Majolika: Immobilienprivatisierung oder Abwicklung?
Stadtleben // Artikel vom 01.04.2023
Um die Majolika ist in den vergangenen Wochen ein Immobilienkrimi entbrannt.
Nachdem im Oktober 2022 der Immobilienunternehmer Christoph Gröner die Keramikmanufaktur erwarb, herrscht Alarmstimmung bei den FreundInnen, Mietern und Beschäftigten der Majolika. Über den Kauf der Manufaktur wollte Gröner sich Zugriff auf die Immobilie der Majolika verschaffen, die sich noch im städtischen Eigentum befindet. Sein Interesse an der Keramik war augenscheinlich entsprechend gering. In den ersten sechs Monaten wurde die Keramikproduktion der Manufaktur faktisch eingestellt, Aufträge und das Bildungsprogramm abgebrochen und die Beschäftigten fragten vergeblich nach Verantwortlichen. Als die Zustände öffentlich wurden, kündigte der von Gröner eingesetzte Geschäftsführer gegenüber den Mitarbeitern an, die Manufaktur innerhalb von 15 Monaten abzuwickeln.
Wenige Tage später unterrichtete der Karlsruher Kulturbürgermeister mehrere Gemeinderäte, dass Gröner kein Interesse mehr an der Übernahme der Majolika-Immobilie habe. Die Sorge um einen Reputationsverlust sei zu groß. Als sich dann der Karlsruher OB Frank Mentrup einschaltete und Christoph Gröner persönlich in Berlin traf, kam es zu einer neuerlichen Kehrtwende „Die Ankündigung einer Abwicklung der Majolika ist vom Tisch“, sagte Mentrup nach dem Gespräch. Zudem habe Gröner versichert, die Immobilie weiter erwerben zu wollen. Anfang März besuchte Gröner erstmals die Majolika und stellte der Keramikmanufaktur ein vernichtendes Urteil aus: „Aus wirtschaftlicher Sicht ist ein solcher Betrieb nicht zu unterhalten.“ Allerdings hatte der Gemeinderat beschlossen, die Majolika-Immobilie nur abzugeben, wenn die Manufaktur erhalten bliebe. Dazu will Gröner die Fläche der Manufaktur auf etwa ein Drittel reduzieren. Zudem könne er sich vorstellen seine Hotels und Gaststätten mit der Majolika-Keramik auszustatten und seine Kontakte zu nutzen, um die Teller, Vasen und andere Gefäße besser zu vermarkten. Vor allem aber sollen die „überflüssigen Flächen am freien Mietmarkt platziert“ und vermarktet werden. Er wolle die Majolika zu einem „Ort für Wirtschaft, Kunst und Kultur“ machen. Start-ups, ein Boardinghouse und Beratungsfirmen sollen sich zu marktüblich hohen Mieten in der Majolika ansiedeln.
Diese Quersubventionierung aus der „intelligenten Vermarktung der Immobilie“ soll die defizitäre Produktion aufrechterhalten, beschreibt Gröner seine Idee. Doch dazu braucht Gröner die Immobilie. Beim Kauf der Manufaktur seien ihm Bedingungen für die Übernahme der Immobile genannt worden. „Wir reflektieren auf Konditionen, die uns beim Erwerb des Geschäftsbetriebes Majolika in Aussicht gestellt wurden.“ Nur für den Fall, dass diese Konditionen weiter gelten, könne er den langfristigen Betrieb der Majolika garantieren. „Die Kommune muss selbst überlegen, ob sie das angedachte Konzept torpediert“, setzt Gröner die Stadt unter Druck. An der Stadtspitze kann sich jedoch niemand an solche Absprachen erinnern. „Es gab und gibt dazu keine ‚Konditionen‘ von Seiten der Stadt“, widerspricht der Oberbürgermeister Mentrup dem Investor. Es gäbe keinen Dissens, sagt Gröner nach dem Gespräch mit Mentrup. Er habe keine Zweifel an einem Abschluss in gutem Einvernehmen mehr habe. „Es gab offensichtlich ein Missverständnis oder ungeprüfte Informationen, die uns glauben ließen, die Stadt weicht von ihrer bisherigen Vorgehensweise ab.“
Die Idee, die traditionsreiche Majolika an einen privaten Investor abzugeben, wird von der Stadtspitze und den großen Stadtratsfraktionen begrüßt. Sie verweisen auf die knappe städtische Haushaltslage. In den vergangenen Jahren musste die Stadt die Majolika regelmäßig mit städtischen Mitteln bezuschussen. Dieser Zuschuss floss größtenteils in die Mietzahlungen an die städtische KVVH. Doch bei einigen kleineren Stadtratsfraktionen ist die Skepsis groß: „Eine Zukunft und Chance für die Manufaktur wird es nur ohne die Gröner Group und unter Verzicht auf windige Investorenmodelle geben“, gibt sich die Links-Fraktion entschieden und hat einen eigenen Antrag für die Nutzung der Majolika als „Haus der Kunst und Kultur“ in städtischem Eigentum vorgelegt. „Der bisherige Investor hat nichts zur Fortentwicklung der Majolika getan – ganz im Gegenteil“, sagt Thomas H. Hock von der FDP-Fraktion. Gröner sei nicht verlässlich. Anlass dazu geben auch die ersten sechs Monate der Majolika. Das Sagen hatte hier ein Mann, der sich in der Majolika Thomas Scherer nannte. Bekannter ist er unter dem Namen Thomas Heeger und mit Gröner lange bekannt. Bis in die 2000er war der 68-Jährige Kopf der Heeger-Unternehmensgruppe, die von Karlsruhe aus bundesweit in Immobilien investierte. Sein Generalbevollmächtigter damals war der aus Karlsruhe stammende Christoph Gröner.
Um die Jahrtausendwende geriet die Gruppe in finanzielle Schwierigkeiten und in der Folge auch ins Visier der Staatsanwaltschaft, die wegen Betrug und Insolvenzverschleppung ermittelte. Für Gröner und Heeger endeten die Ermittlungen im Zusammenhang mit ihren Immobiliengeschäften mit überschaubaren Folgen. Heeger wurde vom Landgericht Mannheim 2008 wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Gegen Gröner wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage in Höhe von 72.000 Euro eingestellt. Die anderen Verfahren wurden eingestellt. „Im vergangenen Herbst habe ich den lang befreundeten Herrn Thomas Heeger gebeten, für uns den Erwerb und die Betreuung des Vorhabens zu übernehmen“, sagt Gröner im Rückblick. Heeger bereitete das Gebäude auf die Vermietungen vor, räumte Betriebsräume aus und verkaufte Drehscheiben und andere Arbeitsmittel. Die Produktion wurde faktisch eingestellt und für neue Aufträge war niemand zuständig.
Auch sechs Monate nach dem Kauf hat Gröner noch kein tragfähiges Konzept für den Weiterbetrieb der Manufaktur. „Ich hatte nicht die Kraft, mich persönlich darum zu kümmern“, sagt er. Das Jahresende sei im Immobiliengeschäft eine intensive Zeit. „Jetzt ist Frühjahr, da ist mehr Luft“, so Gröner und kündigt an die Majolika-Manufaktur selbst führen zu wollen. In den vergangenen Monaten sind dabei u.a. Schulden beim Vermieter entstanden. Ein mittlerer fünfstelliger Betrag fehlt der städtischen Vermieterin. Gröner scheint hier keine Eile geboten und seht die Schulden dies Teil der Verhandlungsmasse: „Wir sehen gute Möglichkeiten, die Mietrückstände im Rahmen einer Gesamteinigung zu lösen.“ -fk
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