Kulturring befragt Karlsruher OB-KandidatInnen
Stadtleben // Artikel vom 18.11.2020
Statt der geplanten Podiumsdiskussion hat der Kulturring die OB-KandidatInnen schriftlich zu ihrer Einstellung zur Kultur in Karlsruhe befragt.
Wo liegen die Stärken der Karlsruher Kulturlandschaft und wo ihre größten Entwicklungsmöglichkeiten? Kann der Karlsruher Rheinhafen in Zukunft für Veranstaltungen und kulturelle Einrichtungen Räume bieten? Welchen Stellenwert genießen Kunst und Kultur in Corona-Zeiten und müssen die Akteure womöglich für die Zeiten nach der gegenwärtigen Krise Einsparungen befürchten?
Eigentlich wollte der Karlsruher Kulturring die Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl am 6.12. auf ein gemeinsames Podium bitten, um deren Einstellungen zur Kultur im Allgemeinen und der freien Kulturszene im Besonderen zu erfragen und gemeinsam zu diskutieren. Der gegenwärtigen Situation geschuldet hat das Netzwerk spartenübergreifender Kulturschaffender nun sechs Fragen an vier der Bewerber Petra Lorenz (Freie Wähler/Für Karlsruhe), Frank Mentrup (SPD und Grüne), Vanessa Schulz (Die Partei) und Sven Weigt (CDU und FDP) gestellt.
Kulturring: Was würden Sie am meisten in Karlsruhe vermissen, wenn es verschwände?
Petra Lorenz: Die KarlsruherInnen und auch das viele Grün in der Stadt.
Frank Mentrup: Achtung Fangfrage! Und nicht monothematisch zu beantworten, aber ganz persönlich und nur auf den Kulturbereich beschränkt: „Zeltival“, „Das Fest“, „Schlosslichtspiele“, ZKM, überraschende Kleinkunst im öffentlichen Raum, „Händel-Festspiele“, Galerie Knecht und Burster, Substage-Terrasse...
Vanessa Schulz: Ich bin ein großer Fan der „Theaternacht“, und habe schon eine kleine Button-Sammlung. Dieses Event würde ich sicher am meisten vermissen, dicht gefolgt von den vielen schönen Open-Air-Stadtteil- und Straßenfesten.
Sven Weigt: Von den Institutionen, die ich bisher kennenlernen durfte, möchte ich mich nicht trennen. Allgemein werde ich keine Wertung vornehmen. Kultur stiftet Identität, jede Institution ist ein Baustein der Identität der Kulturstadt Karlsruhe; jeder Verlust wäre schmerzhaft.
Kulturring: Nennen Sie bitte die beiden letzten Kulturveranstaltungen, die Sie besuchten.
Lorenz: Den Poetry Slam bei der Eröffnung der „Literaturtage“, im Mai 2020 wäre Rolf Miller gewesen (wurde auf Februar 2021 verlegt, die Karten haben ich noch), „Traumschöff“ im Kammertheater.
Mentrup: Peter Lehel & Co. in der Hemingway Lounge, die Hermann-Hesse-Preisverleihung im Rathaus. Alles andere war coronabedingt nicht möglich („Zeltival“, schnief!!).
Schulz: In der Corona-Pandemie ist das eine schwere Frage. Das „Kulturfrühstück“ zählt ja vermutlich nicht, also war es wohl die „Theaternacht“ 2019.
Weigt: „Tatort“ von Harald Hurst im Sandkorn Theater, „Lustige Witwe“ von Franz Lehár am Badischen Staatstheater.
Kulturring: Karlsruhe hat eine breite und vielfältige Kulturlandschaft. Wo sehen Sie die kulturellen Schwerpunkte der Stadt und die größte Entwicklungsmöglichkeiten in den kommenden acht Jahren?
Lorenz: Die Kulturlandschaft in Karlsruhe hat eine wunderbare Vielfältigkeit und eine hohe Qualität! Den Schwerpunkt sehe ich darin, dies Vielfältigkeit zu erhalten, gerade im Hinblick auf Corona und die schwierige Haushaltslage. Die Besten Entwicklungsmöglichkeiten sind immer, wenn man seine Kreativität ausleben kann. Dies steht im Zusammenhang mit finanziellen Spielräumen, Räumlichkeiten, der Vernetzung mit anderen und der Einbindung in das Stadtmarketing und die Stadtgesellschaft. Daher würde ich gerne zukünftig zentrale Orte, wie z.B. den Marktplatz mehr einbinden und Raum für Kulturveranstaltungen/Aufführungen/Workshops zur Verfügung stellen bzw. bespielen.
