Karlsruhe noch nicht gab. Da der Einkaufsführer „Einzelhelden“ aber sehr gut gemacht war, haben wir uns entschieden, keinen eigenen herauszugeben.
RW: Sie sind auch im Bereich der Social Networks aktiv. Sie sprachen von 8.000 Facebook-Fans des Stadtmarketings? „Fan“ eines Stadtmarketings zu sein ist doch eher unüblich?
NK: Richtig. Es geht ja auch nicht um das Stadtmarketing, sondern um die Stadt Karlsruhe. Wir agieren für die Stadt als Botschafter in den sozialen Netzwerken. Unseren Fans auf Facebook gefällt Karlsruhe. Auf dieser Plattform kommunzieren wir Themen, Veranstaltungen und Besonderheiten aus Karlsruhe.
RW: Welche Summe haben Sie für die Aktivitäten in den Social-Media-Plattformen investiert?
NK: Das Marketing über die Neuen Medien ist eine kostengünstige Art, ein solches Stadtbotschafterkonzept umzusetzen, deutlich kostengünstiger als andere nicht internetbasierte Formen. Das merken wir auch daran, dass nun immer mehr Städte und auch z.B. das Land Baden-Württemberg auf die Neuen Medien als Marketinginstrument setzen. Dass Karlsruhe hier einer der Vorreiter ist, passt durchaus gut zu unserem Image als High-Tech- und Internethauptstadt.
RW: Stichwort Stadtjubiläum 2015 - welches Leitmotiv gibt es dafür?
NK: Seit 2009 arbeiten wir gemeinsam mit Politik und Verwaltung auf das Stadtjubiläum 2015 hin. Hierfür haben wir das Leitmotiv „Erfinden“ entwickelt. Es thematisiert die Gründungsgeschichte sowie Karlsruhe als Ort der Innovation. Im Grundriss der Stadt bildet sich dieses Motiv im Kreis rund um das Schloss ab. Eine erste Aktion hierzu ist der Ideenwettbewerb zum Stadtjubiläum 2015. Insgesamt 389 Ideen wurden von Bürgerinnen und Bürgen eingereicht, die zeigen, wie groß der Erfindungsreichtum der Karlsruherinnen und Karlsruher ist. 15 Ideen werden im Festivalsommer 2015 umgesetzt.
RW: Während die Städte und Gemeinden noch an den ausgebliebenen Gewerbesteuerzahlungen zu knabbern haben, strotzt die Autoindustrie schon wieder vor Kraft. Bestimmen die Konzerne die Themen des Stadtmarketings?
NK: Sie spielen an auf den „Automobilsommer 2011“, der in ganz Baden-Württemberg gefeiert wird? Es wäre doch fahrlässig, exakt dieses Thema nicht für die Zwecke des Stadtmarketings zu verwenden. Mit Karl Drais, Erfinder des Laufrades und Carl Benz, Erfinder des Automobils, haben doch die Karlsruher die Welt auf Räder gestellt. „Karlsruhe nimmt Fahrt auf“ widmet sich ganz dem Thema der Mobilität.
RW: Was konkret erwartet uns zum Stadtgeburtstag 2011?
NK: Wir werden vom 17. bis 19. Juni das Schloss in den Mittelpunkt aller Aktivitäten stellen. Der Zirkel symbolisiert das Rad und der Schlossturm das Zentrum der Stadt. „Wir bringen das Rad zum Drehen“ ist folglich einer unser Programmhöhepunkte, an dem wir den Zirkel 24 Stunden durchgehend bespielen wollen. Der „Bewegungsparcours“, das „Junge Forscherfest“ sowie ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm runden das Ganze ab. Das traditionelle Draisinenrennen findet, wie auch der Oldtimercorso „Tribut an Carl Benz“, in diesem Jahr zum ersten Mal im Karlsruher Schlosspark statt. Es war uns weiterhin sehr wichtig, dass herausragende Karlsruher Institutionen sich mit eigenen Beiträgen am Stadtgeburtstag beteiligen. So wird die Ausstellung „Car Culture“ im ZKM sicher einer der Höhepunkte sein.
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