„Mythos Titanic“ in Bruchsal

Stadtleben // Artikel vom 13.04.2012

Der selbstspielenden Philharmonie-Orgel im Deutschen Musikautomaten-Museum Bruchsal haftet eine Legende an.

Sie sei nicht rechtzeitig fertig geworden, um ihren vorgesehenen Platz an Bord der Titanic einzunehmen – und ist somit vom Untergang verschont geblieben. Den 100. Jahrestag der Schiffskatastrophe nimmt Bruchsal zum Anlass für eine bundesweit beachtete Veranstaltungsreihe rund um jenen Luxusliner, dem auf der Jungfernfahrt von Southampton nach New York in der Nacht zum 15.4.1912 ein nordatlantischer Eisberg in die Quere kam.

Im Mittelpunkt steht die Sonderausstellung „Die Titanic-Orgel. Eine Legende im Rampenlicht“. Das eine der bedeutendsten Musikautomatensammlungen weltweit beherbergende Museum im Bruchsaler Barockschloss spürt bis zum 30.9. der Geschichte seines bekanntesten Ausstellungsstückes nach. Die Orgel erklingt im Rahmen der täglichen Führungen um 11, 14 und 15.30 Uhr; ein 30-minütiges Konzert wird am So, 6.5. ab 13 Uhr gespielt.

„Dem Mythos der Titanic auf der Spur“ (Sa, 14.4., 9.30 Uhr) ist auch eine Radtour: Sie führt vom Schloss Bruchsal ins elf Kilometer entfernte Schloss Gondelsheim, wo sich das Titanic-Zimmer befindet; der Speiseraum, von dem angenommen wird, dass die Ausstattung dem späteren Salon von Kapitän Edward John Smith entspricht. Mit der szenischen Lesung „Untergang der Zivilisation“ (So, 15.4., 11 Uhr, Probenfabrik, Wilderichstr. 31; Di, 15.5., 19.30 Uhr, ehemaliges Kaufhaus Schneider, Bretten), einer Collage aus Zeitzeugenaufzeichnungen, wissenschaftlichen Analysen und literarischen Texten unter anderem von Hans Magnus Enzensberger, schlägt die Badische Landesbühne im „Café Europa“ eine Brücke vom vermeintlich unsinkbaren Flaggschiff der White Star Line zum sozialen Klassensystem der Gegenwart.

Titanic-Experte Christian Amrhein beleuchtet in seinem eintrittsfreien Überblicksvortrag „Mythos und Wirklichkeit“ (So, 22.4., 17 Uhr, Historische Wirtschaft des DMM) das Wetteifern der Reedereien ebenso wie kulturelles Nachwirken und die Auffindung des Wracks 1985. Bereits 14 Jahre bevor der Ozeanriese gesunken ist, hat ein Mann das Unglück kommen sehen: Der Roman „Titan“ des amerikanischen Schriftstellers Morgan Robertson nimmt den Lauf der Dinge geradezu gespenstisch bis in Detail vorweg.

Unterm Titel „Vision einer Katastrophe?“ (Fr, 27.4., 19.30 Uhr, Historische Wirtschaft des DMM) stellen Schauspieler Manfred Rieger vom Amateurtheater Koralle und Thomas Adam, der Leiter der Städtischen Museums, in ihrer Verbindung aus Lesung und Vortrag auch die Frage nach der logischen Vorhersehbarkeit der dramatischen Ereignisse. Die elf Gänge des „Letzten Dinners auf der Titanic“ (Sa, 28.4., 14 Uhr, Dietrich-Bonhoeffer-Schule, Heidelsheim) stehen beim Kochkurs der Bruchsaler Volkshochschule auf dem Plan: Die in die Jahre gekommenen Rezepte wurden heutigen Ernährungsempfehlungen angepasst, Anmeldung unter Tel.: 07251/793 04 oder E-Mail an vhs@bruchsal.de.

James Camerons „Titanic“ ist zu Monatsanfang im Kino als 3D-Wiederaufführung abermals vom Stapel gelaufen; nun geht der nur drei Monate nach der Tragödie entstandene Stummfilm „In Nacht und Eis“ (So, 13.5., 12 Uhr, Historische Wirtschaft im DMM) des rumänischen Regisseurs Mime Misu bei freiem Eintritt auf Kollisionskurs. Anmeldung unter Tel. 07251/74 26 52 oder E-Mail an ingrid.lamprecht@landesmuseum.de.

Doch was ist letzten Endes dran am aktuellen Aufhänger der 2008 gestarteten Bruchsaler Jahresprogramme? Obwohl die von der Freiburger Firma Welte gebaute Orgel, 1982 erster Erwerb des Landes Baden-Württemberg für sein noch zu gründendes Musikautomaten-Museum, im Vorfeld komplett auseinandergenommen wurde, fand sich kein definitiver Beweis dafür, dass der Prototyp tatsächlich für die Titanic bestimmt war; sollte es Dokumente gegeben haben, wurden sie im Zweiten Weltkrieg zerstört. Was bleibt, sind Indizien – und eine Legende, die genau deshalb an Verklärung zulegen wird... -pat

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