Mentrup: 1.) City of Media Arts: Stärkung jeder Form der Medienkunst sowohl institutionell (insbesondere ZKM) als auch in der freien Kunst- und Kulturszene (Wettbewerbe, Ausschreibungen wie „Seasons of Media Arts“), Beteiligung der ganzen Kulturszene am internationalen Austausch der Media-Arts-Städte im Unesco-Netzwerk der Creative Cities; 2.) Stärkere Einbindung aller Kunst- und Kulturschaffenden in unsere internationalen Städte- und Projektpartnerschaften zum gegenseitigen Austausch und zum Horizonterweitern. 3.) Die Innenstadt als variable Bühne: Kunst und Kultur real wie auch unabhängig von Zeit und Raum in der Innenstadt digital und virtuell erlebbar zu machen und damit das Erlebnis Innenstadt in eine völlig andere Sphäre zu bringen. Weiß nicht, ob das funktioniert, aber wo, wenn nicht in Karlsruhe, kann so etwas klappen. Jede Kunst- und Kulturform ist willkommen und denkbar. Ist übrigens keine Idee von mir, sondern Ergebnis eines städtischen Brainstormings.
Schulz: Die Schwerpunkte sehe ich in den vielen kleinen und großen Theatern und unseren tollen Museen. Entwicklungsmöglichkeiten gibt es vor allem im Bereich Street-Art – ich würde mir mehr Free Walls und Graffiti-Projekte wünschen. Und aktuell muss sich die Kulturlandschaft wohl auf Entwicklung alternativer, coronakonformer Veranstaltungen konzentrieren.
Weigt: Im Bereich der hochsubventionierten Kultur muss das Problem der Leitung am Badischen Staatstheater Karlsruhe gelöst werden. Die Raumfrage bei der Staatlichen Kunsthalle muss ebenfalls rasch geklärt werden, damit ein Vorgang, wie die entgangene Sammlung von Sean Scully unserer Stadt nicht noch einmal passiert. Die Vielfalt der freien Kultur ist ein Aushängeschild für die Stadt. Kaum eine Stadt hat eine solch hohe Dichte an Kulturveranstaltungen wie Karlsruhe. Daher möchte ich hier den Bereich Kulturmarketing und Kulturtourismus stärken und weitere AkteurInnen einbinden. Wir sollten überlegen, in der Karlsruher Messe eine Kulturmesse anzubieten, ggf. in Zusammenarbeit mit Freiburg. Vor allem möchte ich im Bereich der freien Kulturangebote die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit stärken. Die Kulturszene dürfte sich mit mir als Oberbürgermeister auf volle Unterstützung aus dem Rathaus verlassen.
Kulturring: Eine lebendige Kulturszene braucht Räume zu Entfaltung. Doch der Platz in der Stadt ist mittlerweile sehr begrenzt. Insbesondere für freie Künstler, junge Initiativen und Absolventen der künstlerischen Hochschulen müssen Ateliers, Probe- und Veranstaltungsräume darüber hinaus günstig und bezahlbar sein. Wo sehen Sie Spielräume, und wie werden Sie sich als OB dafür einsetzen, der drängenden Raumnot der freien Kulturträger und künstlerisch Tätigen abzuhelfen?
Lorenz: Als Oberbürgermeisterin werde ich mich für eine bessere Vernetzung von Kultur und Wirtschaft einsetzen. Einige Gewerbeimmobilien böten Raum für Proben und Veranstaltungen außerhalb der Geschäftszeiten. Hier sehe ich auch neue Synergie-Effekte durch Kooperationen und/oder Sponsoring.
Mentrup: Karlsruhe hat bereits jetzt überdurchschnittlich viele Angebote an geförderten und günstigen Kunst- und Kulturräumen. Viele werden nicht nur während der künstlerischen Ausbildung, sondern dauerhaft genutzt. Einerseits muss das im Einzelfall hinterfragt werden. Andererseits brauchen wir zusätzliche Angebote. Mir schwebt ein zweiter Kreativpark vor, der ähnlich der Konzeption des Alten Schlachthof funktioniert, sich aber eher an Kunsthandwerk, Handwerk und KünstlerInnen richtet, die Ateliers u.a.m. suchen. Mir schwebt hier eine Immobilie in Grünwinkel vor, die die Stadt letztes Jahr erwerben konnte.
Schulz: Wenn wir uns für eine halbe Milliarde Euro ein saniertes Staatstheater leisten, wird dieses hoffentlich auch etwas mehr Raum haben. Soweit ich weiß, soll das junge Staatstheater dann umziehen, so dass seine Räume frei würden. Der BGV Lichthof wird ja aktuell schon Vereinen und Organisationen angeboten – das kann man hoffentlich ausweiten. Wenn es gar nicht anders geht, würde ich aber auch Räumlichkeiten im Rathaus außerhalb der Arbeitszeiten für Proben zur Verfügung stellen!
