Mahnwache gegen Grünvernichtung durch Nachverdichtung

Stadtleben // Artikel vom 14.05.2019

In allen Stadtteilen mehren sich die Fälle von Nachverdichtung.

Bauprojekte, die auf grünen, unversiegelten Flächen genehmigt wurden, die Parks und Gärten verschwinden lassen, die den Menschen in Karlsruhe das Stadtgrün nehmen und merklich zur Verschlechterung des Stadtklimas beitragen. Darum haben sich mehrere Initiativen von betroffenen Bürgern zu einer Mahnwache zusammengeschlossen, die vor der letzten Sitzung des Gemeinderats in der aktuellen Legislaturperiode für eine andere Baupolitik und mehr Schutz für Mensch und Natur in der Stadt protestieren.

Im Februar 2019 hatte das LUBW (Landesamt für Umwelt und Naturschutz Baden-Württemberg) in seiner Publikation „Klimawandel als Herausforderung“ gemahnt: „Karlsruhe gilt wegen seiner exponierten Lage im Oberrheingraben als ein Wärmepol Deutschlands. Hinzu kommt der städtische Hitzeinsel-Effekt – die deutlich stärkere Aufheizung von Städten im Vergleich zum Umland. Umso wichtiger ist es für die Stadt, sich proaktiv den Folgen des Klimawandels zu stellen.“ Doch der jetzige Gemeinderat zeichnet sich durch wiederholt vernichtende Baupolitik für die grünen Oasen der Stadt aus und für sein unverantwortliches Handeln gegenüber Natur- und Klimaschutz in Karlsruhe.

Obwohl im Oktober 2018 beschlossen worden war, dass Wohnbebauung und Klimapolitik gleichrangig zu behandeln sind, dass beiden Interessen die gleiche Wichtigkeit zukommen muss, wurden mehrere Bauvorhaben genehmigt, die diesen Beschlüssen entgegenstehen und in naher Zukunft eine massive Verschlechterung des Karlsruher Stadtklimas zur Folge haben. Bedauerlich ist auch, Karlsruhe keinen Anwalt mehr für grüne Politik, für einen respekt- und verantwortungsvollen Umgang mit Themen wie Nachverdichtung und Stadtklima hat. Ausgerechnet die Grünen unterstützten wiederholt in dicht besiedelten Stadtteilen die Vernichtung von letzten intakten Grünflächen, beispielsweise am Fasanengarten und im sogenannten Sophien-Carrée. Wer Grün will kann im Grunde nicht mehr Grün wählen.

Die Schaffung von Wohnraum ist ein wichtiges Thema, das alle etwas angeht. Es wird massiv an Bedeutung gewinnen, das ist auch allen klar. Aber Parteien wie CDU, SPD und FDP sehen sich oft eher als ‚Anwälte‘ von Investoren oder Bauherren denn als Anwälte Bürger, die sie eigentlich repräsentieren sollten. Die boomende Baubranche hat zur Folge, dass immer stärker in die innerstädtischen Grünflächen eingegriffen wird. Investoren sehen in Grünflächen meist nur Bauland, die städtische Verwaltung und der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe setzen auf Bevölkerungswachstum. Einzig die Karlsruher Liste – als Teil der Kult-Fraktion – hat sich über Jahre und konsequent für den Klimaschutz in Karlsruhe und gegen kompromisslose Nachverdichtung eingesetzt.

Vor der Wahl springen alle wieder auf den Zug des Klimaschutzes auf ist. Entscheidend ist jedoch, wie die Gemeinderäte als Vertreter der Menschen in Karlsruhe nach der Wahl entscheiden. Und daran werden sie gemessen – auch von zukünftigen Generationen! Ungeklärt ist auch die Frage, wieviel Wohnraum überhaupt benötigt wird, wie viele leerstehende Gebäude einer Wohnnutzung zugeführt werden könnten, welche bereits versiegelten Flächen sich zur Wohnbebauung eignen. „Es liegt in der Natur der Sache, dass Investoren nur auf ihren Profit aus sind, aber wir erwarten dann vom Gemeinderat eine Politik, die eine schützende und kluge Haltung einnimmt und Bürgerinteressen vor Investoreninteressen vertritt“, so Andrea König, die Initiatorin der Mahnwache. Es könne nicht sein, dass in langen internen Vorgesprächen mit den Investoren ein Planungsstand erreicht werde, der dann, wenn die Planung zu einer demokratischen Abstimmung im Gemeinderat komme, so weit sei, dass Investoren Vertrauensschutz und damit quasi einen Freibrief zur Umsetzung ihrer Interessen hätten.