Weigt: Auf Grund des gleichen Inhalts möchte ich Nummer 4 und Nr. 5 gemeinsam beantworten: Ich möchte – wie auch beim Thema Wohnraum - den Rheinhafen und die Areale auf dem Weg hin zum Rheinhafen in den Fokus nehmen. Wenn wir uns vorstellen könnten, hier einen neuen Stadtteil anzusiedeln (der Vorteil wäre, dass wir viel bereits versiegelte Fläche nutzen würden und daher keine neue versiegeln müssten), so würde ich ebenfalls Kunst und Kultur dort verorten. Ich könnte mir ein ähnliches Verfahren wie beim Alten Schlachthof vorstellen. Es ist mir bewusst, dass dies in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen geführt hat.
Kulturring: Ein großes Hindernis der Raumfindung für kulturelle Initiativen sind die Bebauungspläne fast sämtlicher Gewerbe- und Industriegebiete wie auch des Rheinhafens, weil sie eine kulturelle Nutzung mit Publikumsverkehr ausschließen. Werden Sie versuchen, dies zu ändern?
Lorenz: Absolut! Wie in Frage vier bereits beantwortet, sehe ich hier großes Potenzial! Gerade der Rheinhafen ist meines Erachtens eher ein „Schmuddelviertel“ als ein Aushängeschild. Während andere Städte neue Viertel, ganze „Hafen-Cities“ entwickeln.
Mentrup: Das ist ein echtes Ärgernis! Wir sollten in ausgewählten Quartieren die Bebauungspläne ändern, auch wenn das schwierig und langwierig ist. Insbesondere in Teilen des Rheinhafens müssen Erlebnis und Kultur möglich werden, ohne dass wir allerdings die Nutzung als Industriegebiet gefährden dürfen.
Schulz: Das würde ich sehr gerne versuchen zu ändern. Die Gebäude im Rheinhafen werden ja schon oft von FotografInnen genutzt und bilden tolle Kulissen. Leider wird Kultur oft zu wenig wahrgenommen, aber jetzt, wo sie fast gänzlich fehlt, merkt man erst, wie wichtig sie in einer Stadt ist!
Weigt: Siehe Frage 4.
Kulturring: Die kommenden Jahre werden vermutlich durch Corona noch verstärkt von Einsparmaßnahmen für die Stadt geprägt werden. Sehen Sie bei der Kultur Einsparpotenziale, und wenn ja, wo am ehesten?
Lorenz: Aktuell sehe ich keine Einsparpotenziale. Beim Staatstheater werde ich prüfen, ob bei den aktuellen Baukosten ein Neubau an anderer Stelle sinnvoller ist und das Bestandsgebäude nach Umzug einer anderen Nutzung zugeführt werden kann.
Mentrup: Die Kulturinstitutionen haben im Rahmen der Haushaltsstabilisierung vor einigen Jahren bereits Sparbeiträge erbracht, da sehe ich keine Einsparpotenziale. Bei den großen Kulturtankern (ZKM, BST) müssen wir uns für andere Mitfinanziers (Bund) oder ein stärkeres Engagement anderer (Land) einsetzen. Neben den Finanzen sehe ich für die traditionellen Formate der Kunst und Kultur wie Kleinkunst, Theaterhaus, Ausstellungen, Galerien u.a.m. durch Corona und die Zeit danach ganz andere Herausforderungen, die wir zusammen bewältigen müssen!
Schulz: Kultur ist für zivilisierte Menschen beinah so wichtig wie Wohnraum und Nahrung, denn auch unsere Seele braucht „Futter“, daher würde ich versuchen, nur dort zu sparen, wo es am wenigsten weh tut. Die Sanierung des Staatstheaters scheint mir maßlos übertrieben, für solche Summen baut man anderswo neu. Hier sehe ich daher auch das größte Einsparpotenzial.
Weigt: Nein, der Rahmen ist ausgeschöpft. Es ist bedauerlich, dass nach einem Haushaltsstabilisierungsprozess, der tiefe Einschnitte mit sich brachte, die Kassen jetzt wieder ein Defizit ausweisen. Ich möchte, nach einem genaueren Einblick in die Finanzlage der Stadt (vor allem in die Kennzahlen für die nächsten zehn Jahre!) eine solide Finanzierungsstrategie aufstellen. Eventuell wird ein Ausbau der jetzigen Strukturen nicht möglich sein, aber eine weitere Kürzung sehe ich nicht.
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