Diese Entwicklungen haben zu einer Gärten und Parks vernichtenden Planungssituation beispielsweise am Schloss Augustenburg (OPEA-Konzern), im sogenannten Sophien-Carré (Investoren sind vor allem die evangelische und die katholische Kirche), Franz-Rohde-Haus (Ergon Invest Freiburg), Wohnen am Fasanengarten (Hardtwaldsiedlung) geführt. Jüngstes Beispiel von Stadtgrün vernichtender Nachverdichtung ist die Waldstadt, die ebenfalls ein Investor nachverdichten will. Hervorzuheben ist, dass in keinem dieser Fälle von Grün vernichtender Nachverdichtung erschwinglicher Wohnraum geschaffen wurde, in keinem dieser Fälle waren die Planungen alternativlos, in keinem dieser Fälle vertrat die Mehrheit des Gemeinderats die Haltung, Stadtgrün zu schützen.

Die Stadt und die christlichen Kirchen als Investoren handeln unverantwortlich, wenn Sie den grünen Oasen unserer Stadt keine Priorität einräumen. Die Grünen verraten ihre Wähler, indem sie ihr Kernthema, den Schutz von Grün, für andere Interessen vernachlässigen. Mit dem Thema Wohnungsnot hoffen alle zu Punkten und treiben Wähler in die Arme der rechten Partei, die nun mit dem Schutz des Karlsruher Grüns wirbt. Um dies nicht ohne Mahnung hinzunehmen, haben sich die bestehenden Bürgerinitiativen der Oststadt, Waldstadt und Weststadt zusammengeschlossen, um in einer Mahnwache unter dem Motto „Frischer Wind in den Gemeinderat - für mehr Klimaschutz in unserer Stadt“ Mitbürger auf diese Missverhältnisse aufmerksam zu machen. Sie werden dabei vom Bezirksverband der Gartenfreunde unterstützt. „Wir sehen uns als Mahner“, so die Initiatoren der Mahnwache vor der letzten Gemeinderatssitzung vor der Wahl. Denn noch ist es für die Waldstadt nicht zu spät, noch weiß man nicht, was in der Nordweststadt oder anderswo passiert. Und das Bewusstsein muss sich ändern, die politische Richtung und die Entscheidungsprozesse in der Stadtplanung müssen sich zugunsten des Stadtklimas verbessern.

Der am 4.5. in Bangkok vorgestellte dritte Teil des UN-Klimaberichts spricht eine deutliche Sprache. Nur mit einem sofortigen Umdenken ist der Klimawandel noch aufzuhalten, auch das Stadtklima ist davon betroffen. Denn alle Konzepte, wie auch der „Freiraumentwicklungsplan Karlsruhe 2017“, klingen für die von Grünvernichtung Betroffene wie Hohn angesichts des Handelns des Gemeinderates. Der große Zulauf bei den Schülerstreiks „Fridays For Future“ und Aktionen wie „Dragonerbaum“ zeigen, dass junge Menschen in unserer Stadt mit einem Blick auf die Zukunft verzweifeln. Sie verzweifeln am Handeln der aktuellen Politik und Planung. Jetzt haben alle die Möglichkeit, unsere Politiker auf ihre Glaubwürdigkeit und ihren Willen zu überprüfen, wie sie unsere Stadt für die Klimaprobleme der Zukunft stärken wollen.

Di, 14.5., 13 Uhr, Marktplatz vor dem Eingang zum Rathaus, Karlsruhe

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